Die Dax-Chefs mit den höchsten Gehältern

Düsseldorf Die globalen Krisen und ihre Auswirkungen auf die Unternehmensbilanzen haben die Gehälter der Dax-Chefs im Geschäftsjahr 2022 geschmälert. Die Vorstände der 40 im Deutschen Aktienindex (Dax) vertretenen Unternehmen haben 2022 im Durchschnitt 3,3 Millionen Euro verdient – und damit 8,4 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Das zeigt die jährliche Studie der Technischen Universität München (TUM) und der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). 2021 hatten die Manager und Managerinnen noch ein Einkommensplus von 24 Prozent verzeichnet.

Die Gehaltsschere innerhalb der Firmen hat sich 2022 so stark verringert wie selten zuvor. Die Vorstände verdienten durchschnittlich das 38-Fache ihrer Mitarbeitenden – im Jahr zuvor war es noch das 52-Fache. Die Löhne der in Dax-Konzernen Beschäftigten sind 2022 im Vergleich zu den Vergütungen ihrer Chefs im Durchschnitt also gestiegen.

Die Gehälter der Topverdiener spiegeln das durchwachsene Geschäftsjahr 2022 wider. So war der Optimismus zu Beginn des vergangenen Jahres aufgrund der zu Ende gehenden Coronapandemie noch groß, doch endete diese Phase der Zuversicht jäh mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine am 24. Februar 2022. Die Folgen: Die Unternehmen litten erheblich unter Lieferkettenproblemen, der unsicheren Energieversorgung oder der Inflation.

Die meisten CEOs steuerten ihre Konzerne zwar noch gut durch das Jahr. So legten die Dax-Unternehmen beim Umsatz um 15,5 Prozent zu sowie beim operativen Gewinn um 3,4 Prozent – und erreichten damit Rekordwerte. Doch das Vertrauen der Anleger sank. Der Leitindex Dax schloss 2022 mit einem Jahresverlust von 12,3 Prozent.

Experte: „Vergütungssystem funktioniert“

Viele Vorstände haben dadurch ihre festgelegten Ziele nicht erreicht. Wie die Analyse von TUM und DSW zeigt, sanken vor allem die variablen Teile der Vergütung. Demnach fielen die an jährliche Ziele gekoppelten Boni deutlich um 19 Prozent. Die an längerfristige Kriterien, wie etwa die Aktienkursentwicklung über einen längeren Zeitraum, ausgerichteten Zahlungen gingen dagegen nur um 7,7 Prozent zurück.

Für Studienleiter Gunther Friedl, Professor für Controlling der TUM, ist deshalb klar: „Die Zahlen zeigen, dass das Vergütungssystem im Großen und Ganzen funktioniert. Es kommt heute maßgeblich auf die Leistung an.“ Auch wenn die Entlohnungen der Vorstände für die Beschäftigten in weit entfernten Dimensionen lägen, so werde doch klar, dass die Unterschiede schrumpfen können.

Der Rückgang der variablen Vorstandsvergütung lasse sich mit der Entwicklung ihrer Bemessungsgrundlage begründen. Einerseits hätten viele Vorstände bei den nicht aktienbasierten Teilen der Vergütung die Ziele, die teilweise im Rekordjahr 2021 gesetzt wurden und entsprechend ambitioniert waren, nicht erreicht. Andererseits habe die schwache Entwicklung des Dax von minus zwölf Prozent direkt auf die aktienbasierten Vergütungsbestandteile durchgeschlagen.

Zu den Kriterien für diese kurz- oder langfristigen variablen Vergütungen zählen der Studie zufolge immer häufiger auch Ziele aus den Bereichen Ökologie, Soziales und Unternehmensführung, die sogenannten ESG-Kriterien. Beispiele sind die Verringerung der CO2-Emmissionen, die Zufriedenheit der Beschäftigten und die Stärkung der Diversität. Erstmals wenden mehr als die Hälfte der Unternehmen, 22 von 40, alle drei ESG-Komponenten an. Im Vorjahr waren es lediglich 15 Dax-Mitglieder gewesen. Fast alle Unternehmen machen die Bezahlung ihrer Vorstände zumindest von einem ESG-Element abhängig. Einzig Porsche berücksichtigt keine Nachhaltigkeitskomponente.

Dax-Chefs: Neuer Spitzenverdiener von der Deutschen Bank

Topverdiener war 2022 Christian Sewing von der Deutschen Bank mit 9,2 Millionen Euro, gefolgt von VW-Chef Oliver Blume mit 8,8 Millionen Euro und Belén Garijo López von Merck mit 8,3 Millionen Euro. Mit der Spanierin ist erstmals eine Frau unter den bestverdienenden Dax-Chefs. Zugleich bleibt es aber dabei, dass männliche Vorstände deutlich besser verdienen als ihre Kolleginnen. Die Vergütungen liegen im Schnitt um knapp 16 Prozent höher. Das ist aber vor allem darauf zurückzuführen, dass es erst sehr wenige Frauen in den Toppositionen CEO und CFO gibt.

Christian Sewing

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank hat 2022 von allen Dax-CEOs am meisten verdient.

(Foto: dpa)

Belén Garijo López ist die einzige weibliche Dax-CEO. Bei den Dax-CFOs sind immerhin acht von 40 weiblich. Bestplatzierte ist hier mit 2,9 Millionen Euro auf Rang 19 die Finanzvorständin der Deutschen Post, Melanie Kreis.

Belén Garijo López

Die Vorstandschefin von Merck ist die erste Frau in den Top 3 der bestverdienenden CEOs im Dax.

(Foto: dpa)

Am Ende des Rankings steht Hans Dieter Pötsch von der Porsche Automobil Holding SE mit 1,9 Millionen Euro, gefolgt von Oliver Blume, der in seiner zweiten Funktion als CEO der Porsche AG noch zusätzlich 0,5 Millionen Euro verdiente. Blume ist damit aber durch seine auch von Investoren kritisch gesehene Doppelfunktion mit 9,3 Millionen Euro insgesamt der bestverdienende Topmanager im Dax. Die absoluten Schlusslichter der Spitzenverdiener sind die Co-Vorstandsvorsitzenden David Schneider und Robert Gentz von Zalando mit durchschnittlich 0,08 Millionen Euro.

Grafik

Wie zu erwarten führt die Deutsche Bank die Liste der Dax-Unternehmen mit der höchsten durchschnittlichen Gesamtvergütung für Vorstandsmitglieder im Geschäftsjahr 2022 mit 6,8 Millionen Euro an. Danach folgen Merck mit 6,7 Millionen Euro und Qiagen mit 5,8 Millionen Euro. Schlusslichter sind Sartorius mit 1,4 Millionen Euro, Adidas mit 1,1 Millionen Euro und Zalando mit 0,8 Millionen Euro.

Betrachtet man die einzelnen Unternehmen fallen starke Unterschiede auf. In 23 Unternehmen verdienten die Vorstände weniger als 2021, in 16 Firmen aber mehr. Den größten Rückgang verzeichnete Adidas mit minus 75 Prozent, die größte Steigerung Daimler Truck mit plus 246 Prozent. Bei Adidas kam es aufgrund schlechter Geschlechtszahlen zum CEO-Wechsel. Zudem wurden keine Boni gewährt, es wurde nur eine Fixvergütung gezahlt. Bei Daimler Truck war die Vergütung 2021 im ersten Jahr der Abspaltung unterdurchschnittlich schlecht ausgefallen, sodass es jetzt eine Art Nachhofeffekt gab.

Dax-CEOs verdienen im internationalen Vergleich schlecht

Die Zeiten der Gehaltsexzesse scheinen damit in Deutschland erst einmal vorbei zu sein. 2021 hatte Steve Angel, CEO des inzwischen aus dem Dax ausgeschiedenen Linde-Konzerns, die Liste noch mit rund 19 Millionen Euro angeführt, gefolgt von Herbert Diess von Volkswagen mit knapp zwölf Millionen Euro und Christian Klein von SAP mit neun Millionen Euro Jahressalär.

Oliver Blume

8,8 Millionen Euro verdiente der Volkswagen-CEO im Jahr 2022 und lag damit auf dem zweiten Platz der Spitzenverdiener.

(Foto: Niels Starnick / Volkswagen AG)

Für Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der DSW und seit einigen Jahren Mitglied der Deutschen Corporate Governance Kommission, die sich für gute Unternehmensführung hierzulande einsetzt, scheint sich damit „die Zehn-Millionen-Euro-Marke“ als „absoluter Deckel“ zu „etablieren“. Das sei in Hinblick auf den sozialen Frieden und gesellschaftliche Debatten in Deutschland natürlich „sehr zu begrüßen“, in Hinblick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit passe „dies aber so gar nicht in das ganz große Bild“. Schließlich verdiene kein einziger Vorstandsvorsitzender in den USA weniger als zehn Millionen Euro.

>> Lesen Sie auch: Dax-Chefs haben 2022 bis zu 61 Prozent weniger verdient

Der Auswertung von TUM und DSW zufolge erhielten die Dax-CEOs 2022 im Schnitt 5,1 Millionen Euro – und damit fällt ihr Verdienst im internationalen Vergleich weiterhin niedrig aus. Die Vorstandsvorsitzenden der im Aktienindex Euro Stoxx 50 gelisteten nicht deutschen Unternehmen bekamen durchschnittlich 7,5 Millionen Euro und die CEOs im US-amerikanischen Dow-Jones-Index umgerechnet 24,9 Millionen Euro.

Topverdiener in den USA ist Tim Cook von Apple mit rund 95 Millionen Euro, gefolgt von Satya Nadella, Chairman und CEO von Microsoft, mit einer Gesamtvergütung von rund 52 Millionen Euro im Jahr 2022. In Europa führt die Liste Bernard Charles vom Softwareentwickler Dassault Systems mit knapp 33 Millionen Euro an. Dicht gefolgt auf Position zwei des europäischen Rankings liegt Michel Doukeris, CEO der belgischen Brauereigruppe Anheuser-Busch Inbev, der eine Gesamtvergütung von 32,5 Millionen Euro erhielt. Auf Platz drei folgt mit knapp 20 Millionen Euro Carlos Tavares, CEO von Stellantis, der im Vorjahr die Rangliste mit einer Vergütung von knapp 67 Millionen Euro noch anführte.

Gehälter der Dax-Chefs: Mangelnde Transparenz der Vergütungsberichte

Aber trotz dieser Gehaltsunterschiede warnt Tüngler davor, „auf einem Auge blind zu sein“ und dem Ruf zu folgen, dass „die Vergütung in Deutschland dringend nach oben angepasst gehöre“. Schließlich sei das „Haftungsrisiko hierzulande doch eher reduziert ausgestaltet“. Zudem zeigten sich erhebliche Unterschiede in der Struktur der Vergütungssysteme. In den USA zum Beispiel werde deutlich stärker aktien- oder aktienkursbasiert vergütet.

In Deutschland sei allein Zalando aktuell ein Vertreter dieses Systems. Das in Deutschland inzwischen weitverbreitete System aus Fixvergütung und kurzfristig variabler Vergütung stehe für ein höheres Maß an Sicherheit und Planbarkeit.

Kritisch bewertet Tüngler erneut die Transparenz der Vergütungsberichte. Infolge des Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (Arug II) berichteten Unternehmen kaum noch im Einklang mit den Mustertabellen des Deutschen Corporate Governance Kodex 2017, so Tüngler. Die Umstellung führe zu einer geringeren Vergleichbarkeit der veröffentlichten Daten.

Es gebe weiterhin keinen einheitlichen Standard für die Darstellung der Einzelvergütungskomponenten und für den Vergütungsbericht insgesamt. Immerhin könne man nun aber besser zuordnen, welche Vergütung für das jeweilige Jahr gezahlt wurde.

Für 2023 erwartet sowohl Tüngler als auch Friedl keine neuen Gehaltssprünge. „Die Geschäftsmodelle stehen unter Feuer, die Kosten sind hoch, und die Weltlage ist kritisch“, so Tüngler. Es werde spannend zu sehen, wie die Aufsichtsräte ihre Vorstände motivieren würden – vor allem, wenn die Börse sich nicht positiv entwickele.

Mehr: Das waren die Top-Verdiener der Dax-Chefs 2021

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