Diese sieben Rohstoffe sind für die klimaneutrale Wirtschaft unverzichtbar

Berlin Auf dem Weg zur klimaneutralen Wirtschaft gibt es zwei vordringliche Fragen: Welche Technologien sind für den Klimaschutz besonders relevant? Und welche Rohstoffe sind unverzichtbar, um diese Technologien möglichst schnell und in großem Maßstab einzusetzen?

Entscheidend ist vor allem eine reibungslose Versorgung mit verschiedenen Rohstoffen. Allerdings sind diese schon heute nicht problemlos zu beschaffen, teilweise dominieren einige wenige Staaten die Lieferketten.

Forscherinnen und Forscher von Prognos, dem Öko-Institut und dem Wuppertal-Institut haben deshalb untersucht, auf welche Rohstoffe und Technologien sich die Politik bei strategischen Überlegungen fokussieren sollte. Ihre Untersuchung im Auftrag der „Stiftung Klimaneutralität“ liegt dem Handelsblatt vor.

Die Wissenschaftler raten der Politik, sich auf sieben bestimmte Rohstoffe zu konzentrieren: Graphit, Iridium, Kobalt, Lithium, Mangan, Nickel und die Gruppe der seltenen Erden.

Wenn die Transformation der Wirtschaft gelingen soll, müsse der Zugriff auf diese Rohstoffe sichergestellt sein. Zudem raten die Autorinnen und Autoren, die kompletten Wertschöpfungsketten für „besonders relevante“ Schlüsseltechnologien gezielt zu fördern. Darunter sind:

  • Photovoltaik
  • Windkraft
  • Lithium-Ionen-Batterien für die Elektromobilität
  • Permanentmagnete für Elektromobilität und Windkraft
  • Elektrolyseure
  • Wärmepumpen
  • Anlagen zur Erzeugung von grünem Stahl

Ausgewählt haben die Autorinnen und Autoren die sieben Schlüsseltechnologien aus insgesamt 30 Technologien. Entscheidende Faktoren für die Auswahl waren unter anderem die möglichen CO2-Einsparungen bis 2035 sowie die Potenziale für einen schnellen Hochlauf der jeweiligen Technologie.

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Fehler der Vergangenheit müssten dringend vermieden werden, mahnt Regine Günther, Direktorin der Stiftung Klimaneutralität. Nur wenn die EU-Staaten bei zentralen Fragen der wirtschaftlichen Prosperität nicht einseitig erpressbar seien, habe Europa auch die notwendige politische Freiheit für souveränes Handeln. „Deshalb ist die Frage der resilienten Lieferketten eine hochpolitische Frage der nationalen Sicherheit und der nationalen Souveränität“, sagte Günther.

Die Politik steht vor der Herausforderung, bei Schlüsseltechnologien und Rohstoffen die richtigen Akzente zu setzen und den Vorwurf zu entkräften, sie fördere wahllos ein zu breites Spektrum von Technologien und verschwende Steuergelder.

Berlin und Brüssel haben das Problem erkannt

Erste Schritte passieren aktuell auf verschiedenen politischen Ebenen. So treibt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) den Aufbau eines milliardenschweren Rohstoff-Fonds voran.

Der Fonds soll auf zwei Wegen dazu beitragen, die enormen Abhängigkeiten von einzelnen Lieferländern wie etwa China zu verringern: Einerseits soll er im Bereich Forschung und Entwicklung helfen, neue Abbaustätten zu finden. Andererseits soll der Fonds über die staatliche KfW-Bank die Beteiligung des Bundes an Rohstoffprojekten ermöglichen.

Volkswagen stellt Elektroautos her

Auch der Wolfsburger Konzern ist auf die Rohstoffe angewiesen.

(Foto: dpa)

Auch Schlüsseltechnologien will der Wirtschaftsminister fördern. „Deutschland und Europa brauchen bei zentralen Transformationstechnologien eigene substanzielle Fertigungskapazitäten, zum Beispiel für Windturbinen, Solaranlagen, Elektrolyseure und Batterien“, hatte Habeck vor einigen Wochen erklärt. Das sei nicht nur eine ökonomische Frage, sondern auch eine Frage der sicherheitspolitischen Vernunft und Notwendigkeit.

So hat Habeck die Photovoltaikindustrie kürzlich dazu aufgerufen, sich an einem Verfahren für eine Investitionskostenförderung zu beteiligen. Mit Erfolg: Mehrere Unternehmen haben bis Mitte August Interesse signalisiert. Auch die grüne Stahlerzeugung treibt Habeck mit Milliardenaufwand voran. Mit der Förderung der Batteriezellfertigung hatte bereits die Vorgängerregierung begonnen.

Auf europäischer Ebene werden solche Vorhaben unterstützt. Zur Technologieförderung hatte die EU-Kommission im März den befristeten Beihilfe-Krisenrahmen (Temporary Crisis and Transition Framework – TCTF) deutlich erweitert und neue Möglichkeiten staatlicher Förderung etwa für Produzenten von Solaranlagen und -komponenten geschaffen.

Bei der Rohstoffsicherung spielt die EU ebenfalls eine wichtige Rolle. So soll der Raw Materials Act das Recycling stärken und den Abbau von Bodenschätzen in Europa fördern. Der European Chips Act zielt in die gleiche Richtung. Mit ihm will Europa Chipfabriken ansiedeln, um weniger abhängig von Importen zu sein. Zugleich plant die EU Rohstoffpartnerschaften mit Ländern in Afrika und Lateinamerika.

„Sehr kritisch“ ist die Lage bei Lithium, schweren seltenen Erden und Iridium

All das ist in den Augen der Studienautoren auch dringend notwendig. Denn die Abhängigkeiten sind enorm: Als „sehr kritisch“ auf der Ebene der Rohstoffgewinnung werden Lithium, bestimmte seltene Erden und Iridium genannt.

Lithium ist entscheidend für die Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien, die für E-Autos gebraucht werden. Unter den seltenen Erden sind es Dysprosium und Terbium, die für Permanentmagnete in Windkraftturbinen und für die Elektromobilität benötigt werden. Iridium wiederum ist unverzichtbarer Bestandteil von besonders flexiblen Wasserstoff-Elektrolyseuren. Sie sind dann von Vorteil, wenn die Elektrolyseure mit Wind- oder Solarstrom betrieben werden, dessen Produktion sehr volatil ist.

Die anderen Rohstoffe der Sieben-Punkte-Liste gelten mit Blick auf die Förderung als „mittel-kritisch“. Ausschlaggebend für die Einstufung ist, dass die Steigerung der Förderung als unrealistisch gilt, etwa bei Iridium. Oder dass einzelne Förderländer eine sehr dominante Rolle spielen und diese Dominanz auch ausnutzen.

Ein Arbeiter rührt Lithium mit der Hand

Der Rohstoff kommt beim Bau von Batterien zum Einsatz.

(Foto: dpa)

Ähnliches gilt in vielen Fällen für die Weiterverarbeitung und für die Herstellung von Komponenten und Endprodukten, betroffen ist dann fast die gesamte Lieferkette. Besonders deutlich wird das am Beispiel der Photovoltaik, wo die Dominanz Chinas bei der Rohstoffverarbeitung, bei der Herstellung von Teilkomponenten und schließlich bei der Herstellung der Photovoltaikmodule besonders stark ist.

Die Autoren empfehlen deshalb, neue Quellen für Rohstoffe und Komponenten zu erschließen. Partnerschaften mit Ländern wie Australien, Brasilien, Chile, Ghana, Indonesien, Kanada, Kolumbien, Madagaskar, Malawi, Mosambik, Namibia, Südafrika und Simbabwe sollen dazu beitragen, Marktkonzentrationen und Abhängigkeiten zu verringern.

Außerdem unterstützen die Autoren „gezielte Investitionen in heimische Transformationsindustrien und die Ansiedlung besonders kritischer Teile der Lieferketten in Deutschland beziehungsweise Europa“. Zudem sprechen sie sich dafür aus, den Unternehmen, die auf strategische Rohstoffe angewiesen sind, den Aufbau von Einkaufsgemeinschaften zu ermöglichen und Lieferverträge zu bündeln. Dazu müsse man eine Reform des Kartellrechts und die Absicherung von Abnahmeverträgen durch die öffentliche Hand in Erwägung ziehen.

Rohstoff-Recycling wird erst mittelfristig ein Teil der Lösung sein

Die Hoffnung, man könne durch größere Anstrengungen beim Rohstoff-Recycling Abhängigkeiten kurzfristig verringern, nährt die Studie nicht. „Ein nennenswerter Beitrag ist nicht vor Beginn der 2030er-Jahre zu erwarten“, heißt es.

Das liege vor allem daran, dass entsprechende Kreisläufe erst aufgebaut werden müssen und nennenswerte Mengen für eine Wiederverwertung erst zur Verfügung stehen, wenn bestimmte Technologien längere Zeit großflächig im Einsatz sind. Gleichwohl raten die Autorinnen und Autoren dazu, den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft heute voranzutreiben.

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