Berlin sucht nach „Stroke Guides“ für ganzheitliche Unterstützung nach einem Schlaganfall


Die Bundesregierung strebt die Einführung von „Schlaganfall-Ratgebern“ in den öffentlichen Gesundheitssystemen an, die laut Patientenvertretern dazu beitragen würden, die Versorgung nach einem Schlaganfall ganzheitlicher zu gestalten und Patienten über rein medizinische Leistungen hinaus zu unterstützen.

Nach Angaben der Versicherer erleiden in Deutschland jedes Jahr fast 270.000 Menschen einen Schlaganfall. Der Schlaganfall ist die häufigste Einzelursache für eine erworbene Behinderung. 60 % der Überlebenden sind noch immer auf Therapie, Hilfsmittel oder Pflege angewiesen.

Doch trotz dieser Prävalenz seien die Unterstützungsangebote für Schlaganfallüberlebende zu eng auf Gesundheitsdienstleistungen ausgerichtet, meint Michael Brinkmeier, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe.

„Es geht nicht nur um das Gesundheitssystem“, erklärte er in einem Interview mit Euractiv. „Es geht auch um den sozialen Bruch, vor dem man steht.“

Brinkmeier zufolge sind Patienten in Deutschland in den Tagen und Wochen nach einem Schlaganfall medizinisch relativ gut versorgt, einschließlich der Behandlung im Krankenhaus und anschließend in einer Reha-Klinik.

Aber sobald ein Patient entlassen und nach Hause geschickt wird, muss er seinen oft komplexen Weg nach einem Schlaganfall oft alleine bewältigen, warnte der Experte.

„Zu diesem Zeitpunkt können Sie sich glücklich schätzen, wenn Ihr Hausarzt überhaupt darüber informiert wurde, dass einer seiner Patienten einen Schlaganfall erlitten hat“, sagte er.

Soziale, psychologische Herausforderungen

In der Praxis bedeutet dies nicht nur, dass Patienten sich an verschiedene Spezialisten wenden müssen, um Symptome wie Spastik oder Sprachstörungen zu behandeln, sondern auch, dass sie keine Unterstützung bei der Bewältigung der sozialen und psychologischen Auswirkungen eines solchen lebensverändernden Ereignisses erhalten.

Wenn Überlebende beispielsweise nicht an vielen sozialen Aktivitäten teilnehmen können, „verlieren sie soziale Kontakte“, sagte Brinkmeier.

Und ohne angemessene psychologische Unterstützung, fügte er hinzu, verfallen viele wieder in die schädlichen Gewohnheiten, die den Schlaganfall überhaupt erst verursacht haben, wie zum Beispiel das Rauchen. Dies wiederum erhöht das Risiko eines zweiten Schlaganfalls und verursacht zusätzliche Kosten für das Gesundheitssystem.

Auf die Frage von Euractiv nach dem Unterstützungsangebot für Schlaganfallüberlebende konzentrierte sich ein Sprecher des Gesundheitsministeriums auf das Recht der Patienten auf angemessene medizinische Behandlung und Heilung, bei Bedarf auch auf lange Sicht. Sie betonten auch, dass die Regierung „seit vielen Jahren“ die Datenerfassung zu Schlaganfällen und zur Genesung nach einem Schlaganfall unterstützt.

Darüber hinaus gibt es seitens der Regierung keine spezifischen Programme für das Leben nach einem Schlaganfall.

Doch nach Ansicht von Brinkmeier liegt der Schlüssel zur Verbesserung der Situation darin, die Lücke zwischen dem Gesundheitssystem, dem Sozialsystem und anderen Unterstützungsmechanismen zu schließen.

„Stroke Guides“ etablieren

Zu diesem Zweck fördert die Stiftung das Konzept der „Stroke Guides“ – zDie Patienten arbeiteten mit Schlaganfallüberlebenden zusammen, um sie vom Krankenhausaufenthalt an und während ihrer gesamten Reise nach dem Schlaganfall zu begleiten.

Schlaganfallbegleiter „betreuen die Überlebenden entsprechend ihrer individuellen und spezifischen Bedürfnisse“, erklärte Brinkmeier. „Wenn jemand zum Beispiel raucht, helfen sie ihm bei der Suche nach einem Programm zur Raucherentwöhnung und prüfen, wie es läuft.“

Auch die als Guides tätigen Personen sollten regional verwurzelt sein, um zu wissen, welche Ärzte und andere Institutionen vor Ort am besten aufgesucht werden könnten.

Derzeit werden die Schlaganfall-Leitfäden bereits in vielen Regionen Deutschlands durch Pilotprojekte oder private Initiativen, unter anderem seitens der Stiftung Schlaganfallunterstützung, ausgerollt, sind aber nicht Teil der öffentlichen Gesundheitsversorgung.

Regierungspläne

Nach Angaben des Ministeriumssprechers hat die Regierungnt finanziert derzeit Pilotprojekte zum Thema Schlaganfall, darunter solche, die sich mit „alternativen Formen der Versorgung“ wie etwa Leitfäden befassen.

„Die Projektergebnisse werden vom zuständigen Innovationsgremium systematisch analysiert und eine Empfehlung zur Übertragung bzw. Nutzung der Ergebnisse zur Verbesserung der Versorgung abgegeben“, fügte sie hinzu.

Das Konzept der Patientenratgeber findet sich auch im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung wieder, in dem es heißt: „Für erfolgreiche Pilotprojekte wie die Patientenratgeber werden wir einen Weg festlegen, wie diese in die Regelversorgung überführt werden können.“

Für Brinkmeier wäre die Etablierung von Schlaganfall-Leitfäden als Teil der Standardgesundheitsversorgung der wirksamste Schritt hin zu einer besseren und ganzheitlicheren Unterstützung von Schlaganfallüberlebenden.

Gleichzeitig betonte er die Bedeutung der Schlaganfallprävention: „Denn der beste Schlaganfall ist der, der gar nicht erst passiert.“

[Edited by Nathalie Weatherald]

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