Gorillas-Eigner Getir entlässt weitere 2500 Angestellte

Getir-Fahrer

Der Lebensmittellieferdienst ist nur noch auf fünf Märkten aktiv, darunter die Niederlande und Deutschland.

(Foto: Reuters)

Berlin Der türkische Lebensmittellieferdienst Getir bekommt seine finanziellen Probleme nicht in den Griff und ergreift zusätzliche Sparmaßnahmen. Das Unternehmen entlässt rund 2500 weitere Angestellte, wie Getir am Dienstag bekannt gab. Seit Mai dieses Jahres hatten zuvor bereits Tausende Angestellte das Unternehmen verlassen.

Um den Sparforderungen der Investoren nachzukommen, hat Getir viele europäische Märkte aufgegeben: Im Juni kamen die Ankündigungen des Rückzugs aus Frankreich, Spanien und Portugal, im Juli folgte Italien. Getir versicherte, am Heimatmarkt Türkei sowie am Geschäft in Großbritannien, den Niederlanden, den USA und Deutschland festzuhalten.

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Alle fünf Länder sind auch von der „personellen Neuaufstellung“ betroffen. Das Ziel ist laut einem Unternehmenssprecher, die Prozesse effizienter zu gestalten. Wenn die jüngste Entlassungswelle beendet ist, dürften noch etwas mehr als 20.000 Menschen für Getir arbeiten, darunter Lieferfahrer, Büroangestellte und Lagermitarbeiter. Fragen zu den Auswirkungen der Stellenstreichungen und beispielsweise möglichen Rückzügen aus Teilmärkten wie einzelnen Städten ließ Getir zunächst unbeantwortet.

Ähnlich wie der Lebensmitteleinzelhandel spüren auch die Schnelllieferdienste aktuell die Auswirkungen der Inflation und der anhaltenden Konsumflaute. Hinzu kommen die hohen Kosten für den Betrieb der Lager und der Lieferflotte. Investoren sind kaum noch bereit, entsprechende Geschäftsmodelle zu unterstützen. Wie schwierig das Geschäft sein kann, zeigte das abrupte Ende des Lieferdiensts Oda aus Norwegen, der im Juni nach einem halben Jahr seine Exkursion nach Deutschland wieder abbrach. Start-ups wie Frischepost und Alpakas mussten Insolvenz anmelden.

Suche nach Investorengeldern hält an

Laut dem Datendienst Pitchbook hat Getir seit der Gründung vor acht Jahren 2,3 Milliarden Dollar bei Wagniskapitalgebern eingesammelt. Mubadala Investment, der finanzstarke Staatsfonds Abu Dhabis, ist mit Abstand der größte Geldgeber. Die bisher letzte Finanzierungsrunde schloss Getir noch in der Coronakrise ab: Im März 2022 erhielt der Lieferdienst 768 Millionen Dollar, Investoren bewerteten das Unternehmen mit zwölf Milliarden Dollar.

Bereits bei der Übernahme des Konkurrenten Gorillas Ende vergangenen Jahres musste Getir eine deutliche Abwertung auf nur noch sieben Milliarden Dollar hinnehmen. Da das Start-up bislang keine Gewinne erwirtschaftet, ist es weiter von Geldgebern abhängig. Die Verhandlungen mit potenziellen Investoren laufen, mehreren mit den Gesprächen vertrauten Personen zufolge, seit Monaten, ohne dass sich eine Zusage abzeichnet.

Sortiment mit Lücken

Bisher sind Getir und Gorillas noch nicht komplett miteinander verschmolzen. Vor allem in der Gorillas-App stoßen User seit Monaten auf Lücken im Sortiment. Gorillas sei bei Lieferanten im Zahlungsverzug, weshalb diese die Lieferungen eingestellt hätten, sagten mit der Situation vertraute Personen.

Im Gegensatz zum Rivalen Flink fehlt Getir eine Einkaufsmacht im Rücken. Der deutsche Wettbewerber hat diese mit der Rewe-Gruppe, die die Produkte liefert und zugleich an Flink beteiligt ist. Edeka hat die gleiche Funktion beim Lieferdienst Picnic.

Die Schwäche der Konkurrenz will unterdessen der Lieferdienst Picnic nutzen, der sein Angebot in Deutschland weiter ausbaut. „Wir spüren eine weiter steigende Kundennachfrage, deshalb sind wir zuversichtlich, unser Umsatzziel von 400 Millionen Euro für dieses Jahr auch zu erreichen“, sagte Picnic-Geschäftsführer Frederic Knaudt kürzlich dem Handelsblatt. Dafür nimmt das 2015 gegründete niederländische Start-up, das 2018 in Deutschland gestartet ist, auch weiter Verluste in Kauf.

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