Bundesregierung in der Krise im Streit um das Heizkesselverbot


Das beispiellose Durchsickern eines Gesetzesentwurfs, der neue fossile Heizgeräte in Deutschland ab 2024 verbieten soll, sorgt auf höchster Regierungsebene für Ärger und erschwert die Durchsetzung des Gesetzesvorschlags zusätzlich.

Neben 10 Millionen Öl- und Kohleheizungen werden derzeit 20 Millionen Haushalte in Deutschland mit Gas beheizt. Im Jahr 2022 installierten die Deutschen rund 600.000 Gasthermen und machten die deutsche Baubranche zu einem der größten Nachzügler beim Klimaschutz, nachdem sie mehrere Jahresziele verfehlt hatten.

Um bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen und dem nahezu vollständigen Stopp der russischen Gaslieferungen entgegenzuwirken, hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr zugestimmt, die Installation neuer fossiler Heizgeräte ab 2024 zu verbieten, wobei künftig nur noch Geräte erlaubt sind, die zu 65 % mit erneuerbarer Energie betrieben werden.

Bis 2030 soll der Schritt dazu beitragen, dass Deutschland etwa 40 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent-Emissionen vermeidet staatliche Schätzungen.

Doch als Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck versuchte, das De-facto-Verbot in ein Gesetz umzusetzen, Berlin war schnell von Streit überflutet.

Am 1. März Deutschlands meistverkaufte Boulevardzeitung Bild brachte eine Story mit dem Titel „Habeck will Gas- und Ölheizungen verbieten“ auf Grundlage eines dem Blatt vorliegenden Gesetzentwurfs. „Wie der Heizhammer DICH trifft“, heißt es in dem Artikel und schürt den Widerstand gegen das Gesetz, der von Wohnungseigentümerverbänden und der liberalen FDP, die Mitglied der regierenden Drei-Parteien-Koalition ist, angeführt wird.

Das Leck, eine Abweichung von der Regierungspolitik, hat anscheinend erhebliche Vertrauensprobleme in die Regierung verursacht.

„Der Entwurf wurde zugespielt Bildvermutlich vorsätzlich, um das Vertrauen in die Regierung zu beschädigen“, sagte Habeck dem öffentlich-rechtlichen Sender ARD am Dienstagabend.

Bevor ein Gesetzentwurf überhaupt in das förmliche Abstimmungsverfahren mit anderen Ressorts gelangt, zirkuliert die Bundesregierung ihn intern, um Schluckauf zu vermeiden. Bisher sei diese Etappe wasserdicht gewesen, stellte der Vizekanzler fest.

Misstrauen und Machtkämpfe

Lecken des Entwurfs zu Bild habe Gespräche innerhalb der Regierung „zerstört“, um Einigkeit in Fragen wie der Finanzierung aufzubauen, fügte Habeck hinzu. „Dies wurde wahrscheinlich absichtlich getan, um einen billigen taktischen Vorteil zu erlangen“, sagte er.

Absichtliche Leaks „entstehen nicht aus Versehen“, so Habeck. „Deshalb bin ich etwas beunruhigt, ob überhaupt ein Wille zu einer Einigung besteht“ zum Kesselverbot.

Die Bundesregierung ist eine Koalition aus der sozialdemokratischen FDP, den Grünen und der wirtschaftsfreundlichen FDP. Weniger als zwei Jahre nach seiner Amtszeit scheint es tief in Machtkämpfe verstrickt zu sein.

Wolfgang Kubicki, Vizevorsitzender der FDP, verglich Habeck zuvor mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die beiden hätten eine „ähnliche Überzeugung, dass der Staat, der Führer, der Auserwählte, besser als das Volk weiß, was gut für sie ist“, so Kubicki genannt. Inzwischen hat er sich für die Aussage entschuldigt.

Das teilte die Vizepräsidentin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, mit Tagesspiegel dass „das kein Umgang unter demokratischen Parteien und schon gar nicht unter Koalitionspartnern ist“.

Andere versuchten, die Spannungen in der Regierung zu beruhigen.

„Das öffentliche Gezerre der letzten Tage, die gegenseitigen Schuldzuweisungen, das brauchen wir jetzt nicht, um das Land voranzubringen“, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil ARD Und Rheinische Post. „Daran wird diese Koalition am Ende gemessen werden“, betonte er.

Wahlen stehen bevor

Schon jetzt scheinen die nächsten Bundestagswahlen in den Köpfen der Spitzenpolitiker der Regierung eine große Rolle zu spielen. Habeck sagte, das Kesselverbot könne aufgrund der bevorstehenden Wahlen, die bis zum 26. Oktober 2025 stattfinden, nicht verschoben werden.

„Wir haben 2025 Bundestagswahl. Es wäre sehr naiv zu glauben, dass so eine [controversial] Gesetz in einem Wahljahr verabschiedet würde“, betonte der Grünen-Politiker.

Mehr als ein Jahr in, die Umfragewerte der Regierung die Machtkämpfe weiter anheizen. Während die SPD scheinbar stabil bei über 20 % liegt, 3-5 % unter ihrem Ergebnis von 2021, hat die FDP Mühe, über 5 % zu bleiben, unter ihrem Ergebnis von 11,5 % im Jahr 2021.

Als die Grünen, die monatelang bei etwa 20 % saßen – über ihrem Ergebnis von 14,8 % im Jahr 2021 – begannen, unter 10 % zu fallen, folgte schnell Spott von Regierungspartnern.

„Ihre schwindende Bedeutung kompensieren sie mit sinnlosem Getöse“, sagte Kubicki am Sonntag dem Tagesspiegel.

The Brief – Zeit für ockerfarbene Politik in Berlin

Die Bundesregierung scheint erneut in einer tiefen Krise zu stecken. Vom Schicksal des Verbrennungsmotors bis zum Bau neuer Autobahnen ist Berlin voller Machtkämpfe. Ein neuer Stil, nennen wir es Ocker-Politik, könnte angebracht sein.

Dinge flicken

Am kommenden Sonntag (27. März) soll sich die Spitze der Regierung treffen, um die Dinge wieder in Ordnung zu bringen. Das Format „Koalitionsausschuss“ versammelt Parteiführer und Spitzenminister.

„Wir müssen uns auf uns selbst konzentrieren und uns noch einmal bewusst machen, was für ein Privileg es ist, in dieser Regierung zu sein“, betonte Habeck im Vorfeld des Treffens.

Sollte ein Konsens zum Klimaschutz gefunden werden, dürften mehrere wichtige Gesetze in den Gesetzgebungsprozess eintreten. „Sie werden sehen, dass wir in den nächsten Wochen Dutzende von Gesetzen verabschieden werden, weil sie alle bereits geschrieben sind“, betonte er.

Manche Gesetze, wie das Energieeffizienzgesetz, stecken fast ein ganzes Jahr im innerstaatlichen Abstimmungsprozess fest. Eine Intervention von Bundeskanzler Olaf Scholz Ende 2022 zur Beschleunigung des Verfahrens blieb scheinbar wirkungslos.

Weitere Streitpunkte sind die Rolle des Staates bei Energieversorgern wie Uniper oder SEFE, ehemals Gazprom Germania, sowie EU-Pläne, die Sanierungsraten durch Mindeststandards zu erhöhen.

[Edited by Nathalie Weatherald and Frédéric Simon]



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