Curevac will Entschädigung von Biontech

Düsseldorf Der milliardenschwere Patentstreit um den Corona-Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech geht in die entscheidende Phase. Ende September will das Düsseldorfer Landgericht ein Urteil über vier der fünf Anklagepunkte verkünden, wie es am Dienstag bekannt gab. Die Entscheidung wird sich nach Erwartung von Experten maßgeblich auf die künftige Nutzung der revolutionären Technologie zwischen den verschiedenen Herstellern auswirken.

Dem nun in Düsseldorf gestarteten Verfahren liegt eine Klage des Tübinger Biotech-Unternehmen Curevac gegen den erfolgreichen Impfstoffentwickler Biontech zugrunde.

Curevac gilt als Pionier der mRNA-Technologie, ist aber mit der Entwicklung eines eigenen Corona-Impfstoffs gescheitert und musste das Milliardengeschäft den Konkurrenten überlassen.

Die Firma wirft Biontech vor, diverse ihrer Schutzpatente verletzt zu haben. Neben Schadenersatz verlangt Curevac auch eine Beteiligung am Umsatz des in aller Welt erfolgreich verkauften Impfstoffs. In welche Richtung das Urteil in Düsseldorf ausfallen könnte, war am Dienstag noch nicht abzusehen. Biontech weist die Vorwürfe zurück und erklärt die eigene Arbeit für originär.

In dem Prozess geht es um weitaus mehr als Corona: nämlich um die Zukunft der gesamten mRNA-Technologie-Nutzung. Sollte die wirklich so erfolgreich werden, wie Forscher, Wissenschaftler und Investoren es erwarten, dann dürften zukünftige Lizenzzahlungen an Vorreiter der mRNA-Technologie deren Einkommen auf Jahre sichern. Und wer die wichtigen Patente hält, steigert seine Bewertung.

Riesiges Potenzial der mRNA-Technologie

Das Kürzel mRNA steht für Boten-Ribonukleinsäure und hat das Potenzial, diverse Krankheiten zu heilen. Bildlich gesprochen könnte man die mRNA als Ausdruck des Bauplans, der in der DNA gespeichert ist, bezeichnen. Braucht der Körper den Bauplan an bestimmten Stellen, dann wird nicht die DNA losgeschickt, sondern die Boten-RNA.

„Das Potenzial der mRNA-Technologie ist riesengroß“, sagt Markus Manns, Fondsmanager bei Union Investment. „Wenn das alles funktioniert, dann sprechen wir von einem 50- bis 100-Milliarden-Markt“ pro Jahr. Aktuell ist die mRNA-Technologie noch ganz am Anfang: Durch die Entwicklung der Corona-Impfstoffe haben die Pharmaunternehmen gezeigt, dass die Mittel auf dieser Basis wirken.

Prinzipiell gibt es drei große Krankheitsbilder, bei denen die mRNA-Technologie helfen soll: bei Atemwegserkrankungen wie etwa der Grippe, gegen Krebs und für Autoimmunerkrankungen. „Aktuell weiß man, dass die mRNA-Technologie gegen virale Atemwegserkrankungen wie  Covid, RSV und Grippe funktioniert“, sagt Manns. Wie das bei anderen Krankheiten, wie etwa Krebs, aussehe, wisse man noch nicht.

Noch in diesem Jahr wollen die Unternehmen aber wichtige Studiendaten zu Grippe und zu Krebs vorlegen, die laut dem Pharmaexperten ein erstes Indiz dafür sind, ob die Technologie auch für andere Impfstoffe geeignet ist.

Ugur Sahin

Der Biontech-Chef und sein Unternehmen haben die Vorreiterrolle in der Entwicklung von mRNA-Impfstoffen übernommen.

(Foto: imago images/photothek)

Weltweit sind Investoren und Wissenschaftler zuversichtlich, dass die mRNA-Technologie die Welt der Impfstoffe revolutionieren könnte. Schon die Corona-Impfstoffe haben Biontech und Moderna Milliarden eingebracht – auch wenn die Umsätze nun mit dem Ende der Pandemie deutlich sinken. Insgesamt aber waren die Summen, die die Pharmaunternehmen damit verdient haben, gewaltig.

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Curevac fordert, „eine faire Entschädigung nach US-amerikanischem und deutschem Recht und einen Anteil an den rund 80 Milliarden US-Dollar Umsatz, die Comirnaty bisher weltweit erwirtschaftet hat, sowie einen Anteil an den zukünftigen Umsätzen“, sagt Alexander Zehnder, CEO von Curevac. Die börsennotierte Firma hat den Milliardär und SAP-Mitgründer Dietmar Hopp als Haupteigentümer.

Wie hoch die „faire Entschädigung“ aus Curevacs Sicht sein könnte, dazu äußert sich das Unternehmen nicht. Eine Verhandlung oder außergerichtliche Einigung über die Höhe einer Summe käme ohnehin erst nach dem aktuell laufenden Prozess infrage, sagt ein Patentanwalt. Fondsmanager Manns geht von einer Lizenzsumme von um die fünf Prozent aus, die Curevac fordern könnte. Das wären immerhin vier Milliarden Dollar plus Entschädigung.

Alexander Zehnder

Der Manager ist seit April CEO bei Curevac. Nach dem Fehlschlag beim Covid-Impfstoff ringt das Unternehmen nun um Anschluss in der Biotech-Branche.

(Foto: PR)

Curevac hatte bereits im Juni 2022 eine Patentverletzungsklage gegen Biontech eingereicht. Die hat das Unternehmen mittlerweile erweitert und macht insgesamt acht sogenannte Schutzrechte geltend, die Biontech laut Curevac verletzt haben soll.

Biontech hielt dagegen und reichte im September vergangenen Jahres eine sogenannte Nichtigkeitsklage vor dem Bundespatentgericht ein. Im Patentrecht ist das Standard. Vor Landesgerichten wird verhandelt, ob ein Unternehmen ein Patent verletzt hat, vor dem Bundespatentgericht wird hingegen verhandelt, ob ein Patent überhaupt hätte erteilt werden dürfen und gültig ist.

Sollte das Bundespatentgericht entscheiden, dass das betroffene Patent von Curevac nichtig ist, dann wäre die Frage der Verletzung, die vor dem Landesgericht Düsseldorf geklärt wird, obsolet.

Überlappungen zwischen mRNA-Technologien möglich

Im April erließ das Bundespatentgericht eine vorläufige Mitteilung, die die Gültigkeit des Patents unterstützte. Die endgültige Beurteilung steht zwar für den Dezember diesen Jahres aus und ist anfechtbar. Für das Landesgericht Düsseldorf ist die vorläufige Beurteilung aber ein Indiz dafür, dass das Patent voraussichtlich weiter bestehen bleibt, sagt ein Patentanwalt.

Dennoch ist der Ausgang des Prozesses Curevac gegen Biontech bisher nicht vorhersehbar. „Der Ausgang von Patentstreitigkeiten ist im Vorfeld unmöglich einzuschätzen“, sagt Pharmaexperte Manns. „Für Außenstehende ist das eine Blackbox.“ Ihn würde es überraschen, wenn es zwischen den drei mRNA-Entwicklern Biontech, Curevac und Moderna keine überlappenden Patente gäbe – und wenn sich die drei Biotech-Unternehmen damit nicht auch gegenseitig blockieren könnten oder gezwungen sein könnten, Patente gegenseitig zu lizenzieren.

Manns glaubt, dass Curevac sich relativ sicher sein müsse, recht zu bekommen. Denn: „Für Curevac ist es auch ein Imageschaden, hier in Deutschland Biontech zu verklagen, die ja quasi die Welt gerettet haben.“ Curevac klagt aber nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA gegen die Mainzer Firma. Dort geht es um zehn Schutzrechte.

Gegen Biontech laufen derweil nicht nur die Patentverletzungsklagen von Curevac, sondern auch von Moderna und drei US-Firmen, die wiederum auch gegen Moderna klagen. Bisher scheint Biontech aber nicht allzu resigniert ob der Prozesse: Das Unternehmen hat dafür bisher keine Rückstellungen gebildet.

Die Analyse der Ansprüche der klagenden Unternehmen sei noch nicht abgeschlossen und komplex, „und wir sind der Ansicht, dass der endgültige Ausgang des Verfahrens noch sehr ungewiss ist“, heißt es im aktuellen Geschäftsbericht von Biontech zu jedem der laufenden Verfahren.

Mehr: Moderna kritisiert Bevorzugung von Biontech in Deutschland.

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