In Lulas neuem Wirtschaftsplan spielt Umweltschutz kaum eine Rolle

Salvador Nach dem Amazonasgipfel vergangene Woche ließ sich der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva als Retter des weltweiten Regenwaldes feiern – um dann zwei Tage später mit einem ähnlich großen Marketing-Aufwand den „neuen Plan zur Beschleunigung des wirtschaftlichen Wachstums“ vorzustellen, in dem Umweltthemen kaum eine Rolle spielen.

Das Paket mit 2000 Einzelprojekten und einem Investitionsvolumen von umgerechnet 350 Milliarden Dollar umfasst zahlreiche Vorhaben, die völlig konträr zu dem sind, was Lula noch kürzlich verkündete.

So hatten sich die Gipfelteilnehmer auf einige wichtige grenzüberschreitende Kooperationsinstrumente zum Regenwaldschutz geeinigt, etwa internationale Polizeiaktionen gegen illegale Rodungen und ein überregionales wissenschaftliches Panel, an dem indigene und traditionelle Amazonasbewohner teilnehmen.

Allerdings hatte Lula schon vor dem Gipfel immer wieder betont, dass er den Staatskonzern Petrobras bei der geplanten Ölsuche im Amazonasdelta unterstützen wolle. Ein Vorhaben, dem die Umweltbehörde Ibama kürzlich noch die Genehmigung verweigert hatte. Und so sind die Investitionen in Öl und Gas unter der Führung von Petrobras im neuen Wirtschaftspaket einer der größten Budgetposten.

Vom zentral gelegenen Bundesstaat Mato Grosso soll ferner eine Eisenbahnlinie aus den Sojaanbaugebieten durch den Amazonas an die dortigen Häfen gebaut werden. Die Trasse führt dabei durch indigene Reservate und ist deshalb höchst umstritten. Entlang der Eisenbahnlinie durch den Amazonas werden sich wohl Siedlungen ausbreiten, was die intensive Landwirtschaft stärken dürfte. Der Ökonom und Infrastrukturexperte Claudio Frischtak kritisierte, eine solche Eisenbahnlinie wäre ein Desaster für Umwelt und Gesellschaft.

Rodung im Amazonas

Der Regenwald spielt eine Schlüsselrolle für das Weltklima.

(Foto: AFP/Getty Images)

Viele der Projekte haben einen hohen Preis: Sie verschlechtern den im Vergleich zu den Industrieländern bisher nachhaltigen Energiemix Brasiliens. Gleichzeitig erhöhen sie das Risiko, dass der Regenwald noch schneller zerstört wird.

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Der „Novo PAC“, wie das Programm heißt, beschädigt nicht nur Lulas Image als führender Umweltschützer des globalen Südens. Auch ist die Gefahr groß, dass er die Fehler aus dem „PAC 1“ von 2007 in seiner ersten Regierung und „PAC 2“ unter seiner Nachfolgerin Dilma Rousseff 2011 wiederholt.

Die Linksregierungen hatten die Tradition der Fünfjahrespläne wieder aufgenommen, die zuletzt die Militärregierung in den 1970er-Jahren verfolgt hatte. Stets versprachen sie enorme Investitionen, die dann deutlich geringer ausfielen als angenommen. Das liegt an der Planung selbst: So sollen im jetzigen „Novo PAC“ ein Drittel der Investitionen private Unternehmen stemmen. Doch deren Verhalten lässt sich schlecht vorhersehen.

Schwere Korruption bei letzten Wirtschaftsplänen

Die staatlichen Investitionspläne gerieten auch in Verruf, weil damit schwerwiegende Korruptionsskandale einhergingen, die ab 2014 mit den Ermittlungen im Lava-Jato-Skandal bekannt wurden. Neben Petrobras waren darin vor allem die Baukonzerne Brasiliens verwickelt.

Petrobras finanzierte die Projekte. Baukonzerne wie Odebrecht (heutiger Name Novonor) führten sie aus und schleusten einen Teil ihrer Einnahmen wieder zurück an die Politiker, welche die Projekte genehmigt hatten. Die Korruption kostete den Staat Milliarden, der Fortschritt bei der Infrastruktur stockte.

Unsummen flossen in völlig unrealistische Projekte. Ein Teil der von massiver Korruption begleiteten Projekte soll jetzt wiederbelebt werden. Etwa die Erweiterung der Raffinerie Abreu e Lima in Pernambuco im Nordosten.

Die Raffinerie war 2004 mit einem Budget von 2,3 Milliarden Dollar ausgeschrieben worden und kostete nach Fertigstellung des halben Komplexes bereits 19,5 Milliarden Dollar. Sie produziert aber bis heute mit weniger als der Hälfte der geplanten Kapazität und zu deutlich höheren Kosten als auf dem Weltmarkt. Die Transnordestina, die Eisenbahnverbindung aus dem Landesinneren des Nordostens an die dortigen Häfen, hat sich ebenfalls als Milliardengrab erwiesen.

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Wenig sinnvoll ist auch das Atomkraftwerk Angra 3. Dessen Bau begann vor 40 Jahren und soll nun fortgesetzt werden. Die Fertigstellung ist mit 2,5 Milliarden Dollar veranschlagt. Doch der Atomstrom wäre fünf Mal so teuer wie derjenige aus Wind- oder Sonnenkraftwerken, schätzt das Instituto Escolhas.

Kritik am neuen Wirtschaftsplan für Brasilien

Den Wirtschaftsprogrammen fehle ein Regel- und Koordinationssystem, kritisiert Infrastrukturexperte Frischtak: „Es wurde nie eine Kosten-Nutzen-Analyse gemacht.“ Auch der langjährige Finanzminister Pedro Malan sieht die Menge an parallel aufgesetzten Projekten skeptisch. „Wenn alles prioritär ist, dann wird gar nichts prioritär.“

Was Brasilien auch nach dem neuen Wachstumspaket droht, zeigen zwei Ruinen in Rio de Janeiro, die unter Lulas erster Regierung zu den Vorzeigeprojekten der staatlichen Planung gehörten: Die Werften, in denen Ölplattformen und Tankschiffe für Petrobras gebaut werden sollten, stehen noch heute zerfallen in der Guanabara-Bucht vor dem Zuckerhut. Und die Seilbahnen, die mehrere Stadtteile wie die Armensiedlung Complexo de Alemão mit dem Zentrum Rios verbinden sollten, funktionieren schon lange nicht mehr.

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