Debatte um Marschflugkörper – Abgeordnete wollen Pistorius umstimmen

Tornado-Kampfjet bestückt mit Marschflugkörper Taurus

Aus mehreren Parteien sprechen sich mittlerweile Abgeordnete für eine Taurus-Lieferung aus.

(Foto: dpa)

Berlin Das Muster bei den Waffenlieferungen an die Ukraine ähnelt sich: Die Bundesregierung zögert und verweist auf die enge Abstimmung mit den Verbündeten. Dann machen Bundestagsabgeordnete Druck und am Ende bekommt die Regierung in Kiew doch, was sie wünscht. So war es bei der Panzerhaubitze 2000, den Mars-Raketenwerfern oder den Kampf- und Schützenpanzern der Typen Leopard und Marder.

Bleibt es bei diesem Muster, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis die ukrainische Armee auch mit den gewünschten Taurus-Marschflugkörpern aus Bundeswehr-Beständen ausgestattet wird. Zwar dämpfte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vergangene Woche noch die Erwartungen: „Der Zeitpunkt für eine Entscheidung ist für uns noch nicht gekommen“, sagte er auf Truppenbesuch bei den Gebirgsjägern.

Doch inzwischen wächst der Druck aus den Reihen des Bundestags. Verteidigungsexperten der Grünen und der Liberalen machen sich schon länger für eine Taurus-Lieferung stark. Sie könne nicht verstehen, dass offensichtlich das Kanzleramt wieder bremse, sagte die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), jüngst der „FAZ“.

„Wir könnten uns ohne Weiteres den Engländern anschließen, die bereits Marschflugkörper liefern“, betonte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses. Tatsächlich haben Briten und Franzosen bereits Storm-Shadow-Marschflugkörper an die Ukraine geliefert, die in Frankreich unter dem Namen Scalp im Dienst stehen.

Auch aus der Kanzlerpartei SPD sprechen sich mittlerweile Abgeordnete für eine Taurus-Lieferung aus, etwa der Haushälter Andreas Schwarz oder die Außenpolitiker Michael Roth und Nils Schmid. Doch die Bundesregierung bremst und verweist, wie auch schon in der Vergangenheit, auf den wichtigsten Verbündeten: „Wir sind nicht die Einzigen, die nicht liefern“, sagte Verteidigungsminister Pistorius vergangene Woche, „auch unsere amerikanischen Verbündeten liefern diese Marschflugkörper nicht.“ Die deutschen Waffen hätten zudem eine „besondere Reichweite“.

Vergrößerter Aktionsradius durch Taurus

Der Aktionsradius der ukrainischen Armee würde sich mit dem von den Unternehmen MBDA und Saab entwickelten Taurus deutlich vergrößern. Die knapp 1,4 Tonnen schwere Lenkwaffe, die von Flugzeugen abgeworfen wird, kann Ziele in bis zu 500 Kilometer Entfernung treffen.

Boris Pistorius

„Wir sind nicht die Einzigen, die nicht liefern“, sagte Verteidigungsminister Pistorius vergangene Woche.

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Sie wird von vier unabhängigen Navigationssystemen geleitet und kann mit ihrer großen Sprengkraft Bunker durchschlagen. Die bereits an die Ukraine gelieferten Storm Shadow reichen laut Hersteller MBDA etwa 250 Kilometer weit – und damit halb so weit wie der Taurus. Von dem hat die Bundeswehr insgesamt 600 Exemplare erhalten. Davon ist die Hälfte generalüberholt und damit noch unempfindlicher gegen elektronische Störungen.

Doch in der Bundesregierung sieht man offenbar das Risiko einer Eskalation des Krieges, wenn die Reichweite der ukrainischen Streitkräfte weiter erhöht wird. Denn mit den Marschflugkörpern könnten sie problemlos auch russisches Territorium erreichen.

>> Lesen Sie hier: Die Gefahr für die ukrainischen Streitkräfte kommt aus der Luft

Allerdings zeigen Drohnenangriffe auf Moskau oder Zerstörungen auf der 2014 annektierten Krim, dass Russland in den besetzten ukrainischen Gebieten und selbst auf heimischem Territorium längst nicht mehr unverwundbar ist.

Warnungen nur vorgeschoben?

SPD-Außenpolitiker Roth, Chef des Auswärtigen Ausschusses, hält die Warnungen vor einer Eskalation denn auch nur für vorgeschoben. „Waffenlieferungen an die geschundene Ukraine sind keine Eskalation, sondern im Einklang mit dem Völkerrecht“, schrieb er auf Twitter, das jetzt X heißt. Ein „Eskalations-GAU“ für die Ukraine und die EU wäre vielmehr ein Sieg des russischen Terrorregimes oder ein Diktatfrieden zu seinen Gunsten.

Aus allen demokratischen Fraktionen des Bundestags gebe es mittlerweile Unterstützung für eine Taurus-Lieferung, twitterte auch FDP-Verteidigungsexperte Marcus Faber. Deutschland sollte diese nun „zeitnah“ umsetzen und so einen Beitrag leisten, die Kommandozentren und Logistik der russischen Invasionstruppen zu zerstören.

Unlösbare technische Probleme stehen einem Einsatz des Taurus nicht gegenüber. Die ukrainischen Streitkräfte haben mit Unterstützung ihrer Verbündeten bereits bewiesen, dass sie den für westliche Flugzeugtypen entwickelten Storm-Shadow-Marschflugkörper auch von ihren noch aus Sowjetzeiten stammenden Jets des Typs Suchoi Su-24 aus einsetzen können.

Dass die russische Militärführung die Bedrohung durch westliche Marschflugkörper großer Reichweite durchaus ernst nimmt, zeigen verstärkte russische Angriffe auf ukrainische Luftwaffenbasen.

Mehr: Die Ukraine will wieder verstärkt selbst Waffen produzieren

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