Grüne sperren sich weiter gegen die Aktienrente

„Einmal abgesehen von schwerwiegenden rechtlichen Bedenken gegen die geplante Konstruktion, die durch den Koalitionsvertrag in keiner Weise gedeckt ist, kalkulieren die Pläne zum Aufbau einer Aktienrente mit Fantasierenditen weit jenseits der Realität“, sagt der Sprecher für Arbeit und Soziales der Grünen-Bundestagsfraktion, Frank Bsirske. Dies gelte umso mehr, da der Bund zunächst die Zinsen für die Kredite, die er am Kapitalmarkt aufnehme, erwirtschaften müsse, betonte der frühere Verdi-Chef.

Dagegen scheinen die Sozialdemokraten mit den Plänen ihren Frieden gemacht zu haben. Das Generationenkapital sei zwar nicht gerade das Wunschprojekt seiner Partei gewesen, betont der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin Rosemann.

Aber die SPD stehe zu der Verabredung, mit einer kapitalgedeckten Säule die Finanzierungslasten der Beitragszahler zu reduzieren. „Und dann muss das Generationenkapital natürlich auch richtig gemacht werden und ein entsprechendes Volumen erreichen“, betonte Rosemann. „Ob das Konzept tragfähig ist, werden wir uns sehr genau anschauen.“

Aktienrente: Von zehn auf 200 Milliarden Euro

Mit dem Generationenkapital, das einst unter dem Begriff Aktienrente firmierte, will die Bundesregierung finanzielle Vorsorge für den Renteneintritt der geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge treffen.

Dazu ist ein kreditfinanziertes Fondsvermögen geplant, aus dessen Erträgen ab Mitte des kommenden Jahrzehnts die Rentenfinanzen stabilisiert werden sollen. Im Koalitionsvertrag haben die Ampelparteien ein Startkapital von zehn Milliarden Euro vereinbart.

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Wie das Handelsblatt berichtete, soll das Generationenkapital nun aber bis 2035 auf ein Volumen von 200 Milliarden Euro anwachsen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) will nach Angaben aus Regierungskreisen im nächsten Jahr zwölf Milliarden Euro einspeisen und den Betrag danach jährlich um drei Prozent erhöhen. Zusätzlich sollen bis zum Jahr 2028 15 Milliarden Euro aus Vermögenswerten des Bundes in die neue kapitalgedeckte Säule übertragen werden.

Clemens Fuest

Der Ifo-Ökonom warnt davor, Vermögen des Bundes in den Topf der Aktienrente einzubringen.

(Foto: IMAGO/Jürgen Heinrich)

Der Bonner Ökonom Christian Bayer hält die geplante Ausweitung für einen „sinnvollen Schritt“. Die Differenz zwischen den Zinskosten des Bundes und der erwarteten Rendite aus Aktienanlagen liege langfristig bei vier Prozent. „Das entlastet die Rentenkasse vielleicht nicht viel, aber besser haben als nicht haben“, sagt Bayer. Es sei „nur fair“, die Menschen von den guten Rahmenbedingungen des Staates als Anleger profitieren zu lassen.

Ifo-Chef Fuest lobt Aufstockung

Auch Ifo-Präsident Clemens Fuest lobt den Plan: „Ein Generationenkapital ist und bleibt eine gute Sache. Es hilft langfristig und sollte nicht durch eine kurzfristige Betrachtung des Zinsumfelds bewertet werden.“ Bundesbeteiligungen aufzunehmen hält Fuest aber für keine gute Idee. „Das wäre eine Politisierung, die gegen den Grundgedanken des Generationenkapitals spricht.“

Auch der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Pascal Kober, befürwortet die geplante Anhebung des Generationenkapitals. „Wir nähern uns dem Punkt, an dem das umlagefinanzierte Rentensystem für nächste Generationen gerade noch finanzierbar ausgestaltet werden kann.“ Ohne zusätzliche Finanzierungsideen werde der Bundeshaushalt in Zukunft immer stärker in die Querfinanzierung einbezogen werden müssen, was den politischen Spielraum künftiger Generationen einenge, betont er.

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Die Liberalen waren ursprünglich mit einem weitergehenden Konzept der Aktienrente in den Wahlkampf gezogen. Ihnen schwebte vor, einen Teil der Beitragsmittel zur gesetzlichen Rentenversicherung aus dem Umlageverfahren zu nehmen und am Kapitalmarkt anzulegen.

Dies ist aber weder mit den Koalitionspartnern noch mit den Gewerkschaften zu machen. Ob und wie die geplante kapitalgedeckte Säule künftigen Generationen nütze, sei mit Blick auf die Finanzierung mehr als fraglich, sagt Anja Piel, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB).

Sicherheit für Versicherte und Rentnerinnen und Rentner müsse immer oberste Priorität haben, fordert Piel. „Keinesfalls dürfen Beiträge von Beschäftigten und Arbeitgebern auf dem Kapitalmarkt verzockt werden.“ Eventuelle Verluste des Fonds müsse der Staat tragen, sie dürften nicht zu Rentenkürzungen führen.

Auch SPD-Sozialexperte Rosemann fordert eine Garantie, dass Beitragsmittel der umlagefinanzierten Rentenversicherung nicht in das Generationenkapital einmünden. „Hier muss es eine saubere Trennung geben.“

Wenn der Aufbau eines Kapitalstocks mehrere Jahrzehnte dauere, werde unweigerlich der Ruf folgen, Beitragsmittel der Rentenversicherung einzusetzen, argwöhnt auch Grünen-Politiker Bsirske: „Rentenkürzungen für eine Aktienrente – für dieses Risiko der Beschädigung des Umlagesystems sollte niemand den nützlichen Idioten geben.“

Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der Unionsfraktion, Stephan Stracke (CSU), wirft Lindner vor, zu „pokern“, wenn er die kapitalgedeckte Säule der Rentenversicherung über Schulden aufbauen wolle. Sein Generationenkapital entpuppe sich in Wahrheit als „Generationenschulden“.

Die Rente brauche Vertrauen und Verlässlichkeit. „Das lässt sich über Schulden nicht erzielen“, sagt Stracke. Die Risiken trügen die Steuerzahler und künftigen Rentner. Warum, fragt der CSU-Politiker, saniere der Finanzminister nicht gleich den ganzen Bundeshaushalt mit schuldenfinanzierter Spekulation an den Finanzmärkten?

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