Die Ukraine attackiert erstmals einen Tanker – er transportiert „spezielle Ladungen“ für Russlands Militär

Die Straße von Kertsch mit der Krim-Brücke ist zunehmend umkämpft.

(Foto: via REUTERS)

Wien Nur einen halben Tag nach dem Angriff auf die russische Schwarzmeerflotte im Hafen von Noworossisk haben ukrainische Drohnen ein zweites Schiff beschädigt. Am Freitagabend sei der Öltanker „Sig“ nahe der Krim-Brücke getroffen werden, bestätigte Russlands Nachrichtenagentur Tass. Der Verkehr auf der wichtigsten Verbindung zwischen der annektierten Halbinsel und dem russischen Festland war während mehrerer Stunden eingestellt, am frühen Morgen öffneten die Behörden die Brücke wieder.

Laut der staatlichen Agentur für Meeres- und Flussschifffahrt in Moskau erfolgte der Angriff auf die in der Straße von Kertsch vor Anker liegende „Sig“ um 23 Uhr 20. Die Explosion habe Schäden im Maschinenraum verursacht und den Frachter zeitweise manövrierunfähig gemacht. Zwei Rettungsschiffe aus der Hafenstadt Noworossisk hätten in der Nacht das eingedrungene Wasser aber abgepumpt. Unter der elfköpfigen Besatzung gebe es keine Opfer.

Marinedrohne mit einer halben Tonne Sprengstoff

Auf einem Video ist ein auf den Tanker zurasendes Gefährt zu sehen, mutmaßlich eine Marinedrohne. Weitere Gruppen auf dem sozialen Netzwerk Telegram beschreiben Attacken von Drohnen aus der Luft und dem Wasser, von denen mindestens eine zerstört worden sei.

Kiew hat sich bisher offiziell nicht zum ersten Angriff auf einen Tanker im Schwarzen Meer bekannt. Quellen aus dem Geheimdienst SBU erklärten gegenüber ukrainischen Medien aber, man habe diesen zusammen mit der Marine durchgeführt. Zum Einsatz gekommen sei eine mit 450 Kilogramm Sprengstoff beladene Marinedrohne. Die beiden Organisationen hatten auch die Verantwortung für den Schlag gegen die Krim-Brücke Mitte Juli übernommen. Damals waren ebenfalls Marinedrohnen verwendet worden.

Die Ukraine betrachtet Tanker wie die „Sig“ als legitime Kriegsziele: Nach Russlands Rückzug aus dem Getreide-Abkommen ließ das Verteidigungsministerium verlauten, dass ab dem 21. Juli alle Schiffe, die Häfen auf von Russland besetztem ukrainischen Gebiet anliefen, als potenzielle Träger militärischer Fracht betrachtet würden. Die „Sig“ sei zudem in ukrainischen Hoheitsgewässern vor Anker gelegen, die Russland völkerrechtswidrig kontrolliert.

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Seitdem Wladimir Putin einseitig das Abkommen aufkündigte, das zuvor den Transport von Getreide durch das Schwarze Meer ermöglicht hatte, hat sich die Lage im Schwarzen Meer zugespitzt. Russland beschoss mehrfach ukrainische Häfen mit Raketen und Drohnen. Dabei wurde unter anderem die zum Unesco-Weltkulturerbe gehörende Altstadt von Odessa schwer getroffen. Die Ukrainer beschädigten neben der Krim-Brücke auch ein großes Landungsschiff der russischen Marine.

Zwischen Syrien und der Krim

Der Tanker war allerdings kein zivil genutztes Schiff, wie dies in Moskau manche behaupten, die nun von „ukrainischem Terror“ sprechen. So gibt der russische Telegram-Kanal „WTschK-OGPU“ an, die „Sig“ habe in der Vergangenheit Flugbenzin von der Krim nach Syrien transportiert, weshalb sie 2019 von den USA auf eine Sanktionsliste gesetzt worden sei. „Das Schiff wurde oft für spezielle Ladungen eingesetzt“, auch für den Transport von Sprengstoff aus dem Marinestützpunkt in Feodosija.

Das kremlnahe Portal „Rybar“ berichtet, die Ukrainer hätten die „Sig“ bereits vor wenigen Tagen versucht anzugreifen, als sie von zwei russischen Kriegsschiffen eskortiert aus dem Mittelmeer ins Schwarze Meer zurückkehrte, offenbar ebenfalls aus Syrien. Am Freitagabend war sie laut den vorliegenden Informationen unbeladen, was auch bedeutet, dass der ukrainische Angriff mutmaßlich keine größeren ökologischen Schäden verursachte, etwa durch auslaufendes Öl oder Benzin.

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