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Tuesday, December 3, 2024

Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände sind dafür

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Michael Vassiliadis, Vorsitzender IG BCE

Es müsste sichergestellt werden, dass die Unternehmen den Kostenvorteil durch subventionierten Industriestrom tatsächlich in die ökologische Transformation stecken und nicht einfach an die Aktionäre ausschütten, sagt Vassiliadis.

(Foto: IMAGO/Chris Emil Janßen)

Berlin Die Industriegewerkschaften IG BCE und IG Metall, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und Wirtschaftsverbände aus verschiedenen energieintensiven Branchen werben gemeinsam für einen Industriestrompreis.

Es sei „fünf vor zwölf“ für die energieintensiven Industrien, längst drohten Verlagerungen, Standortschließungen und der Verlust von Arbeitsplätzen, warnt die neu gegründete „Allianz pro Brückenstrompreis“.

Nach monatelangem Hickhack müsse nun eine Entscheidung für die Zukunft der Industrie in Deutschland getroffen werden. Vor allem der Bundeskanzler müsse klar Stellung beziehen, fordern die Bündnispartner, die in den kommenden Wochen das Gespräch mit Regierungsvertretern und Abgeordneten aus Bund und Ländern suchen wollen.

Der Allianz gehören neben den Gewerkschaften der Chemieverband VCI, die Wirtschaftsvereinigung Metalle, der Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden, der Bundesverband Glasindustrie, die Wirtschaftsvereinigung Stahl und der Verband der Papierindustrie an. Die Mitglieder vertreten insgesamt mehr als 1,1 Millionen Beschäftigte in mehr als 8000 Unternehmen.

Der Industriestrompreis müsse an klare Kriterien geknüpft sein, hatte IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis am Donnerstagabend vor Journalisten in Berlin gefordert. Er dürfe nur für eine Übergangsfrist bis maximal 2030 gelten, weil dann nach Plänen der Bundesregierung günstiger grüner Strom in ausreichender Menge zur Verfügung stehen soll.

Um dieses Ziel auch wirklich zu erreichen, müsse die Windkraft massiv ausgebaut werden. Dafür brauche es eine Förderung nach dem Vorbild des Inflation Reduction Act (IRA) in den USA. Außerdem müsse sichergestellt werden, dass die Unternehmen den Kostenvorteil durch subventionierten Industriestrom tatsächlich in die ökologische Transformation stecken und nicht einfach an die Aktionäre ausschütten, sagte Vassiliadis.

Habeck beziffert Kosten für Industriestrompreis auf bis zu 30 Milliarden Euro

Der Industriestrompreis ist innerhalb der Bundesregierung und unter Ökonomen umstritten. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte bereits im Mai ein Arbeitspapier zum Industriestrompreis vorgelegt.

Darin ist vorgesehen, für Unternehmen aus energieintensiven Industrien bis zum Jahr 2030 den Strompreis für 80 Prozent ihres Verbrauchs bei sechs Cent je Kilowattstunde zu deckeln. Die Kosten bezifferte Habeck mit bis zu 30 Milliarden Euro. Vor Kurzem hatte der Wirtschaftsminister aber bei seiner Indienreise erklärt, dass sich die Unterstützung möglicherweise auf die nächsten drei bis fünf Jahre beschränken könnte.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hält dagegen nichts von einem subventionierten Industriestrompreis, auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist skeptisch. Die Spitzenkandidatin der SPD für die Landtagswahl in Hessen, Nancy Faeser, stellte sich ebenfalls gegen einen subventionierten Industriestrompreis.

Kanzler und andere Kabinettsmitglieder sehen Habecks Vorschlag kritisch

„Ich glaube genauso wie der Bundeskanzler, dass wir vor allem strukturelle Veränderungen brauchen“, sagte die Landesvorsitzende der Hessen-SPD und Bundesinnenministerin dem Handelsblatt. „Wir müssen die erneuerbaren Energien schnell weiter ausbauen und so auch die Strompreise nach unten drücken.“

Wenn die Energiepreise so hoch blieben, brauche es zwar weitere Schritte, damit die deutsche Wirtschaft international wettbewerbsfähig bleibe. Dabei gehe es insbesondere darum, besonders energieintensive Unternehmen in der Industrie und im Mittelstand zu entlasten. Faeser sagte jedoch auch: „Dauerhaft mit Subventionen zu reagieren wird auch ein so starkes Land wie Deutschland aber nicht stemmen können.“

Auch prominente Ökonomen wie die Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer, Ulrike Malmendier oder Martin Werding halten nichts davon, energieintensive Industrien zu subventionieren.

>> Lesen Sie hier den Gastkommentar von FDP-Chef Christian Lindner: „Den Industriestrompreis sehe ich sehr kritisch“

Ein Industriestrompreis verteile Steuergelder von weniger energieintensiven Branchen in energieintensive Branchen um, sagte Schnitzer. „Das bremst den Strukturwandel, der aber dringend notwendig ist.“

Es sei sinnvoller, wenn bestimmte Grundstoffe in Zukunft aus Ländern mit günstigeren Energiepreisen kämen und Deutschland sich auf Technologieprodukte konzentriere, bei denen die deutsche Wirtschaft einen Wettbewerbsvorteil hat, betonte die Vorsitzende des Sachverständigenrats.

IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis hält eine solche Argumentation für kurzsichtig. Ohne Unterstützung von energieintensiven Unternehmen drohe vielleicht keine Deindustrialisierung in der Breite, sagte er am Donnerstagabend vor Journalisten in Berlin. Aber bestimmte Wertschöpfungsketten, die für Zukunftstechnologien notwendig seien, könnten ausgedünnt werden oder ganz wegbrechen. „Wenn wir in der Batterietechnik eine Rolle spielen wollen, brauchen wir die Chemie“, erklärte der Gewerkschafter.

Die Chemiebranche befinde sich in einer „Sandwichposition“, sagte Vassiliadis weiter. Auf der einen Seite sei die Nachfrage weltweit sehr verhalten, auf der anderen Seite lockten die USA mit dem Inflation Reduction Act und Kostenvorteilen. Bei den deutschen Unternehmen der Branche stünden die Zeichen deshalb „auf Flucht“, hat der IG-BCE-Chef beobachtet.

>> Lesen Sie hier: Von Fabrikschließungen bis Einstellungsstopps – Was die Krise der Chemie über Deutschlands Industrie aussagt

Bundeskanzler Scholz müsse sich deshalb der Debatte über den Industriestrompreis neu stellen und eine Entscheidung innerhalb der Bundesregierung herbeiführen. Ende September soll es einen Chemie-Gipfel im Kanzleramt geben.

Auch DGB-Chefin Yasmin Fahimi hatte im Handelsblatt vehement für einen Industriestrompreis geworben und dafür sogar eine Summe von 50 Milliarden Euro ins Spiel gebracht. Allerdings ist die Förderung der energieintensiven Industrie auch innerhalb des DGB nicht unumstritten.

Man könne überlegen, den Industrieunternehmen eine Brücke zu bauen, sagte Verdi-Chef Frank Werneke kürzlich im Interview mit dem Handelsblatt. „Doch unter den hohen Energiepreisen leiden genauso viele Dienstleistungsbranchen, soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser und die Verbraucher.“

Deshalb gebe es im DGB die abgestimmte Position, dass es Regelungen zum Industriestrom brauche, aber parallel auch eine Verlängerung der Strom- und Gaspreisbremse.

Mehr: Braucht Deutschland einen subventionierten Industriestrompreis? Ein Pro und Contra.

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