DWS Group tauscht nach Greenwashing-Verdacht CEO aus

Frankfurt Bis spät in den Dienstagabend berieten Vorstände der Deutschen Bank mit Asoka Wöhrmann, dem Vorstandschef der Fondstochter DWS, über seine Zukunft. Über das Ergebnis wurde auch der Aufsichtsrat der Deutschen Bank informiert.

Am Mittwochmorgen um vier Uhr veröffentlichte die Bank das Ergebnis: Wenige Stunden nach einer Razzia wegen Verdachts auf Kapitalanlagebetrug und systematisches „Greenwashing“ muss Wöhrmann seinen Posten aufgeben. Er stand schon seit Monaten unter Druck.

Wöhrmann, der die Fondsgesellschaft seit 2018 leitet, zählt zu den Vertrauten von Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing. Jetzt wird er durch einen weiteren Weggefährten Sewings ersetzt. Stefan Hoops, der bislang die Unternehmensbank der Deutschen Bank führt, soll nach der DWS-Hauptversammlung am 9. Juni die Fondsgesellschaft leiten.

Doch damit ist die Krise bei DWS und Deutscher Bank noch nicht ausgestanden, meinen Investoren. Die Großanleger fürchten, dass der Druck auf DWS-Aufsichtsratschef Karl von Rohr nun wächst. Der ist gleichzeitig Stellvertreter von Christian Sewing und führt das Privatkundengeschäft der Deutschen Bank.

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Aber auch für Sewing ist die DWS-Affäre ein Rückschlag. Ein Frankfurter Spitzenbanker warnt: „Das ist mehr als eine Imagekrise. Sewing muss aufpassen, dass Schwächen beim Thema Compliance und Kontrolle nicht die Sanierungserfolge infrage stellen.“

Insidern zufolge hat die Razzia von Staatsanwaltschaft, Finanzaufsicht und Polizei Wöhrmanns Abgang zwar beschleunigt. Beschlossene Sache war die Trennung nach Handelsblatt-Informationen aber schon vor der Durchsuchung. Innerhalb der Deutschen Bank, die 80 Prozent an der börsennotierten DWS hält, sei die Kritik an Wöhrmanns Krisenmanagement zuletzt immer mehr gewachsen.

Zivilfahnder-Fahrzeuge vor der DWS-Zentrale in Frankfurt

Am Dienstag wurden die Räume der Fondstochter der Deutschen Bank in Frankfurt von 50 Ermittlern durchsucht.


(Foto: Bloomberg)

Die Krise hatte im vergangenen Sommer begonnen: Desiree Fixler, ehemalige Nachhaltigkeitschefin der DWS, warf der Fondsgesellschaft damals vor, ihr Engagement für nachhaltige Investments systematisch zu schönen. Seither haben Behörden in den USA und in Deutschland Ermittlungen aufgenommen, darunter die US-Wertpapieraufsicht SEC und die deutsche Bafin.

Aufseher sehen DWS-Chef Wöhrmann schon länger kritisch

Auch weitere Indizien sprechen dafür, dass die Deutsche Bank Wöhrmanns Abgang schon länger geplant hatte. Zum einen konnte die Bank mit Stefan Hoops direkt einen Nachfolger benennen. Finanzinstitute stimmen sich zudem im Vorfeld mit der Aufsicht ab, wenn sie Vorstandsposten neu besetzen.

Die Behörden müssen die Kandidaten absegnen. Selbst wenn es schnell gehen muss, dürfte so etwas mindestens zwei Wochen in Anspruch nehmen, eher noch länger. Neben der fachlichen Qualifikation von Vorständen spielt für Aufseher auch die persönliche Eignung des Kandidaten eine wichtige Rolle.

Dass die Deutsche Bank mit der Ablösung Wöhrmanns bei den Aufsehern auf Wohlwollen gestoßen ist, gilt in der Bank und in der DWS als offenes Geheimnis. Die Aufseher hätten den DWS-Chef schon seit einiger Zeit kritisch gesehen, heißt es von Insidern.

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Letztlich dürfte Wöhrmann nicht nur wegen der „Greenwashing“-Vorwürfe abbestellt worden sein, sondern auch wegen zahlreicher Anschuldigungen gegen ihn. Dazu gehört auch der ungewöhnliche Umgang des scheidenden DWS-Chefs mit dem umstrittenen Geschäftsmann Daniel Wruck. In seiner Zeit als Privatkundenchef der Deutschen Bank hatte Wöhrmann mit Wruck über eine Zusammenarbeit der Bank mit dem Fintech Auto1 verhandelt. Dennoch ließ er zu, dass Wruck für ihn einen privaten Porsche-Kauf organisierte.

Die Anschuldigungen, die in den vergangenen Monaten gegen die DWS und mich erhoben wurden, auch persönliche Angriffe und Drohungen, wie unbegründet oder unhaltbar sie auch sein mögen, haben Spuren hinterlassen. Asoka Wöhrmann

Hinzu kam: Wöhrmann kommunizierte den Auto1-Deal zumindest in einigen Fällen über seine private E-Mail-Adresse. Dazu zählt auch eine E-Mail, in der Wöhrmann von Geschäftspartnern als möglicher Aufsichtsratschef für ein geplantes Joint Venture namens Auto1 Fintech genannt wurde. In einer dieser Nachrichten, die dem Handelsblatt vorliegen, ist Wöhrmann der einzige Adressat aus der Deutschen Bank.

Auch in anderen Fällen soll der DWS-Chef einen laxen Umgang in der Geschäftskommunikation gepflegt haben. Ihm wird vorgeworfen, dass er private WhatsApp-Accounts genutzt haben soll, um sich auf DWS-Sitzungen vorzubereiten. Während die internen Untersuchungen der Bank zu den „Greenwashing“-Vorwürfen mittlerweile abgeschlossen sein sollen, laufen die Prüfungen zum Thema Auto1 sowie zur WhatsApp-Kommunikation weiter. Finanzkreisen zufolge dauern die Untersuchungen deutlich länger als ursprünglich erwartet.

DWS-Aktienkurs bricht ein

Der Kurs der DWS-Aktie fiel am Mittwoch infolge der Razzia zeitweise um mehr als sieben Prozent auf gut 30 Euro und notierte damit unterhalb der Erstnotiz vom März 2018. Am Nachmittag lag die DWS-Aktie rund vier Prozent im Minus, während die Papiere der Deutschen Bank weitgehend unverändert notierten.

>> Lesen Sie hier: Wie Stefan Hoops einer der Topmanager im weltweiten Finanzsektor wurde – ein Porträt von Oktober 2018

In einer Mitteilung an die Beschäftigten schrieb DWS-Chef Wöhrmann zu seinem Ausscheiden: „Die Anschuldigungen, die in den vergangenen Monaten gegen die DWS und mich erhoben wurden, auch persönliche Angriffe und Drohungen, wie unbegründet oder unhaltbar sie auch sein mögen, haben Spuren hinterlassen.“ Sie seien sowohl für die Firma als auch für ihn und für seine Angehörigen belastend: „Daher habe ich mich schweren Herzens mit der Firma darauf geeinigt, als CEO zurückzutreten.“ Er wolle der DWS und sich selbst einen Neuanfang ermöglichen.

DWS-Aufsichtsratschef von Rohr erklärte, er zolle Wöhrmanns Entscheidung Respekt. Von Rohr würdigte seine Leistungen an der DWS-Spitze: Dank seiner Führung habe sich die Fondstochter erfolgreich an der Börse etabliert und sei für die Zukunft gut aufgestellt.

Ärger mit grünen Investments 

An der Razzia bei DWS und Deutscher Bank am Dienstag sollen rund 50 Beamte beteiligt gewesen sein. Die Aktion lief nach Informationen von Insidern von 8 bis 18 Uhr und sei „sehr gesittet“ abgelaufen. Die Ermittler ließen wissen, sie hätten tatsächliche Anhaltspunkte gefunden, wonach „entgegen den Angaben in Verkaufsprospekten von DWS-Fonds Nachhaltigkeitsfaktoren nur in einer Minderheit der Investments tatsächlich berücksichtigt worden sind“. In einer Vielzahl von Beteiligungen hätten die Umwelt- und Sozialkriterien „jedoch keinerlei Beachtung gefunden“.

Die DWS hat die Vorwürfe, sie habe die Angaben zu grünen Investments systematisch geschönt, stets zurückgewiesen und bleibt auch jetzt bei dieser Haltung. Angestoßen hatte die Greenwashing-Ermittlungen die Ex-DWS-Nachhaltigkeitschefin Fixler. Sie hatte sich mit Wöhrmann überworfen und verlor ihren Job nach nicht einmal einem Jahr.

Desiree Fixler

Die Ex-DWS-Nachhaltigkeitschefin hatte die Greenwashing-Ermittlungen angestoßen.


(Foto: Jan Erting)

Weil die DWS ihr innerhalb der Probezeit gekündigt hatte, unterlag sie vor dem Arbeitsgericht Frankfurt gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber. Claudia von Gersdorff, die Anwältin von Fixler, zeigte sich nicht überrascht, dass nun Wöhrmann gehen muss: „Die Entscheidung war überfällig. Allerdings sind wir der Meinung, dass das Problem damit keineswegs gelöst ist.“

Fixler hätte nicht gegen Wöhrmann geklagt, sondern gegen die Fondstochter der Deutschen Bank: „Es gibt andere Personen bei der DWS und der Deutschen Bank, die Wöhrmann lange gedeckt haben. Sie sind Teil des Systems“, sagte von Gersdorff, die auch für einige Betriebsräte tätig ist.

Spekulationen um Rücktritte

Bereits kurz nach der Razzia hatten erste Investoren mit persönlichen Konsequenzen gerechnet. Entweder werde Wöhrmann oder DWS-Aufsichtsratschef von Rohr gehen, sagte ein Großanleger dem Handelsblatt. Nach dem Abgang Wöhrmanns konzentriert sich die Kritik jetzt auf von Rohr. Der Aufsichtsratschef der DWS habe sich noch vor einigen Wochen hinter Wöhrmann gestellt und ihm in einem Interview volles Vertrauen ausgesprochen, sagte ein Investor. Auch die Whistleblowerin Fixler übt harsche Kritik am DWS-Aufsichtsratschef: „Ich frage mich, wie Karl von Rohr und der Rest des DWS-Vorstandes noch auf ihren Posten bleiben können“, so Fixler.

Nach ihrer Entlassung hatte sie einen ausführlichen Brief an von Rohr geschickt. Der hätte daraufhin die Aufsichtsbehörden in den USA informieren müssen, wie das US-Justizministerium bereits im Dezember moniert hatte. Durch sein Zögern könnte die Bank eine frühere Vereinbarung mit dem US-Justizministerium verletzt haben. Sollte die DWS in den USA noch eine spürbare Strafzahlung leisten müssen, könnte es eng für von Rohr werden, meint ein Investor.

Wöhrmanns Abgang sehen viele Investoren dennoch als Befreiungsschlag, der der DWS neue Handlungsoptionen eröffne. Unter einem neuen, unbelasteten Chef könne die Fondsgesellschaft zum Beispiel wieder Übernahmen umsetzen. Wöhrmann hatte über mögliche Ziele in Asien gesprochen. Zuletzt wurde in der Branche über einen Zusammenschluss mit der Allianz-Fondstochter Allianz Global Investors spekuliert.

Ein anderer Großanleger nennt die Ablöse Wöhrmanns „tragisch“. Der DWS-Chef habe die Fondsgesellschaft neu aufgestellt und gute Zahlen geliefert. Fehler beim Thema „Greenwashing“ seien allerdings auch bei ihm zu suchen. Der CEO habe am lautesten in der Branche Marketing für seine Nachhaltigkeitsstrategie gemacht.

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Kritik kommt auch von der Bürgerinitiative „Finanzwende“: „Die Vorwürfe auf Prospekt- beziehungsweise Kapitalanlagebetrug wiegen schwer und zeigen: Greenwashing ist kein Kavaliersdelikt. Die Durchsuchung und der Rücktritt werden Signalwirkung für andere Vermögensverwalter entfalten.“ Anbieter von als nachhaltig beworbenen Finanzprodukten würden nun genau prüfen, ob ihre eigenen Anlagekriterien hielten, was sie versprächen, heißt es in einer Mitteilung.

Der DWS-Skandal belastet auch die Konzernmutter Deutsche Bank. Innerhalb des Instituts gibt es einige, die befürchten, dass die Vorwürfe die Glaubwürdigkeit des Konzerns im Umweltbereich schwer beschädigen. Vorstandschef Sewing sieht große Geschäftschancen im Nachhaltigkeitsbereich und will sich dabei in der Öffentlichkeit als Vorreiter positionieren.

Bis 2023 soll das Volumen nachhaltiger Finanzierungen der Bank rund 200 Milliarden Euro betragen. Die Nachhaltigkeitsstrategie ist ein zentraler Baustein in Sewings Plan, bis 2025 eine Rendite auf das materielle Eigenkapital von zehn Prozent zu erreichen.

Stefan Hoops soll Ruhe in die DWS bringen

Der neue DWS-Chef und Sewing-Vertraute Hoops soll nun Ruhe in die Fondsgesellschaft bringen und das von Wöhrmann initiierte Wachstum fortsetzen. Im vergangenen Jahr verdiente die Deutsche Bank in der Sparte Asset Management 816 Millionen Euro, mehr als doppelt so viel wie zu Wöhrmanns Amtsantritt 2018. Die guten Zahlen sind nach Meinung von Insidern der wichtigste Grund, warum Sewing und von Rohr so lange an Wöhrmann festhielten.

Stefan Hoops

„Mit einem Hedgefonds kann er genauso gut reden wie mit einem europäischen Unternehmen.“


(Foto: Martin Leissl für Handelsblatt)

Nachfolger Hoops kam 2003 zur Deutschen Bank und arbeitete zunächst im Vertrieb für festverzinsliche Wertpapiere. 2008 wechselte er zum Kredithandel in New York. In den Folgejahren hatte er verschiedene leitende Posten im Kapitalmarktgeschäft in den USA und Deutschland. Ab Oktober 2018 leitete er die globale Transaktionsbank, bis er ab Juli 2019 die Leitung der Unternehmensbank übernahm, die den gesamten Firmen- und Geschäftskundenbereich der Deutschen Bank umfasst.

Hoops verdankt seinen Aufstieg dem Umstand, dass er nicht nur im Kapitalmarktgeschäft beheimatet ist, sondern auch im Bereich „Transaction Banking“. Darin sind der Zahlungsverkehr und die Handelsfinanzierung gebündelt. „Mit einem Hedgefonds kann er genauso gut reden wie mit einem europäischen Unternehmen“, heißt es in der Bank über ihn.

David Lynne übernimmt nun Hoops Verantwortung für die Unternehmensbank. Lynne ist derzeit Leiter der Unternehmensbank für den Raum Asien/Pazifik und verantwortlich für das Geschäft mit festverzinslichen Wertpapieren und Währungen in der Region.

Mehr: Streitpunkt Nachhaltigkeit: Fondsindustrie läuft Sturm gegen die Bafin.

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