BMW wird still und heimlich zum Elektro-Vorreiter

Düsseldorf BMW zählt in der Autoindustrie zu den wenigen Herstellern, die noch kein fixes Datum für ein Verbrenner-Aus genannt haben. Stattdessen sollen Diesel- und Benzinmotoren den Autobauer bis ins nächste Jahrzehnt tragen. Sogar an neuen Sechs- und Achtzylindern arbeiten die Münchener.

Umso erstaunlicher ist BMWs derzeitige Elektroquote. Diese liegt mit 12,6 Prozent im ersten Halbjahr so hoch wie bei keinem anderen der großen deutschen Autohersteller. Das geht aus den Halbjahreszahlen hervor, die der Konzern am Donnerstag präsentierte. Bis Ende des Jahres soll der Anteil elektrischer Autos am Absatz gar bei 15 Prozent liegen, 2025 dann schon bei etwa einem Drittel.

Helfen sollen ein breiteres Portfolio und ein Update der Technik. So will BMW ab Oktober neben seinem konventionellen Fünfer auch den elektrischen i5 auf den Markt bringen. Damit hätten die Bayern in jedem für sie wichtigen Segment auch einen Stromer im Programm. Ab 2025 startet BMW dann mit seiner vielfach angekündigten Elektro-Plattform „Neue Klasse“ – erst in Ungarn, dann in München.

„Es geht jetzt erst los“, sagte BMW-Chef Oliver Zipse am Donnerstag bei einer Telefonkonferenz vor Journalisten. Ein Datum für ein Verbrenner-Aus wollte der CEO indes weiterhin nicht nennen. „Dank unserer Flexibilität können wir zu jeder Zeit und in jeder Situation schnell auf veränderte Anforderungen im Markt reagieren“, so der BMW-Chef. Mit der Taktik will der Manager kein Volumen auf dem Markt verschenken.

Noch verdient BMW das meiste Geld mit Verbrennern

„BMW ist schneller als die breite Masse der Autobauer, was die Elektrifizierung seiner Flotte angeht, kommuniziert das aber nicht so stark“, sagt Autoexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM). Was auch an den Margen liegen dürfte, die im Elektrosegment traditionell geringer sind als im Geschäft mit Diesel- und Benzinfahrzeugen.

In den ersten sechs Monaten dieses Jahres konnte BMW seine Ebit-Marge im Autogeschäft im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast ein Viertel steigern auf 10,6 Prozent (Vorjahr: 8,5 Prozent). Dazu beigetragen haben unter anderem höhere Preise – vor allem im klassischen Verbrennergeschäft.

Aktuell stehen Elektroautos von BMW noch auf einer antriebsflexiblen Plattform, die sowohl für Verbrenner als auch für E-Fahrzeuge genutzt werden kann. Das habe den Hochlauf erleichtert, so Zipse. Die Marge im Elektrobereich heben soll jedoch die neue Elektroarchitektur „Neue Klasse“. Zipse nannte das Vorhaben ein „Megaprojekt, das das gesamte Unternehmen durchzieht“. An der „Neuen Klasse“ hingen „die Zukunft der Marke BMW, des Unternehmens und unseres Portfolios“.

BMW: Direktvertrieb bringt Preismacht im Elektrobereich

Kostenseitig helfen dürfte außerdem, dass der Konzern den vollelektrischen Mini künftig auch in China fertigen lassen will und Direktvertriebsstrukturen aufbaut. Bereits seit dem Frühjahr wird der Mini in Fernost im Direktvertrieb verkauft, Europa soll ab 2024 folgen. Die Kernmarke BMW soll ab 2026 in Europa ebenfalls direkt über den Hersteller vertrieben werden, was dem Konzern mehr Macht bei der Preissetzung gibt.

BMW hatte im abgelaufenen Quartal von anhaltend hohen Fahrzeugpreisen und der Vollkonsolidierung des China-Geschäfts profitiert. Die Erlöse legten um sieben Prozent auf 37,2 Milliarden Euro zu, der Vorsteuergewinn verbesserte sich um 7,5 Prozent auf 4,2 Milliarden Euro. Allerdings machten sich unterm Strich nach Unternehmensangaben höhere Steuern bemerkbar. Netto verdiente BMW mit knapp drei Milliarden Euro 2,9 Prozent weniger als vor Jahresfrist. Damit lag das Unternehmen zwar grob im Erwartungskorridor mehrerer Analysten. Die Aktie gab am Donnerstagvormittag dennoch zeitweise mehr als zweieinhalb Prozent nach.

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Zugleich schraubte BMW seine Investitionen nach oben. In den ersten sechs Monaten gab das Unternehmen mit 3,2 Milliarden Euro gut zehn Prozent mehr für Forschung und Entwicklung aus. „Wir investieren stärker als geplant in den weltweiten Hochlauf der E-Mobilität“, sagte Finanzvorstand Walter Mertl. Vor allem der Hochlauf der Fabriken für die Elektromobilität und eines neuen Batteriezellformats würden kostenmäßig ins Gewicht fallen.

BMW hatte bereits am Dienstag seine Prognose für das laufende Geschäftsjahr angehoben. Die Münchener streben für 2023 ein „solides“ Wachstum der Auslieferungen an, bislang war man nur von einem „leichten“ Zuwachs ausgegangen. Bei der Gewinnmarge im Autogeschäft will das Unternehmen inzwischen in einem Zielkorridor von neun bis 10,5 Prozent landen. Bislang hatte man mit acht bis zehn Prozent gerechnet.

Elektromobilitätspläne der deutschen Autobauer kommen nicht in Fahrt

Trotz der positiven Tendenzen bei BMW: Derzeit stockt die E-Auto-Wende der deutschen Automobilindustrie. Noch lebt die Branche von ihrem hohen Auftragsbestand. Insbesondere bei Volumenherstellern wie Volkswagen sieht der Auftragseingang bei seinen Elektromodellen derzeit schlecht aus. So liegen die Auftragseingänge bei Deutschlands größtem Autobauer je nach Modell aktuell zwischen 30 und 70 Prozent unter Plan, wie es aus Konzernkreisen heißt. Selbst Porsche musste den Hochlauf seines E-Modells Taycan wegen fehlender Teile drosseln.

BMW-Chef Zipse forderte deshalb auch Hilfen seitens der Politik und nannte zum einen „steuerliche Förderungen“, wie sie aktuell etwa durch Absenken der Mehrwertsteuer für Elektroautos diskutiert wird. „Noch viel wichtiger“ sei laut Zipse jedoch der Teil, „den die Automobilhersteller nicht selber tragen können – die Infrastruktur“. Hier gehe es um Gebäude-Richtlinien, mit denen Ladesäulen leichter in Wohngebäuden installiert werden können. „Da muss man noch mal genauer hinschauen“, so der BMW-Chef.

Mit Agenturmaterial

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