Climeworks, Northvolt, Meyer Burger: Greentech-Größen investieren in USA

Düsseldorf Das Kernfusions-Start-up Marvel Fusion baut eine Demonstrationsanlage im US-Bundesstaat Colorado. Die Colorado State University hat dem deutschen Unternehmen 150 Millionen Dollar geboten, um die Laseranlage in den USA aufzubauen. 

Mit der öffentlich-privaten Partnerschaft mache Marvel Fusion einen entscheidenden Schritt, um „bei der Umsetzung des Technologiekonzepts in ein Fusionskraftwerk voranzukommen“, sagte CEO Moritz von der Linden. 

Bis 2026 soll die Anlage fertig sein und aus insgesamt drei Lasersystemen bestehen. Bislang hatte Marvel lediglich einen Laser in München im Forschungsbetrieb. Die University of Colorado gehört weltweit zu den angesehensten Institutionen in der Fusionsforschung. Nordamerika gilt in der Technologie unter Branchenexperten als führend.

Man gehe den Schritt nach Nordamerika, weil es aus Europa kaum Interesse gegeben habe, heißt es bei Marvel. Damit ist das Fusions-Start-up nicht allein. Immer mehr europäische Greentech-Unternehmen investieren in den USA.  

Auch das deutsche Solar-Start-up Nexwafe sieht sich aktuell in den USA nach einem passenden Produktionsstandort um. „Nexwafe hat Pläne zur Gründung einer Tochtergesellschaft in den USA beschleunigt und bereits Gespräche zur Standortwahl aufgenommen“, bestätigte eine Sprecherin Informationen des Handelsblatts.

Anlage von Climeworks

Das Schweizer Start-up gehört zu einem der wenigen Unternehmen weltweit, die CO2 aus der Atmosphäre filtern. 

(Foto: Climeworks)

Erst vor wenigen Tagen hatte der Schweizer Solarzellenhersteller Meyer Burger den Bau einer Fabrik mit einer Anfangskapazität von zwei Gigawatt pro Jahr im US-Bundesstaat Colorado angekündigt. Dafür werden sogar Maschinen, die eigentlich für die gleichzeitig in Deutschland geplante Zellfabrik gedacht waren, umgeleitet. „Wir machen dann in Thalheim weiter, wenn die Rahmenbedingungen in Europa passen“, sagte Firmenchef Gunter. 

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Damit spielt er vor allem auf den sogenannten Inflation Reduction Act (IRA) an. Mit diesem 370 Milliarden Dollar schweren Förderprogramm will US-Präsident Joe Biden in erster Linie die Produktion nachhaltiger Technologien im eigenen Land fördern. Der IRA umfasst Subventionen, Steuergutschriften und Rabatte für Unternehmen, die dazu beitragen sollen, die schlechte Klimabilanz des Landes zu verbessern. 

Bislang hatte Europa in Sachen grüner Technologien und Energiewende die klare Führungsrolle inne. Jahrelang gab es auf keinem anderen Kontinent so viele Windräder und Solaranlagen. Mittlerweile sind China und die USA allerdings vorbeigezogen. Und dank des IRA wenden sich auch immer mehr Vorreiter der Greentech-Branche, die mit sauberer Energieerzeugung oder alternativen Kraftstoffen arbeiten, in Richtung USA. 

Standortwettbewerb zwischen Europa und den USA

„Es gibt einige Unternehmen, die schnell agieren können und jetzt eine Standortentscheidung treffen, mit einem neuen Werk dorthin zu gehen, wo es die meiste Förderung gibt“, sagt Start-up-Investor Nikolas Samios von PT1 Ventures. Dass die Unternehmen deswegen Europa den Rücken kehren, sieht er noch nicht: „Aber es gibt definitiv einen Standortwettbewerb, und Europa steht unter Druck.“

Laut einer Analyse des „Wall Street Journal“ wurden seit Inkrafttreten des IRA grüne Projekte im Wert von 110 Milliarden Dollar auf den Weg gebracht. 15 der 20 größten Vorhaben kommen dabei von ausländischen Konzernen – unter anderem von Climeworks.

Das Start-up aus Zürich ist einer der weltweit wenigen Spezialisten, die sich auf das Abspalten und Speichern von CO2 aus der Atmosphäre, sogenanntes Direct Air Capture, konzentrieren. Im April kündigte Climeworks an, sein US-Geschäft auszubauen. Die Schweizer wollen sich in den kommenden Jahren an mehreren Projekten zur CO2-Abscheidung beteiligen und 100 neue Mitarbeiter vor Ort einstellen. 

„Die USA waren schon immer ein spannender Markt für uns. Aber der IRA hat die Entscheidung, den Schritt jetzt zu gehen, definitiv beschleunigt“, sagt Peter Freudenstein, bei Climeworks Klimapolitikmanager für die USA. Für drei Projekte habe man sich beworben – die Antwort des Energieministeriums in Washington stehe noch aus. Die Größenordnung wird bei mindestens einer Million Tonnen CO2 liegen, die je Anlage pro Jahr aus der Atmosphäre gefiltert werden sollen.

Aktuell baut Climeworks sein zweites Direct-Air-Capture-Werk in Island mit einer jährlichen Kapazität von 36.000 Tonnen Kohlendioxid. „Die USA erlauben es uns jetzt, zu lernen und zu bauen“, sagt Freudenstein. In Europa dauere eben vieles länger. „Junge Firmen wie Climeworks können es sich nicht leisten, fünf Jahre zu warten.“ 

Northvolt plant parallel in Europa und den USA

Auch der schwedische Batterieproduzent Northvolt stellte die Pläne für den Bau einer Fabrik im schleswig-holsteinischen Heide zunächst infrage, nachdem die USA ihr Milliardenprogramm aufgelegt hatten. Parallel sucht das Unternehmen nach einem weiteren Produktionsstandort in Nordamerika. Aufgrund der hohen Nachfrage erwägt Northvolt nun nach eigenen Angaben den Bau von zwei Fabriken gleichzeitig.

„Wir betrachten weiterhin Standorte in den USA und Kanada. Für die geplante Ansiedlung in Heide läuft derzeit die beihilferechtliche Prüfung in Brüssel“, sagt ein Sprecher dem Handelsblatt. 

Northvolt

Die erste Batteriezellproduktion Europas steht im schwedischen Skelleftea.

(Foto: Northvolt)

Die EU-Förderung läuft über das sogenannte „Temporary Crisis and Transition Framework“(TCTF)-Programm. Dieses ist ein beihilferechtlicher Rahmen, den die Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung ihrer Fördermaßnahmen nutzen können. Die Finanzierung für Northvolt muss jedoch noch durch die EU-Kommission genehmigt werden. Hier hoffe man auf zeitnahe Rückmeldung, erklärt das Unternehmen.

Das Werk in Heide soll 4,5 Milliarden Euro kosten und eine Fertigungskapazität von 60 Gigawattstunden erreichen. Das ist genug, um eine Million Elektroautos im Jahr mit Batterien zu versorgen. Die Auslieferung der ersten Zellen aus Heide könnte im besten Fall schon 2026 starten. „Die Investitionsbedingungen in Nordamerika sind für die Batteriezellindustrie natürlich sehr attraktiv. Der Standort Europa hat für Northvolt aber weiterhin eine große Bedeutung“, sagte der Sprecher.

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Ähnlich wie Northvolt wollen auch die anderen Greentech-Unternehmen den Standort Europa nicht komplett aufgeben. Zu den Neuigkeiten um Marvel Fusion ist aus Unternehmenskreisen sogar zu hören, dass es „ausgeschlossen“ sei, dass das Start-up komplett in die USA auswandert. 

Der Hauptsitz des Unternehmens soll weiterhin in Deutschland bleiben. Und wo der erste vollwertige Prototyp gebaut wird, sei noch nicht entschieden, sagte ein Sprecher dem Handelsblatt. 

„Wir werden Europa nicht den Rücken kehren“, bekräftigt auch Climeworks-Manager Freudenstein. Man profitiere eher von beiden Regionen. Nur wenige Firmen werden ihr Geschäft daher komplett in die USA verlagern, glaubt auch Investor Samios. 

„Aber Europa braucht eine Antwort auf die Geschwindigkeit der Amerikaner“, sagt er. Zwar gebe es ausreichend Fördertöpfe für grüne Innovationen. „Nur mahlen die Mühlen hier langsamer“, sagt Samios. Das müsse sich ändern. 

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