Bert Rürup und Michael Hüther im Podcast

Bert Rürup verweist darauf, dass das – um konjunkturelle Schwankungen bereinigte – Trendwachstum der deutschen Wirtschaft lange Zeit um die 1,5 Prozent lag. 2018 habe dann ein Rückgang dieses Potenzialwachstums eingesetzt. Und gegenwärtig liege das jährige Trendwachstum in Deutschland bei 0,7 Prozent.

Der wichtigste Grund dürfte sein, dass das durchschnittliche Arbeitsvolumen je Erwerbstätigen rückläufig ist. Das heißt, die Beschäftigung steige zwar, aber das Arbeitsvolumen steige nicht mit, sondern es habe sogar die Tendenz zu sinken. Ausdruck davon sei, dass die durchschnittliche Wunscharbeitszeit bei 32,8 Stunden pro Woche liegt. Nur die Niederlande lägen hier noch niedriger.

Michael Hüther stellt dazu fest: An der Demografie lasse sich kurzfristig wenig ändern, weil eine höhere Geburtenrate nur sehr verzögert wirke. Selbst ein Zuwanderungsgesetz biete keine dauerhafte Perspektive, weil der Wettbewerb um Einwanderer überall in der nördlichen Hemisphäre stark sei. Folglich bleibe nur, das Arbeitsvolumen zu erhöhen und die zahlreichen Fehlanreize für Mehrarbeit zu beseitigen.

Rürup hält fest: „Den Alterungsschub bis 2040 können wir nicht mit einem sukzessive geringeren durchschnittlichen individuellen Arbeitsvolumen befriedigen – wenn wir unser lohnzentriertes System halbwegs über diesen Berg bringen wollen.“

Fehlanreize bei der Einkommensteuer

Eine Summe von Fehlanreizen liefere der aktuelle Tarif der Einkommensteuer. Der Unterschied, ob jemand in Voll- oder Teilzeit arbeitet, sei beispielsweise kein Ausdruck von Leistungsfähigkeit. Die Menschen entschieden sich einfach, weniger Arbeitszeit zu nehmen – und stellten sich dadurch relativ besser. Man müsste eigentlich überlegen, ob man nicht einen normierten Vollzeittarif entwickelt, regt Hüther an.

Eine Reform der Einkommensteuer koste jedoch jährlich 30 Milliarden Euro. Hier wirke wieder die Schuldenbremse als Hindernis.

Eine Fehlkonstruktion sei der Einkommensteuertarif auch mit Blick auf Frauen, sagt Rürup. Die Bildungsbeteiligung der Frauen sei hoch, sie erzielten auch ein hohes Einkommen – und gerade deswegen lohne es sich für diese Gruppe, obwohl sie hochqualifiziert sei, die Arbeitszeit zu reduzieren. Denn die Einkommensverluste seien deutlich unterproportional in Teilzeit im Vergleich zu Vollzeit.

Hüthers Fazit: „In dem Steuertarif liegt eigentlich Unrat. Und das ist genau das, was nicht angegangen wird.“

Zunehmend wichtiger werden beim Thema Arbeitsvolumen laut Rürup auch die Gesundheitskosten. Denn die Leistungen des Gesundheitssystems seien einkommensunabhängig, das sei bei einem vernünftigen Familieneinkommen ein wichtiger Anreiz dafür, die reguläre Arbeitszeit zu reduzieren.

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Die Folgen des Podcasts „Economic Challenges“ sind über Apple, Spotify, Deezer und Handelsblatt/Audio abrufbar. Mehr zu den Themen können Sie im „Chefökonom“, dem Newsletter von Professor Rürup, nachlesen. Für den Newsletter können Sie sich hier anmelden.

Bert Rürup und Michael Hüther

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