Diese Minister sollen Deutschland digitaler machen

Berlin Als Digitalminister Volker Wissing vor einem Jahr die Digitalstrategie der Bundesregierung vorstellte, rief er vergleichsweise bescheidene Ziele aus. Deutschland solle bis 2025 in die „Top 10 Europas“ kommen, wie er sagte.

Kein Spitzenplatz, aber solides Mittelfeld visierte der FDP-Politiker für die größte Volkswirtschaft Europas an, die in der Digitalisierung bislang wenig glänzt. Doch selbst bei diesem bescheidenen Ziel macht die Bundesregierung bislang kaum Fortschritte, wie der „Monitor Digitalpolitik“ des Branchenverbands Bitkom zeigt, der am Montag vorgestellt wird und dem Handelsblatt vorab vorlag.

So sind nach knapp der Hälfte der aktuellen Legislaturperiode lediglich 38 der insgesamt 334 digitalpolitischen Vorhaben abgeschlossen, geht daraus hervor. Das entspricht einem Anteil von elf Prozent. 219 Vorhaben (66 Prozent) befinden sich in Umsetzung, 77 Vorhaben und damit knapp jedes vierte (23 Prozent) wurden noch nicht begonnen. 

Zu den Zielen gehören ein flächendeckendes Mobilfunknetz, digitale Schulen und Behörden sowie die elektronische Patientenakte. In allen Feldern funktioniert Deutschland noch weitestgehend analog, weshalb Digitalisierung und Künstliche Intelligenz auch auf der Agenda der Kabinettsklausur in Meseberg in dieser Woche stehen. 

„Die Bundesregierung muss ihre Digitalpolitik mit sehr viel mehr Nachdruck betreiben, wenn sie ihre selbst gesteckten Ziele vor den nächsten Wahlen noch erreichen will“, sagte Bitkom-Präsident Ralf Wintergeist am Montag. Großbaustellen sind aus seiner Sicht die Digitalisierung der Verwaltungen und der Schulen sowie die Datenpolitik.

Minister Wissing ist kein Vorreiter bei der Digitalisierung

Große Fortschritte seien hingegen beim Ausbau der Breitband- und Mobilfunknetze gemacht worden. Auch bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens käme die Koalition inzwischen gut voran.

Aus der Studie lässt sich zudem herauslesen, welche Ministerinnen und Minister die meisten Projekte schultern müssen und dabei gute Fortschritte machen – und welche nicht.

So liegt nicht das Digitalministerium von Wissing an erster Stelle, was die schiere Anzahl der Vorhaben angeht. Mit weitem Vorsprung auf dem ersten Platz steht das Innenministerium von Nancy Faeser (SPD) mit 80 zu erledigenden Digitalprojekten. Neun hat sie bereits umgesetzt – so viel wie kein anderer Bundesminister. 

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Die zweitmeisten Projekte muss Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) umsetzen, sieben davon hat sie bereits abgeschlossen – genauso viele wie das Arbeitsministerium von Hubertus Heil (SPD). Digitalminister Wissing hat hingegen nur 45 Vorhaben auf der Liste und erst fünf davon abgeschlossen. Ähnlich viele stehen in der Bilanz von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). 

„Die vier Ministerien für Inneres, Forschung, Wirtschaft und Digitales haben zusammen mehr als 220 Digitalprojekte zu stemmen und tragen damit den Großteil der Verantwortung für das digitale Deutschland“, sagt Bitkom-Präsident Wintergeist. Am Ende der Rangliste stehen das Bundesverteidigungsministerium mit nur sechs Projekten und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit keinem einzigen Digitalprojekt.

Lauterbach setzt Digitalisierungsprojekte konsequent um

Negativ sticht in der Untersuchung unter anderem der Digitalpakt 2.0 für Schulen heraus, der in der Verantwortung von Stark-Watzinger liegt. Der Bund hat schon 2019 fünf Milliarden Euro für den Digitalpakt Schule bereitgestellt.

Schulklasse mit Computern und Tablets

Der Digitalpakt 2.0 für Schulen läuft nächstes Jahr aus, einen Nachfolger soll es erst 2025 geben.

(Foto: imago/Olaf Döring)

Dieser läuft aber nur bis Mitte 2024 – und der im Koalitionsvertrag versprochene Nachfolger soll nun erst frühestens 2025 kommen. Hintergrund sind hier offenbar die schleppenden Verhandlungen mit den Ländern. Den Schulen fällt es nun schwer, Projekte zu planen, wenn sie nicht wissen, ob es noch weiter Geld für diese gibt.

Zu den unvollendeten Projekten zählt auch das Onlinezugangsgesetz 2.0. Das 2017 noch von der Großen Koalition erlassene Vorgängergesetz sollte eigentlich deutliche Fortschritte bei der digitalen Verwaltung bringen.

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Das Ziel aber, bis 2022 rund 600 Verwaltungsdienstleistungen zu digitalisieren, verfehlte die Koalition. Die Arbeit am Nachfolger hat allerdings erst jetzt begonnen, moniert der Branchenverband Bitkom, auch fehlen klare Fristen und eine Finanzierung.

Große Fortschritte sieht der Verband hingegen dank Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Der SPD-Politiker will gleich zwei Digitalisierungsgesetze bei der Kabinettsklausur in Meseberg einbringen. 

Bitkom-Präsident fordert „einen ressortübergreifenden Kraftakt“

Sie sollen unter anderem der elektronischen Patientenakte zum Durchbruch verhelfen, die bis 2025 von mindestens 80 Prozent der gesetzlich Versicherten genutzt werden soll.

Fortschritte sieht der Verband Bitkom auch beim Ausbau der Mobilfunk- und Breitbandnetze. Deutschland stehe im europäischen Vergleich inzwischen auf dem vierten Platz, was die Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen angehe.

Bitkom-Präsident Wintergeist forderte „einen ressortübergreifenden Kraftakt in der Digitalpolitik, wenn es die Bundesregierung mit der Digitalpolitik ernst meint und ihre vielen guten Projekte zum Erfolg führen will“. Derzeit liege Deutschland hinter vielen Nationen zurück, darunter nicht nur Staaten wie die USA und China, sondern auch viele kleinere Länder wie Dänemark, Österreich oder Estland.

Deutschland müsse mehr für seine digitale Wettbewerbsfähigkeit zu tun. „Eine zögerliche Digitalpolitik belastet die Wirtschaft und sorgt für Verdruss bei den Bürgerinnen und Bürgern.“

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