Habecks Berater warnen vor fehlgeleiteter Rentenpolitik

Wirtschaftsminister Robert Habeck

Der Grünen-Politiker soll in der Rentenpolitik den Mahner spielen.

(Foto: dpa)

Berlin Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium warnt die Ampelkoalition vor falschen Weichenstellungen in der Rentenpolitik. In einem Brief mit der Überschrift „Rentenpolitik ist auch Wirtschaftspolitik“ fordert das Gremium beispielsweise, die geplante Stabilisierung des Rentenniveaus nicht für alle Einkommensgruppen vorzusehen.

Auch sollte die Rente ab 63 – wenn die Regierung sie nicht ganz abschaffen wolle – künftig nur denen zukommen, „die gesundheitlich und/oder einkommensmäßig weniger privilegiert sind“, heißt es in dem Schreiben an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

Die Bundesregierung arbeitet aktuell an ihrem zweiten Rentenpaket, mit dem sie das Rentenniveau dauerhaft bei mindestens 48 Prozent stabilisieren will. Außerdem soll mit dem sogenannten Generationenkapital erstmals eine kapitalgedeckte Säule innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung aufgebaut werden.

Ministerien müssen sich einigen

Derzeit läuft die Abstimmung zwischen den Ministerien. Während Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) sich weitgehend einig sind, soll Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) noch Bedenken angemeldet haben.

Habecks wissenschaftliche Berater fordern den Minister nun auf, in der Ressortabstimmung noch auf seine Kabinettskollegen einzuwirken. Sie warnen davor, durch eine falsche Prioritätensetzung die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands zu gefährden.

Lasse sich beispielsweise die Stabilisierung des Rentenniveaus nur mit zusätzlichen Steuermilliarden erreichen, sei die Gefahr groß, „dass dadurch die Finanzierung von Zukunftsaufgaben verdrängt wird“, warnen die Wissenschaftler.

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Dabei denken sie etwa an den sozialökologischen Umbau der Wirtschaft, aber auch an vermehrte Bildungsanstrengungen und den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur, „welche die gesamtwirtschaftliche Produktivität Deutschlands sichern“.

Um die Rentenfinanzen nicht zu strapazieren, empfehlen sie, höhere Einkommensgruppen von der Stabilisierung des Rentenniveaus oder dem abschlagsfreien vorzeitigen Renteneintritt auszunehmen. Die Rente ab 63 sei aus gesamtwirtschaftlicher Sicht „eine höchst problematische Regelung“, da dem Arbeitsmarkt viele hochqualifizierte Fachkräfte entzogen würden.

Dass die Koalition auch die private Altersvorsorge stärken will, begrüßt der Beirat. Allerdings raten die Experten vom Aufbau eines öffentlich verwalteten Fonds, der ein einfaches und kostengünstiges Standardvorsorgeprodukt anbietet, ab.

Rentenexperte Axel Börsch-Supan

„Deutschland muss auch in der Sozialpolitik Prioritäten setzen, um trotz der Bevölkerungsalterung die Produktivität seiner Wirtschaft zu erhalten und zu stärken.“

(Foto: Dietmar Gust, EUROFORUM)

Die internationale Erfahrung zeige, dass solche Fonds oft nur unterdurchschnittliche Renditen erzielten. Die Regierung sollte lieber die betriebliche Altersvorsorge stärken und mittels einer Standardbetriebsrente auch auf kleinere und mittlere Unternehmen ausweiten.

Intervention kommt auch in der Wirtschaft gut an

Vor Kurzem hatte sich ebenfalls die von der Regierung eingesetzte sogenannte Fokusgruppe betriebliche Altersvorsorge mehrheitlich gegen den Aufbau eines öffentlich verwalteten Fonds zur Stärkung der privaten Vorsorge ausgesprochen. Allerdings gibt es in Habecks Partei noch Befürworter eines solchen Modells, während eine Reform der bestehenden Riester-Rente skeptisch gesehen wird.

Angestoßen haben den Brief der Münchener Rentenexperte Axel Börsch-Supan und der Vorsitzende des Beirats, der Mannheimer Volkswirt Eckhard Janeba. Das Gremium bittet Habeck, in der Ressortabstimmung die langfristige gesamtwirtschaftliche Perspektive zu betonen: „Deutschland muss auch in der Sozialpolitik Prioritäten setzen, um trotz der Bevölkerungsalterung die Produktivität seiner Wirtschaft zu erhalten und zu stärken.“

In der Wirtschaft kommt die Intervention der Wissenschaftler gut an: Die Analyse des Beirats etwa zur Rente ab 63 sei „ein wichtiger Weckruf“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Maschinenbauverbands VDMA, Thilo Brodtmann. Seine Branche sei von der Regelung besonders stark betroffen, denn Fachkräfte stellten 60 Prozent der Beschäftigten.

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„Viele von ihnen stehen seit ihrer dualen Berufsausbildung in einem lückenlosen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis“, sagte Brodtmann. Damit erfüllten gerade sie im Alter die Voraussetzungen, um die Altersrente für besonders langjährige Versicherte zu beziehen. Dadurch werde der Fachkräftemangel im Maschinenbau weiter verschärft.

Auch der Wirtschaftsrat der CDU mahnt, die Rentenpläne der Ampel seien eine schwere Bürde für kommende Generationen. Mit der dauerhaften Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent werde der Generationenausgleich in der gesetzlichen Rente teilweise ausgehebelt, kritisierte Generalsekretär Wolfgang Steiger. „Eigentlich müsste sich die jährliche Rentenanpassung verlangsamen, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen und immer weniger Beitragszahler ihnen gegenüberstehen“, sagte Steiger.

Die Haltelinie ignoriere diese demografische Realität und führe zu einem starken Anstieg des Finanzbedarfs der Rentenversicherung. Die Bundesminister Lindner und Heil sollten deshalb den warnenden Brief des Wissenschaftlichen Beirats ernst nehmen.

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