Größte Werbeagentur Europas trotzt der Werbeflaute

Düsseldorf Im Dezember hat Florian Haller noch von einem „perfekten Sturm“ gesprochen. Der Inhaber der Agenturgruppe Serviceplan, die mit über 5500 Beschäftigten die größte inhabergeführte Kommunikationsgruppe Europas ist, blickte angesichts schwacher Konjunktur und verhaltener Konsumlaune mit Sorge auf das laufende Geschäftsjahr.

Das endet für Serviceplan Ende Juni. Und wie sich nun zeigt, ist bei dem Unternehmen mit Kunden wie BMW, Lufthansa und Penny von diesem Sturm nicht viel zu spüren. Die Münchener konnten ihren Umsatz um 19 Prozent auf 739 Millionen Euro steigern. Das erfuhr das Handelsblatt vorab.

„Ich habe nicht erwartet, dass wir entgegen dem Branchentrend ein solch signifikantes Wachstum erzielen“, sagt der 55-jährige Werbefachmann. Es sei ein anspruchsvolles Jahr gewesen. Bei vielen Bestandskunden habe man deutliche Budgetkürzungen gesehen, die durch neu gewonnene Kunden aber überkompensiert worden seien.

Das Plus bei Serviceplan darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Lage für die Werbeindustrie seit Jahren angespannt ist. Mit einem Volumen von nunmehr 48,1 Milliarden Euro ist der deutsche Werbemarkt noch immer nicht auf dem Vor-Pandemie-Niveau angekommen. Die Branche leidet darunter, dass Unternehmen angesichts der trüben Konjunktur oft zuerst an ihren Werbeausgaben sparen.

Viele Firmen preisen auch ein, dass Konsumenten wegen der hohen Inflation weniger einkaufen – und schalten deshalb erst gar keine Reklame. Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft bezeichnet 2023 gar als „Risikojahr“. Die Werbeagenturen, die dem hiesigen Branchenverband GWA angehören, wuchsen 2022 im Schnitt nur um 1,2 Prozent. Ihre Rendite lag bei 8,1 Prozent und damit so niedrig wie seit zehn Jahren nicht mehr.

Breites Angebot, Internationalisierung und Digitalisierung treiben Geschäft

Dass es bei Serviceplan besser läuft, liegt daran, dass das Familienunternehmen seinen Kunden anders als viele Konkurrenten verschiedene Lösungen aus einer Hand anbietet – etwa für klassische Werbung, Performance-Marketing, E-Commerce oder Social Media. Haller bezeichnet seine Firma deshalb gern als „Haus der Kommunikation“.

Viele Unternehmen bevorzugen solche Angebote, weil sie dazu tendieren, mit weniger Agenturen zusammenzuarbeiten, um Abstimmungsaufwand und Kosten zu minimieren. Manche Kunden verlangen maßgeschneiderte Agenturlösungen, die auf ihre Bedürfnisse abgestimmt werden. Das bietet Serviceplan etwa für BMW oder O2 Telefónica an.

Solch kostenintensive Angebote können nur große Agenturen stemmen, was die Konsolidierung der Branche weiter verschärfen dürfte. 2020 zählte das Statistische Bundesamt 24.000 Werbeagenturen – 30 Prozent weniger als zehn Jahre zuvor.

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Serviceplan profitiert davon, sich internationaler aufzustellen. So hat die Firma ihr Geschäft in den USA verstärkt, beschäftigt dort 250 Mitarbeiter. Unternehmen wollen global mit einer Stimme sprechen und stimmen Marketingmaßnahmen verstärkt international ab. „Wir gewinnen vermehrt internationale Etats“, sagt Haller – zuletzt etwa von Siemens. Serviceplan erzielt aber noch 80 Prozent seiner Umsätze im Heimatmarkt.

Wachstumstreiber war erneut das Digitalgeschäft. Die Serviceplan-Tochter Plan-Net steigerte ihre Erlöse um 40 Prozent. „In Krisenzeiten sparen Unternehmen zwar an klassischer Werbung“, sagt Haller. Große Digitalisierungsprojekte seien aber nicht storniert worden.

Haller startete die Digitaltochter 1997, kurz nach seinem Einstieg bei Serviceplan. Die Agentur wurde von seinem Vater Peter Haller, der heute im Aufsichtsrat sitzt, 1970 mitgegründet. Seit 2002 ist Florian Haller Inhaber und CEO der Serviceplan Group. Zuvor arbeitete er bei anderen Werbeagenturen sowie dem Konsumgüterriesen Procter & Gamble.

Fehlende Fachkräfte bremsen Wachstum

Während der Umsatz deutlich gewachsen ist, stieg der Gewinn nur leicht an, weil Serviceplan mit steigenden Ausgaben kämpft. Genaue Zahlen verrät die Firma nicht. Wegen des zunehmenden Digitalgeschäfts betreibt Serviceplan mehr Server. Die steigenden Stromkosten führten im abgelaufenen Geschäftsjahr zu einer Million Euro Mehrausgaben.

Weil das Unternehmen neue Mitarbeiter angestellt und die Gehälter erhöht hat, sind auch die Personalausgaben gestiegen. „Unser größter Druckpunkt ist es, genügend Talente für uns zu gewinnen“, sagt Haller. Der Fachkräftemangel ist für die Branche noch vor der konjunkturellen Lage das stärkste Wachstumshemmnis. Für 80 Prozent der Agenturen bremst dieser die Geschäfte aus, zeigt eine GWA-Befragung.

Neues Büro der Serviceplan-Gruppe in München

Die Agenturbranche leidet unter dem Fachkräftemangel.

(Foto: Serviceplan Group)

Agenturen kämpfen mit einem schlechten Image von langen Arbeitszeiten und schlechter Bezahlung. Zudem haben viele Bewerber Agenturen nicht als Arbeitgeber im Blick. Serviceplan versucht Beschäftigte auch mit seinem neuen Büro zu überzeugen, das im vergangenen Sommer eröffnet wurde. Dafür hat die Firma 20 Millionen Euro investiert.

„Hersteller sollten Kommunikation als Investitionen verstehen“

Im neuen Geschäftsjahr rechnet Haller nur noch mit fünf Prozent Umsatzwachstum. „Wir sind wegen des Umfelds vorsichtig mit Prognosen“, sagt er. Budgetkürzungen stellt Haller übergeordnet vor allem in der Autoindustrie fest, auch der Handel sei zurückhaltend. Buchungen von Banken und aus dem Tourismus würden zunehmen. Sehr gut laufe das Geschäft mit Luxusanbietern.

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Dass gerade deutsche Unternehmen an Werbung sparen, hält Haller in der aktuellen Lage für einen „gefährlichen Reflex“: „Markenhersteller sollten Kommunikation als Investitionen und die Marke als Fundament ihres Tuns verstehen.“ Weil viele Hersteller an Werbung sparen, verblassen sie in ihrer Wahrnehmung. Auch international: So haben die 100 größten globalen Marken laut Marktforscher Kantar im vergangenen Jahr 20 Prozent an Wert eingebüßt.

Sorge bereitet Haller weiter die Kaufzurückhaltung. Ihm fehlt hierzulande der Aufbruch, um den Konsum wieder anzufachen. „Wir brauchen in Deutschland ein politisches Signal, um den Menschen Zuversicht zu geben, damit sie gut in die Zukunft blicken und wieder Geld ausgeben wollen.“ Im politischen Berlin sollte man die Bedeutung des Standorts Deutschland stärker in den Vordergrund stellen, fordert der Manager.

Einsatz von KI: Werbefilm ohne Kamerateam

Große Auswirkungen erwartet der Werbeexperte durch Künstliche Intelligenz (KI): „KI hat das Potenzial, unser Geschäft völlig zu verändern, und wird künftig einen größeren Anteil an unserer Arbeit einnehmen.“ Testweise habe man schon einen Werbefilm produziert, ohne dafür ein Filmteam eingesetzt zu haben.

Noch ist unklar, wem die Rechte gehören, wenn KI auf Grundlage bestehender Kampagnen neue entwirft. Doch künftig könne man die Effizienz steigern, weil man weniger filmen und fotografieren müsse, glaubt Haller. Kurze Texte, die kaum Kreativität erforderten, könnten automatisiert erstellt werden. Und KI dürfte auch beim Programmieren helfen.

Die Werbeindustrie gehört laut Experten zu jenen Branchen, die sich durch KI besonders stark wandeln könnten. Haller glaubt jedoch nicht, dass dadurch Menschen ersetzt werden. „Wir gewinnen mehr Zeit dafür, über Dinge nachzudenken.“ Zudem brauche man Beschäftigte als Kontrollinstanz.

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