C1 Green Chemicals will die Produktion revolutionieren

München Dass der langjährige Digitalunternehmer Christian Vollmann jetzt in Chemie macht, zeigt schon die Sicherheitsbrille auf seiner Nase. Per Videochat führt der Gründer von Portalen wie MyVideo oder Nebenan.de durch ein Labor in Berlin-Adlershof und bleibt vor einem etwa sechs Meter langen Glasschrank stehen. Statt Blumenvasen glänzen in dem Forschungsreaktor Metallbehälter mit Wasserstoff, Kohlenmonoxid und einem flüssigen Lösungsmittel.

Der 45-Jährige deutet auf einen Fünf-Liter-Stahlzylinder. „Darin findet eine ganz neue Chemie, ein disruptives Katalyseverfahren statt“, erklärt Vollmann. Mit ihm wollen Vollmann und seine drei Mitgründer von C1 Green Chemicals helfen, sogenanntes grünes Methanol kostengünstiger herzustellen und so den Klimawandel einzubremsen.

Methanol aus regenerativen Quellen gilt als ein Hoffnungsträger der Energiewende. In der Schifffahrt, die rund drei Prozent der globalen Kohlendioxidemissionen ausmacht, könnte es Diesel direkt ersetzen. Die dänische Containerreederei Maersk setzt bereits auf Dual-Fuel-Motoren, die beide Antriebsarten ermöglichen.

Dazu entsteht aus grünem Methanol nach einem Umwandlungsschritt nachhaltiges Kerosin für Flugzeuge – oder grüner Kraftstoff, der sich den Tankfüllungen von Autos und Lastwagen beimischen lässt.

Vor allem gilt der Stoff aber als Schlüssel, um die chemische Industrie von fossilen Energieträgern zu lösen. Sie verbraucht rund zwei Drittel des globalen Methanolvolumens, um daraus etwa Polymerfasern für Textilien oder Kunststoffe für Verpackungen zu produzieren.

Führungsteam von C1 Green Chemicals

Christian Vollmann (Mitte) leitet das Start-up mit Chief Commercial Officer Christoph Zehe, Aufsichtsratschef Dirk Radzinski, Chefwissenschaftler Marek Checinski und Technologiechef Ralph Krähnert (von links).

(Foto: Carbone One)

Grundlage für die Herstellung von grünem Methanol ist ein Synthesegas aus grünem, also durch erneuerbaren Strom erzeugten Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Das Gemisch lässt sich entweder aus der Vergasung von Biomasse wie Holzresten oder aus einer Kombination von grünem Wasserstoff und Kohlendioxid, etwa aus Industrieabgasen, gewinnen.

Doch noch ist grünes Methanol knapp und teuer. Je nach Strompreis können die Kosten leicht dreimal höher sein als bei fossilem, aus Erdgas oder Kohle erzeugtem Methanol, das in Europa rund 480 Euro je Tonne kostet.

In einem Konsortium unter Beteiligung von Fraunhofer-Instituten und der TU Berlin will C1 seine Technologie nun für Industrieanwendungen testen. Im Chemiepark Leuna in Sachsen-Anhalt soll schon in einigen Wochen ein Forschungsreaktor den Betrieb aufnehmen.

Das Bundesverkehrsministerium fördert das Projekt „Leuna 100“ mit insgesamt 10,4 Millionen Euro. Ließen sich die Laborergebnisse replizieren, könnte das der grünen Methanolproduktion womöglich zum Durchbruch verhelfen. 

Grünes Methanol: „50 Mal schneller als herkömmliche Reaktoren“

„Mit unserem Verfahren können wir Temperatur und Druck im Reaktor im Vergleich zur konventionellen Produktion um mehr als die Hälfte auf 110 Grad und 30 Bar reduzieren“, sagt Vollmann. Damit ließen sich die Kosten für die Methanolproduktion „signifikant“ senken. Wie sehr, wisse man nach Ende des Projektes. „Gelingt es uns, den Prozess in Leuna zu skalieren, sind wir damit bis zu 50 Mal schneller als herkömmliche Reaktoren“, sagt Vollmann.

Die konventionelle Katalyse setzt nur etwa 15 Prozent Methanol pro Durchgang um. Übrig bleibt unreagiertes Synthesegas, das immer wieder neu in den Reaktor geführt werden muss, was die Effizienz verschlechtert. Für die Methanolproduktion aus Gas und Kohle, die lange billig waren, reichte das.

Doch mit dem Ukrainekrieg und dem Klimawandel steigt der Bedarf nach wirtschaftlichen Verfahren aus erneuerbarer Energie. C1 kommt nach eigenen Angaben pro Durchlauf auf etwa 98 Prozent grünes Methanol. Auch fossiles Methanol ließe sich so „prinzipiell“ effizienter herstellen, erklärt das Unternehmen.

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Doch was macht C1 anders? Im Gegensatz zu herkömmlichen Verfahren arbeitet das Team mit einem Reaktor, in dem das Synthesegas nicht wie üblich in zwei unterschiedlichen, sondern in derselben Phase mit einem in Flüssigkeit gelösten Katalysator reagiert. Dieser ist nötig, um die Umwandlung des Gases in Methanol zu beschleunigen.

Die „Flüssigphasenkatalyse“ ist zwar nicht neu, doch war sie bislang nicht wirtschaftlich. Doch nun ist es C1 gelungen, teure Edelmetalle wie Rhodium durch günstiges Mangan zu ersetzen. Ist das der entscheidende Faktor?

Wenn C1 wirklich mit Temperaturen um die 150 Grad und so niedrigem Druck auskomme, sei das „hochattraktiv“, sagt Martin Muhler, Katalyseexperte der Universität Bochum. Gerade der Druck von sonst um bis zu 80 Bar verursache hohe Kosten durch den Energie- und Materialaufwand.

Aufgrund der aufwendigen Produktion stellen weltweit nur wenige Firmen im großen Stil grünes Methanol her. Darunter ist Carbon Recycling aus Island, das vor Ort günstige Energie aus Geothermie nutzt.

Noch müssten die Gründer aber beweisen, dass ihr Flüssigphasenkatalysator stabil bleibe und nicht ständig ausgetauscht werden müsse, sagt Muhler. Und das Start-up müsse die Kosten für die organischen Verbindungen, die die Mangan-Atome umgeben, senken. „Das Mangan ist billig, doch diese sogenannten Liganden sind umso teurer“, erklärt Muhler, der am grünen Methanol-Projekt „Carbon2Chem“ bei Thyssen-Krupp Steel forscht.

Vollmann räumt das ein. Doch habe C1 diese Kosten in neun Monaten schon „um den Faktor 15“ reduziert. Auch verbessere man die Stabilität des Katalysators: Schon heute sei dieser 20 Mal schneller als das konventionelle Verfahren.

Prominente Investoren für das Start-up

Für Walter Leitner, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion, wäre eine zusätzliche Technologie, die größere Mengen an grünem Methanol ermögliche, ein Gewinn. Der Markt sei schließlich „riesig“.

Die Internationale Agentur für erneuerbare Energien schätzt, dass die globale Produktion von heute 100 Megatonnen Methanol, die fast nur fossilen Ursprungs sind, bis 2050 auf 500 Megatonnen anwächst. 385 Megatonnen sind in diesem Szenario grünes Methanol. Leitner findet die Innovation von C1 „spannend“. Es sei bemerkenswert, wie schnell das Start-up in der Entwicklung sei.

Überzeugt sind auch die Geldgeber. 13,7 Millionen Euro haben die Gründer von Planet A Ventures, der Deeptech-Investor Square One und Maersk Growth eingesammelt. Auch der frühere Linde-Chef Wolfgang Reitzle, Ex-BASF-Chef Jürgen Hambrecht und Siemens-Aufsichtsratschef Jim Hagemann Snabe haben in C1 investiert.

Christian Vollmann, der mit digitalen Produkten „ganz andere Zeitkorridore gewöhnt“ sei, gibt ein hohes Tempo vor. Dass C1 nicht einmal zwei Jahre nach Gründung schon in den Chemiepark geht, liegt auch daran, dass man auf das Patent von Chefwissenschaftler Marek Checinski bauen konnte. Am Computer simulierte der Quantenchemiker Milliarden an Molekülverbindungen. „Das sparte uns viel Zeit im Labor“, so Vollmann.

Die erste kommerzielle Demo-Anlage mit einer Kapazität von mehr als 100 Tonnen am Tag könnte schon 2026 starten. Ab 2027 könnte C1 mit dem Verkauf von Lizenzen für ihren Katalysator Geld verdienen. „Das wäre natürlich sehr sportlich“, sagt Vollmann. „Aber der Klimawandel ist ja auch schnell.“

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