EZB-Entscheidung kostet deutsche Banken 1,7 Milliarden Euro

Sonnenuntergang hinter der Europäischen Zentralbank

Die Entscheidung der Notenbank über die Verzinsung von Pflicht-Guthaben hat viele Geldhäuser überrascht. Die Deutsche Bank kritisierte den Beschluss.

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Frankfurt Für die Banken sind die jüngsten Beschlüsse der Europäischen Zentralbank (EZB) eine zweischneidige Angelegenheit: Einerseits bietet ihnen die beschlossene Zinserhöhung die Chance, mit Einlagen und Krediten mehr Geld zu verdienen. Andererseits hat die Notenbank eine Entscheidung gefällt, durch die Geldhäuser Einnahmen in Milliardenhöhe verlieren.

Dabei geht es um die sogenannte Mindestreserve, die Institute bei ihren nationalen Notenbanken parken müssen. Auf diese erhalten die Banken – anders als bisher – künftig keine Zinsen mehr. Auf Jahressicht entgehen den Geldhäusern damit Einnahmen von 6,2 Milliarden Euro.

Die deutschen Banken sind davon besonders stark betroffen. Von den 165 Milliarden Euro, die europäische Geldhäuser insgesamt als Mindestreserve bei ihren nationalen Notenbanken hinterlegt haben, entfallen 45 Milliarden Euro auf deutsche Geldhäuser.

Den deutschen Banken entgehen damit pro Jahr 1,7 Milliarden Euro – verglichen mit dem Einlagensatz von 3,75 Prozent, den die Notenbank auf alle darüber hinaus gehenden Einlagen ab September bezahlen wird.

Laut den Analysten der Deutschen Bank wird durch die EZB-Entscheidung der erwartete Gewinn pro Aktie der von ihr beurteilten Institute in der EU 2024 um durchschnittlich zwei Prozent niedriger ausfallen.

Kundeneinlagen sind ausschlaggebend

Wie hoch die Mindestreserve einer Bank ist, hängt im Wesentlichen vom Einlagenvolumen ihrer Kunden ab. Derzeit entspricht die Pflichteinlage einem Prozent der Kundeneinlagen eines Unternehmens.

Da die Deutsche Bank und Commerzbank die meisten Kundeneinlagen in der Bundesrepublik verwalten, dürften sie von der EZB-Maßnahme in absoluten Zahlen am stärksten betroffen sein. Die Institute legen zwar nicht offen, wie hoch ihre Mindestreserven sind.

Doch der Effekt lässt sich schätzen, da Banken ihr Einlagenvolumen veröffentlichen. Ausnahme ist die Deutsche Bank, die sich bislang zwar auch geweigert hatte, die Zahlen zu veröffentlichen. Aber in einem Gespräch mit Anleiheanalysten hat sich nun Finanzchef James von Moltke dazu geäußert.

Die Deutsche Bank bezifferte ihre Mindestreserve am Freitag auf 5,5 Milliarden Euro. Dem Institut entgehen damit jährlich etwa 200 Millionen Euro. Das entspricht rund 1,5 Prozent des Zinsüberschusses des Jahres 2022. Da die EZB-Entscheidung erst ab September greift, geht es in diesem Jahr aber nur um 60 Millionen Euro, wie von Moltke betonte.

Er übte Kritik an der EZB-Entscheidung. Die EZB verlagere Kosten der Geldpolitik auf die Bankenbranche. „Wir sind enttäuscht und etwas überrascht von der Entscheidung“, sagte er in der Telefonkonferenz mit den Analysten.

James von Moltke

Der Finanzvorstand der Deutschen Bank kritisiert die EZB.

(Foto: dpa)

Die Commerzbank kam im ersten Quartal auf Einlagen von Firmen- und Privatkunden von 246 Milliarden Euro. Da bei der Berechnung der Mindestreserve noch bestimmte Schuldverschreibungen einfließen, dürfte die Mindestreserve des Instituts insgesamt knapp drei Milliarden Euro betragen.

Auf Jahressicht verliert die Commerzbank durch die EZB-Entscheidung damit Zinseinnahmen von rund 100 Millionen Euro – verglichen mit einer Verzinsung der Mindestreserve von 3,75 Prozent. Für 2023 dürften sich die Einbußen von Mitte September bis Jahresende auf rund 30 Millionen Euro belaufen.

Sparkassen stärker betroffen als Volksbanken

Relativ präzise lassen sich die Folgen für den öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Finanzsektor abschätzen. Die Mindestreserve für die Sparkassen und Landesbanken insgesamt betrug laut Bundesbank zuletzt 14,4 Milliarden Euro. Das entspricht entgangenen Zinseinnahmen von 540 Millionen Euro. Der Effekt für die Volks- und Raiffeisenbanken fällt mit 307 Millionen Euro deutlich geringer aus.

Wie schmerzhaft die wegfallenden Zinseinnahmen für eine Bank sind, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Banken, die sich überwiegend mit Kundeneinlagen finanzieren und deren Profitabilität gering ist, dürften nach Einschätzung der Deutschen Bank am stärksten betroffen sein.

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„Konkret rechnen wir damit, dass die Auswirkungen auf mittelgroße italienische und spanische Banken am negativsten sind“, schreibt die Deutsche Bank in einer Studie. Am geringsten seien die Auswirkungen für Banken mit relativ wenig Geschäft in der Euro-Zone wie etwa Nordea oder Raiffeisenbank International.

Sebastian Mack, Bankenexperte des Jacques Delors Centre, findet es richtig, dass die EZB den Banken die Zinsen für die Pflichteinlagen streicht. Er fordert, die Zinszahlungen der EZB an die Institute noch weiter abzusenken. „Um den Vermögenstransfer von der öffentlichen Hand zum privaten Sektor wirksam einzudämmen, sollte die EZB bei den nächsten Sitzungen den Mindestreservesatz nun schrittweise anheben“, sagt er. Damit ist gemeint, dass die Pflichteinlage der Banken noch höher als bisher ausfallen soll. Damit würden der Branche weitere Zinseinnahmen entgehen.

Ein solcher Schritt ist nach Handelsblatt-Informationen in der EZB-Ratssitzung diskutiert worden. Demnach gab es auch Notenbanker, die die Pflichteinlage von ein Prozent auf zwei Prozent der Einlagen ausweiten wollten. Ursprünglich lag der Reservesatz der EZB bei zwei Prozent. Erst 2012 hat die Notenbank ihn halbiert.

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