Getir liefert nur noch in sechs deutschen Städte

Lieferdienst Getir

Berlin ist eine von nur sechs deutschen Städten, in die Getir auch weiterhin liefert.

(Foto: dpa)

Berlin Der Lebensmittellieferdienst Getir zieht sich aus 17 von aktuell noch 23 deutschen Städten zurück. Die Fahrradkuriere beliefern künftig nur noch Kunden in Berlin, Hamburg, Frankfurt am Main, München, Düsseldorf und Köln. Das erfuhr das Handelsblatt von mehreren mit der Angelegenheit vertrauten Personen. Die Geschäfte in kleineren Städten wie Stuttgart, Dresden, Heidelberg oder Leipzig würden umgehend eingestellt.

Damit beliefert Getir schon bald weniger Städte als noch vor der Übernahme des Berliner Konkurrenten Gorillas im Dezember vergangenen Jahres. Der direkte deutsche Konkurrent Flink, der ebenfalls innerhalb kurzer Zeit Lebensmittel nach Hause liefert, ist dagegen in mehr als 40 Städten in Deutschland aktiv.

Es dürfte also ein bedeutender Teil der weltweit 2500 Entlassungen, die Getir am Dienstag bekannt gegeben hat, auf Deutschland entfallen. Betroffen sind neben Lagermitarbeitern und Lieferfahrern auch Büroangestellte. Aktuell hat Getir in Deutschland noch rund 3000 Angestellte. Wie viele Mitarbeiter letztlich in Deutschland verbleiben, wollte das Unternehmen nicht mitteilen. Weltweit sollen es etwa 20.000 sein.

Um Sparforderungen von Investoren nachzukommen, hat Getir andere europäische Märkte bereits ganz aufgegeben: Im Juni kündigte das Unternehmen den Rückzug aus Frankreich, Spanien und Portugal an, im Juli folgte Italien. Getir versichert, am Heimatmarkt Türkei sowie am Geschäft in Großbritannien, den Niederlanden, den USA und Deutschland festzuhalten.

Ähnlich wie der Lebensmitteleinzelhandel spüren auch die Schnelllieferdienste aktuell die Auswirkungen der Inflation und der anhaltenden Konsumflaute. Hinzu kommen die hohen Kosten für den Betrieb der Lager und der Lieferflotte. Investoren sind kaum noch bereit, entsprechende Geschäftsmodelle zu unterstützen.

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Wie schwierig das Geschäft sein kann, zeigte das abrupte Ende des Lieferdiensts Oda aus Norwegen, der im Juni nach einem halben Jahr seine Expansion nach Deutschland wieder abbrach. Start-ups wie Frischepost und Alpakas mussten Insolvenz anmelden. Auch Flink ist inzwischen deutlich schlanker aufgestellt als noch zu den Boomzeiten in der Coronakrise.

Getir: Suche nach Investorengeldern hält an

Laut dem Datendienst Pitchbook hat Getir seit der Gründung vor acht Jahren 2,3 Milliarden Dollar bei Wagniskapitalgebern eingesammelt. Mubadala Investment, der finanzstarke Staatsfonds Abu Dhabis, ist mit Abstand der größte Geldgeber. Die bisher letzte Finanzierungsrunde schloss Getir noch während der Coronakrise ab: Im März 2022 erhielt der Lieferdienst 768 Millionen Dollar, Investoren bewerteten das Unternehmen mit zwölf Milliarden Dollar.

Bereits bei der Übernahme des Konkurrenten Gorillas musste Getir eine deutliche Abwertung auf nur noch sieben Milliarden Dollar hinnehmen. Da das Start-up bislang keine Gewinne erwirtschaftet, ist es weiter von Geldgebern abhängig. Die Verhandlungen mit potenziellen Investoren laufen seit Monaten, ohne dass sich eine Zusage abzeichnet, berichten mit den Gesprächen vertraute Personen dem Handelsblatt.

Lücken im Sortiment – vor allem in der Gorillas-App

Bisher sind Getir und Gorillas noch nicht komplett miteinander verschmolzen. Vor allem in der Gorillas-App stoßen Nutzer seit Monaten auf Lücken im Sortiment. Gorillas sei bei Lieferanten im Zahlungsverzug, weshalb diese die Lieferungen eingestellt hätten, sagten mit der Situation vertraute Personen.

Im Gegensatz zum Rivalen Flink fehlt Getir eine Einkaufsmacht im Rücken. Der deutsche Wettbewerber hat diese mit der Rewe-Gruppe, die die Produkte liefert und zugleich an Flink beteiligt ist. Edeka hat die gleiche Funktion beim Lieferdienst Picnic.

Picnic will die Schwäche der Konkurrenz nutzen, der Lieferdienst baut sein Angebot in Deutschland aus. „Wir spüren eine weiter steigende Kundennachfrage, deshalb sind wir zuversichtlich, unser Umsatzziel von 400 Millionen Euro für dieses Jahr auch zu erreichen“, sagte Picnic-Geschäftsführer Frederic Knaudt kürzlich dem Handelsblatt.

Dafür nimmt das 2015 gegründete niederländische Start-up, das seit 2018 in Deutschland aktiv ist, weiter Verluste in Kauf. Schon jetzt liefert es in 80 Städten aus und damit in doppelt so vielen wie der direkte Getir-Konkurrent Flink.

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