Eine Ministerin will ihr Profil schärfen

Berlin Die Forschungsministerin ist gekommen, um zu lernen. Bettina Stark-Watzinger (FDP) sitzt in einem verglasten Büro der Berliner Firma Merantix, die Geschäftsmodelle rund um Künstliche Intelligenz (KI) entwickelt und daraus Start-ups gründet. 

Der Termin ist der Auftakt der Sommertour von Stark-Watzinger, die am Freitag zu Ende ging. Es geht um KI, Digitalisierung, Bildung – große Themen, mit denen die Ministerin bislang aber kaum Akzente setzen konnte.

Woher die Mittel des Berliner Unternehmens kommen, will die FDP-Politikerin von Merantix-Gründer Rasmus Rothe wissen. Die Firma hat mit ihrem 35 Millionen Euro großen Fonds, der auch Geld von internationalen Geldgebern bekommt, zwölf KI-Unternehmen aufgebaut. Die Ministerin fragt, was Rothe über den AI Act denke, das Regulierungswerk der Europäischen Union zu KI. Gesetze gebe es eigentlich genug, sagt Rothe. Es hätte gereicht, diese anzupassen.

Und welche Nische können Deutschland und Europa besetzen, um bei KI aufzuschließen? Der große Hebel sei, sagt Rothe, die Technologie in Branchen zur Anwendung zu bringen, etwa in der Automobilindustrie und dem Gesundheitssystem. Hier sieht er 90 Prozent der Wertschöpfung in den kommenden zehn Jahren. 

Dass die Ministerin nicht nur doziert, sondern sich interessiert zeigt, kommt bei dem Berliner Unternehmen gut an. Den Zuspruch kann Stark-Watzinger gut gebrauchen, denn ihre Bilanz fällt bislang mau aus. Sie gehört zu den unbekanntesten Ministern des Kabinetts. In der Beliebtheitsskala rangiert sie auf dem viertletzten Platz. 

Stark-Watzingers Vorschläge verhallen ungehört

Mit ihren Vorstößen, etwa zur Hilfe für Schulen in Brennpunkten, bleibt sie bisher meist unter dem Radar der Öffentlichkeit. Hinzu kommt, dass sie eine Doppelrolle ausfüllt und FDP-Landeschefin in Hessen ist, wo im Herbst gewählt wird. Dafür ist bisher erstaunlich wenig von ihr zu hören.

Ihr größter Trumpf, nämlich zukunftsträchtige Themen zu behandeln, ist gleichzeitig ihr größtes Problem – denn sie kann bei Bildung und Künstlicher Intelligenz allein nicht viel bewegen. Für das marode Schulwesen sind die Bundesländer verantwortlich, Stark-Watzinger kann lediglich Geld zuschießen und Pilotprojekte finanzieren. 

Stark-Watzinger im Bundestag

Die Ministerin gehört zu den unbekanntesten Kabinettsmitgliedern.

(Foto: IMAGO/Future Image)

Auch beim Thema Künstliche Intelligenz konnte die Liberale keine entscheidenden Akzente setzen. Genau deshalb spielt KI – neben Supercomputing, Gesundheit und Technologietransfers – auf ihrer Sommerreise eine zentrale Rolle. Zum Abschluss besucht sie an diesem Freitag KI-Experten der Karlsruher Universität KIT und in Tübingen das nationale KI-Zentrum als Teil des baden-württembergischen Cyber-Valleys. 

Die Forschung der Universitäten und Institute hat Deutschland immerhin eine gute Basis bei KI gesichert, gleichzeitig fehlt der Bundesregierung aber nun ein klarer KI-Kurs. Jedes Ministerium macht mehr oder weniger, was es für richtig hält – ohne übergreifenden Plan.

Die KI-Strategie kommt aus einer anderen Zeit

Bezeichnend dafür ist, dass die geltende KI-Strategie noch von der Vorgängerregierung aus dem Jahr 2018 stammt – also aus einer anderen Zeit. Die jüngsten Fortschritte der Technologie haben nicht nur ein technologisches Wettrennen zwischen Unternehmen ausgelöst, auch Staaten wetteifern um eine globale Vorreiterrolle. 

Deutschland jedoch scheint außen vor. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat bislang nicht einmal annähernd ähnliche Ambitionen in diesem Feld geäußert wie der britische Premier Rishi Sunak, US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatschef Xi Jinping. 

Stark-Watzinger hat bei ihrem Termin bei Merantix nun ein „Update“ für die KI-Strategie angekündigt. Und stellte zugleich die Frage, worauf man sich denn dabei fokussieren solle. Medizin und Biotech, antwortete Unternehmenschef Rothe, aber auch die Chemie und Autoindustrie. „Im Endeffekt alle Bereiche, die etwas bauen.” 

Für die Wahl in Hessen wird all das kaum nutzen, ist doch KI ebenso wie die vielen Forschungsthemen, die Stark-Watzinger bearbeitet, in der breiten Öffentlichkeit eher ein Nischenthema. In der breiten Bevölkerung könnte schon eher ihr „Startchancen-Programm“ Eindruck machen, mit dem sie insgesamt 4000 Schulen – jede zehnte der allgemeinbildenden und Berufsschulen – in sozialen Brennpunkten unterstützen will. 

Hier ist allerdings völlig unklar, ob das FDP-Prestigeprojekt wie versprochen 2024 starten kann, denn die Bundesministerin ist mit den Ländern heillos zerstritten über die Details. Auch die überfällige Bafög-Reform lässt auf sich warten. Für Negativschlagzeilen sorgte daneben die Verschiebung der Neuauflage des Digitalpaktes für die Schulen.  

Lindner streicht seiner Parteifreundin die Mittel

All das liegt  auch daran, dass die Hessin – entgegen der anfänglichen Hoffnung, in Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner einen starken Unterstützer zu haben – nun kräftige Einschnitte in ihrem Haushalt hinnehmen muss.

Lindner und Stark-Watzinger

Der Finanzminister hält seine Parteikollegin zum Sparen an.

(Foto: IMAGO/Bernd Elmenthaler)

Wenn sie etwa wirklich die von Lindner auf dem jüngsten Parteitag angekündigte „Bildungsmilliarde“ jährlich in das Startchancen-Programm stecken will, muss sie anderswo insgesamt rund zwei Milliarden einsparen. 

Bei KI sagt Stark-Watzinger selbst, „wir brauchen hier mehr Tempo“, es gebe in Deutschland „viel Know-how, aber nicht genug Start-ups“. Schließlich sei KI „so bedeutend wie einst die Elektrifizierung“. Wenn die Bundesrepublik „jetzt nicht handelt, sind wir nicht bei der Entwicklung dabei“, warnte sie im Handelsblatt-Interview. Unklar ist jedoch, was ihre Rolle dabei sein kann und soll.

Mehr: Streitgespräch über KI – „Du solltest jetzt zum Kanzler stürmen und sagen, das hier ist mehr als wichtig.“

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