China-Geschäft wird zum Klumpenrisiko für die Chiphersteller

München Vom wichtigsten Wachstumsmarkt entwickelt sich China zum Risikofaktor Nummer eins für die Chipindustrie. Das zeigt sich gut am Beispiel des bevorstehenden IPO des Halbleiterdesigners Arm: Die Briten brauchen im Börsenprospekt mehrere Seiten, um die Gefahren aufzulisten, die von der Volksrepublik für ihr Geschäft ausgehen.

Arm hält nur einen Minderheitsanteil an seiner Chinatochter, daher ist die Firma in dem Land besonders verwundbar. Auch andere Chipfirmen blicken mit Sorge auf die Entwicklungen in China, politisch und wirtschaftlich. Die Konzerne warnen im Kleingedruckten der Geschäftsberichte bereits davor, dass Milliardenumsätze wegbrechen könnten.

Mit der Wirtschaftsflaute in China kommt nun eine weitere Bedrohung dazu. „Der Motor in China stottert, und die Gründe dafür sind nicht zu leicht zu beheben“, sagt Peter Fintl, Chipexperte der Beratungsgesellschaft Capgemini.

Schlüsselkunden sitzen in China

Einige Wettbewerber sind abhängig vom Geschäft mit China. „Ein erheblicher Teil unseres Geschäfts konzentriert sich auf China, und die Risiken einer solchen Konzentration werden verschärft durch die Spannungen zwischen den USA und China beim Handel und der nationalen Sicherheit“, warnt etwa der Handychip-Spezialist Qualcomm in seinem Geschäftsbericht. Der „erhebliche Teil“ beträgt rund 60 Prozent.

Auch für Deutschlands größten Chipanbieter Infineon steht viel auf dem Spiel: Jeden vierten Euro erwirtschaftet der Dax-Konzern in der kommunistischen Autokratie. Beim Börsenkandidat Arm stammt ebenfalls rund ein Viertel der Einnahmen aus China.

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Die Nation ist von überragender Bedeutung für die Branche, sie steht für rund ein Drittel des globalen Umsatzes. Vier der zehn größten Kunden der Chipindustrie stammen aus China: Der PC-Hersteller Lenovo, BBK Electronics (Oppo, Realme, OnePlus), der Smartphone-Produzent Xiaomi sowie Huawei. Dazu kommt der Taiwaner Konzern Foxconn, der größtenteils in China fertigt; Foxconn stellt das iPhone für Apple her.

China durchlebt turbulente Zeiten: Die Wirtschaft des Landes ist im zweiten Quartal nur um 0,8 Prozent gegenüber dem Vorquartal gewachsen. In den vergangenen Wochen hatten sich mehrere Konjunkturindikatoren schlecht entwickelt, darunter der Konsum und die chinesischen Exporte.

Handy-Verkauf stürzt auf das Niveau von 2014

Mitte des Monats musste der chinesische Immobilienentwickler Evergrande Gläubigerschutz in den USA anmelden, auch Konkurrent Country Garden berichtete von Zahlungsschwierigkeiten. Das schürte Ängste um die Stabilität der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Die Wachstumsschwäche sei „ziemlich besorgniserregend“, sagte Yale-Ökonom Stephen Roach dem Handelsblatt.

Die Chiphersteller spüren, dass die Bevölkerung das Geld zusammenhält. So wurden im zweiten Quartal in dem Land so wenige Smartphones verkauft wie zuletzt 2014, so die Marktforscher von Counterpoint. Auch der PC-Markt sei in China außergewöhnlich schwach, meinen die Experten von Gartner. Computerbauer und Smartphone-Anbieter sind die wichtigsten Kunden der Chipindustrie.

Parallel dazu verschärft sich der Streit um die Chips zwischen den USA und China, die Großmächte überziehen sich mit Strafmaßnahmen. Leidtragende sind die Halbleiterfirmen. „Eine Eskalation der Spannungen zwischen den USA und China hat zu Handelsbeschränkungen und erhöhten Zöllen geführt“, schlägt der US-Konzern Broadcom Alarm. Dadurch werde es für das Unternehmen immer schwerer, auf dem chinesischen Markt aktiv zu werden oder „effektiv mit chinesischen Unternehmen zu konkurrieren“.

Chinageschäft könnte dramatisch schrumpfen

Nvidia, der wertvollste Chipkonzern der Welt, darf seine leistungsstärksten Grafikprozessoren, die GPUs, auf Anweisung der US-Regierung nicht in China verkaufen. Die Regierung von Joe Biden befürchtet, dass die Volksrepublik mit den hochgezüchteten Chips ihr Militär aufrüstet.

Nvidia

Grafikkarte von Nvidia: Der US-Konzern warnt vor wirtschaftlichen Folgen der Ausfuhrbeschränkungen nach China.

(Foto: IMAGO/Zoonar)

Das Chinageschäft westlicher Konzerne könnte daher deutlich schrumpfen. Experten zufolge sind europäische Anbieter wie Infineon oder die französisch-italienische STMicroelectronics besonders gefährdet. Denn sie stellen Halbleiter her, die China, trotz der US-Sanktionen für westliche Chipmaschinen, selbst produzieren kann.

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Die Folgen sind laut Analyst Thibault Morel von der Investmentbank Bryan, Garnier & Co bereits dramatisch: „Chinesische Akteure gewinnen Marktanteile. In den von Infineon und STM adressierten Märkten haben sie mehr als zehn Prozent erreicht.“

Morel zufolge müssen sich die Konzerne auf das Schlimmste gefasst machen: „Das Hauptrisiko für europäische Akteure über einen Zeitraum von fünf Jahren ist die Schließung des chinesischen Marktes.“

Chipkonzerne rechnen China-Anteil klein

Die Chipkonzerne selbst versuchen, ihre Abhängigkeit von China kleinzureden. Die Botschaft: Der Markt sei in Wahrheit nicht so wichtig, wie es die Zahlen vermuten lassen. Beispiel Texas Instruments: Der US-Konzern erzielt 49 Prozent vom Umsatz in China. Aber nur 24 Prozent der Erlöse stammen Unternehmensangaben zufolge von chinesischen Kunden. Den Rest erzielt TI mit ausländischen Firmen, die in dem Land produzieren, oder mit ausländischen Großhändlern, die Ware in der Volksrepublik für den Export kommissionieren.

Nvidia sieht kurzfristig keine Gefahr für sein Geschäft, obwohl die Behörden in Washington derzeit bereits über weitere Restriktionen debattieren. Denn dem Konzern fällt es momentan schwer, die Nachfrage nach seinen GPUs überhaupt zu befriedigen. Finanzchefin Kress: „Angesichts der weltweit starken Nachfrage nach unseren Produkten gehen wir nicht davon aus, dass zusätzliche Exportbeschränkungen für unsere GPUs für Rechenzentren, falls sie eingeführt werden, unmittelbar wesentliche Auswirkungen auf unsere Finanzergebnisse haben würden.“

Trotzdem ist Nvidia-Chef Jensen Huang unlängst mit seinen CEO-Kollegen von Intel und Qualcomm nach Washington gereist, um der Biden-Regierung weitere Strafmaßnahmen gegen Peking auszureden. Branchenkreise bezweifeln aber, dass die hochrangige Delegation am chinafeindlichen Klima in der US-Hauptstadt etwas ändern konnte.

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