Bard: Was kann Googles KI?

Google Bard

Der Chatbot kann menschenähnliche Dialoge führen und Texte erstellen.

(Foto: IMAGO/NurPhoto)

San Francisco Google war über Jahre das führende Unternehmen im Bereich Künstliche Intelligenz (KI). Seit Jahren publizieren der Konzern und seine britische Tochter Deepmind die mit Abstand wichtigsten Forschungspapiere. Allerdings waren es andere, die das Thema KI nach vorn brachten. Das Start-up OpenAI und dessen Investor Microsoft präsentierten Ende 2022 den Chatbot ChatGPT, der wie von Menschen verfasste Texte erstellen kann.

Mittlerweile hat Google nachgezogen. Bard heißt die Antwort auf ChatGPT. Der Textroboter soll ähnlich gut wie das Pionierprodukt von OpenAI sein, verspricht Google. Allerdings gibt es erhebliche Einschränkungen. Warum das lange Zögern? Und wie gut ist Bard mit der zugrunde liegenden Google-KI?

Was ist Google Bard, einfach erklärt?

So wie ChatGPT ist Bard ein Chatbot, der menschenähnliche Dialoge führen und Texte erstellen kann. Bard ist nach dem englischen Wort für „Dichter“ oder „Barde“ benannt.

Der Chatbot basiert wie ChatGPT auf einem „Large Language Model“ (LLM). Ein „großes Sprachmodell“ besitzt nach dem Vorbild des menschlichen Gehirns neuronale Netze. Die werden mit großen Mengen Textdaten trainiert; das LLM lernt Sprachstrukturen und kann mit hoher Wahrscheinlichkeit das nächste Wort in einem Satz vorhersagen.

Für was steht „Bard“?

Der englisch Begriff Bard lässt sich mit der Barde auf Deutsch übersetzen. Als Barden werden Dichter und Sänger des keltischen Kulturkreises genannt. Der englische Dramatiker William Shakespeare wird oft der „Barde aus Avon“ genannt – in Anspielung auf seinen Geburtsort Stratford-upon-Avon in der englischen Grafschaft Warwickshire. Da der Chatbot auf das Formulieren von Sprache optimiert sei, sei der Name gewählt worden.

Was kann Google Bard?

Bard ist ein Textroboter. In einem Suchfeld kann man seine Fragen oder Aufforderungen formulieren. So kann man Bard etwa anweisen, ein Gedicht, einen Liedtext oder einen Essay zu schreiben.

Der Chatbot versieht in seltenen Fällen seine Antworten mit Quellenangaben. Bard generiert anders als ChatGPT zudem mehrere Vorschläge, sogenannte „Entwürfe“, aus denen man auswählen kann.

Die Antworten müssen wie bei ChatGPT aber nicht unbedingt richtig sein – sowohl OpenAI als auch Google arbeiten daran, das sogenannte „Halluzinieren“ von Sprachmodellen zu vermindern. Das versuchen beide unter anderem mit dem „Reinforcement Learning from Human Feedback“ (RLHF). Mitarbeiter überwachen bei dieser Trainingsmethode das System und belohnen es, je nachdem ob Antworten stimmen oder nicht.

Was unterscheidet Google Bard und ChatGPT?

Anders als mit ChatGPT können Menschen mit Bard derzeit nur in Englisch, Japanisch und Koreanisch kommunizieren. Es sollen aber weitere Sprachen dazukommen. ChatGPT ist nur mit Daten bis 2021 trainiert worden, Bard kann für Anfragen auf das Internet zugreifen. Bei ChatGPT ist das auch über sogenannte Plugins möglich, die derzeit aber nur zahlende Nutzer der Pro-Version nutzen können.

ChatGPT basiert auf dem Sprachmodell GPT, von dem OpenAI im März 2023 die vierte Version herausbrachte. Google setzt bei Bard auf Lamda, was für „Language Model for Dialogue Applications“ steht. Um Rechenleistung zu sparen und die Verfügbarkeit zu erhöhen, nutzt Bard eine abgespeckte und optimierte Version von Lamda.

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Sowohl GPT als auch Lamda arbeiten mit einer riesigen Anzahl von Parametern, die im Modell bestimmte Bezüge und Wahrscheinlichkeiten bestimmen. Ein Beispiel: Ein Parameter könnte sein, dass nach dem Wort „Sonne“ sehr wahrscheinlich „scheint“ kommt.

Was kann man mit Google Bard machen?

Bard kann auf Kommando Texte erstellen, Computercode schreiben oder Daten auswerten. Dabei ist Bard eng mit anderen Produkten von Google verknüpft. Es lassen sich beispielsweise Tabellen erstellen, die in Googles Tabellenprogramm importiert werden können. Zudem ist Bard darauf trainiert, große Datenmengen auszuwerten.

Seit dem Start von Bard hat Google das System im Rhythmus von wenigen Tagen bis Wochen verbessert. Es kommen also ständig neue Funktionen hinzu und alte Funktionen werden verbessert.

Wo kann man Google Bard schon nutzen?

Im Mai hat Google den Nutzerkreis von anfangs nur den USA und Großbritannien auf mehr als 180 Länder und Territorien erweitert. Allerdings ist dabei die Europäische Union komplett ausgenommen. Von Deutschland aus lässt sich Bard also nicht nutzen.

Google-Chef Sundar Pichai erklärte zwar, Bard auch in der EU verfügbar machen zu wollen, einen Zeitplan dafür nannte er jedoch nicht.

Wann ist Bard offiziell in Deutschland verfügbar? 

Das ist nicht klar. Auf auf Nachfrage des Handelsblatts machte Google zu einem Zeitplan keine Angaben.

Kann man Bard in Deutschland über alternative Wege nutzen?

Im Internet kursieren Beschreibungen, wie Menschen über Tricks von Deutschland aus Bard nutzen konnten. Dabei wird meist ein sogenannter VPN-Tunnel genutzt, durch den sich ein Nutzer über einen Computer in einem anderen Land ins Internet einwählen kann. Damit war es in machen Fällen möglich, Google zu suggerieren, ein Nutzer halte sich etwa in den USA und nicht in Deutschland auf.

Von diesem Weg ist aber klar abzuraten. Google macht in seinen Nutzungsbedingungen deutlich, für welche Länder das System freigeschaltet ist. Wer diese Regel bewusst missachtet, riskiert, von Google sanktioniert zu werden.

Warum ist Bard in der EU nicht nutzbar?

Das ist unklar. Google machte dazu keine konkreten Angaben. Auf Nachfrage sagte eine Google-Sprecherin dem Handelsblatt: „Bard wird bald in der Lage sein, die 40 wichtigsten Sprachen der Welt zu unterstützen, und der Zeitplan für die Erweiterungspläne ist noch nicht endgültig festgelegt.“ Das Unternehmen arbeite eng mit Regulierungsbehörden zusammen. In anderen Statements hatte Google nahegelegt, die Regulierung innerhalb der EU könne ein Grund dafür sein, warum Bard dort zunächst nicht verfügbar ist.

Das Microsoft-Pendant Bing, das mit dem KI-System von OpenAI betrieben wird, lässt sich bereits in Deutschland und anderen EU-Staaten nutzen. In Italien war OpenAI mit seinem Textroboter ChatGPT zunächst von der Datenschutzbehörde gestoppt worden, ist aber nach ersten Anpassungen wieder verfügbar.

Ist Google Bard kostenlos? 

Derzeit ja. Ob sich das in Zukunft ändert, ist unklar.

Kann Google Bard Deutsch? 

Derzeit ist eine deutschsprachige Version von Bard noch nicht freigeschaltet.

Wann wird Bard in Google integriert? 

Bard ist ein Chatbot. Das dahinterliegende Sprachsystem erweitert schon jetzt die Google-Suche. Allerdings derzeit nur für ausgewählte Testnutzer in den USA. Ob und wann die Funktion auch in Deutschland verfügbar sein wird, lässt Google bislang offen.

Warum veröffentlicht Google Bard jetzt?

Anders als das Start-up OpenAI und Microsoft hat Google viel beim Suchgeschäft zu verlieren, das durch Onlineanzeigen sehr lukrativ ist. Google kommt in Ländern wie Deutschland auf einen Marktanteil von weit mehr als 90 Prozent, während Microsofts Bing nur einen einstelligen Prozentbereich erreicht. Google will das Geschäft und sein Image nicht mit einer „halluzinierenden“ KI gefährden, die falsche oder irreführende Antworten geben könnte.

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Doch mit der Veröffentlichung von ChatGPT und der Integration von GPT-4 in Bing änderte sich der Markt. ChatGPT hat einer breiten Öffentlichkeit verdeutlicht, was ein Chatbot ist – mit all seinen Vor- und Nachteilen. Jetzt geht es um die Vorherrschaft in der Wahrnehmung: Welches Unternehmen hat die beste KI?

Welche KI wurde bisher für „Ok Google“ genutzt?

Google brachte seinen Sprachassistenten 2016 auf den Markt. „Ok Google“ versteht 30 Sprachen und kann Fragen zum Wetter oder zum Tagesablauf beantworten. Mehr als 700 Millionen Menschen nutzen das System weltweit. Es sorgte 2018 für Schlagzeilen, da es für Smartphone-Besitzer Anrufe erledigen kann – beispielsweise um einen Tisch im Restaurant zu buchen.

Google arbeitet an vielen KI-Modellen, die teilweise aufeinander aufbauen. Bei Ok Google geht es um die Wandlung von gesprochener Sprache in Text und nicht wie bei Bard um eine Texteingabe. Der Assistent erkennt über die Kamera und eine Bilderkennung, ob der Nutzer zum Smartphone blickt und spricht. Insgesamt seien fünf verschiedene Maschinenlernmodelle im Einsatz, um das Gespräch „so natürlich wie möglich“ zu gestalten, erklärten Tuan Anh Nguyen und Sourhis Chaudhuri, zwei Softwareingenieure von Google, in einem Blogbeitrag von 2022.

Was ist Googles Lamda?

Lamda ist ein großes KI-Projekt von Google. Zugrunde liegt ein sogenanntes Transformer-Modell, ein neuronales Netzwerk, das der Konzern 2017 mitentwickelte. Auf einem Transformer-Modell basieren auch GPT und ChatGPT.

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Anders als andere Sprachmodelle wurde Lamda nicht nur auf Texte, sondern vor allem auf Dialoge trainiert. Damit kann es laut Google besser die Nuancen einer Unterhaltung aufgreifen.

Um die Antworten kreativer und interessanter zu machen, drehen die Google-Ingenieure an der „Temperatur“, was im Fachjargon eine Modelleinstellung meint. „Die Modelle können aus vertretbaren, aber etwas weniger wahrscheinlichen nächsten Wörtern wählen, die interessantere Antworten ermöglichen“, sagte James Manyika, Technologiechef von Google.

Wie funktioniert Lamda genau?

Lamda basiert auf der Transformer-Methode. Damit kann ein Computer bestimmte Signale oder Informationen „transformieren“, beispielsweise um einen Text in eine andere Sprache zu übersetzen oder zusammenzufassen.

Transformer gehören zu den Deep-Learning-Modellen. Das „tiefe Lernen“ erreichen sie durch neuronale Netze, die in zahlreichen Zwischenschichten eine komplexe Struktur und Hierarchie bilden. Vorbild dabei ist das menschliche Hirn.

Lamda wurde mit insgesamt rund 1,6 Billionen Wörter vor allem aus Dialogen „vortrainiert“, wie es in der Fachsprache heißt. Dann kommt das „Feintuning“, bei dem die möglichen Antworten in einem Dialog nach sogenannten SSI-Faktoren („Sinnhaftigkeit, Spezifität, Interessantheit“) bewertet werden, um das Gespräch sinnvoll, genau und lebendig zu gestalten. Miteinbezogen werden auch die Prinzipien Sicherheit und Bodenständigkeit, um kontroverse oder unsinnige Antworten zu vermeiden.

Kann man mit Google Lamda sprechen?

Ja, technisch gesehen ist das kein Problem, Lamda transformiert auch Sprache in Text. Zugang gibt es aber nur eingeschränkt. Die Funktion bietet Google in der speziellen App „AI Test Kitchen“ an, die es seit Herbst 2022 nur in den USA, Großbritannien und Australien herunterzuladen gibt. Allerdings können auch dort nur ausgewählte Nutzer mitmachen.

Hat Lamda ein Bewusstsein?

Die Antworten des Sprachmodells Lamda sind anscheinend so gut und überzeugend, dass der Google-Entwickler Blake Lemoine ihm 2022 ein Bewusstsein zuschrieb – woraufhin er prompt seinen Job verlor. Google bezeichnet Lemoines Aussagen als „völlig unbegründet“, er habe gegen „Arbeits- und Datensicherheitsvorschriften verstoßen“.

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Laut dem Amerikaner entwickelte Lamda Gefühle, beispielsweise Angst oder Unsicherheit. Nach seiner Aussage konnte er Lamda so verunsichern, dass es gegen die internen Google-Richtlinien verstoßen würde.

Hat Lamda ein Bewusstsein? Diese Frage ist schwer zu beantworten. Denn was genau ist „Bewusstsein“? Aber eines ist klar: Lamda macht nur das, was es gelernt hat. Es simuliert möglichst genau und überzeugend menschliche Gespräche. Dazu gehören neben den SSI-Faktoren auch Stress und Unsicherheit: zwei Gefühle, die in Unterhaltungen eine große Rolle spielen.

Was sind Lamda 2 und Palm?

Lamda 2 ist eine neue, feiner eingestellte Version von Googles Dialog-Sprachmodell. Der Konzern stellte sie im Mai 2022 vor. Zugänglich ist sie nur einem kleinen Kreis von Nutzern auf der Google-App „AI Test Kitchen“.

In der gleichen Zeit stellte Google Palm vor. Palm steht für „Pathways Language Model“. Das ist ein Sprachmodell auf Grundlage von Pathways, eine von Google 2021 vorgestellte KI-Architektur. „Heutige KI-Modelle sind normalerweise darauf trainiert, nur eine Sache zu tun“, sagte Jeff Dean, Chef von Google Research, bei der Einführung. „Pathways wird es uns ermöglichen, ein einziges Modell darauf zu trainieren, Tausende oder Millionen Dinge zu tun.“

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Pathways arbeitet mit „verschiedenen Sinnen“, kann beispielsweise das Wort Leopard, das Bild eines Leoparden oder das Fauchen eines Leoparden erkennen. Genauso wie das menschliche Gehirn nutzt es je nach Aufgabe nur Teile des neuronalen Netzwerks. So soll es schneller werden und weniger Energie verbrauchen. Laut Dean nutzt Pathways „kleine Pfade“ – daher der Name des Modells.

Palm ist mit extrem vielen Parametern (540 Milliarden) ausgestattet. Es wird auf Chips mit der vierfachen Rechenkapazität von Lamda trainiert – und anders als bei Lamda nicht nur auf Dialoge, sondern mit „qualitativ hochwertigen Webdokumenten, Büchern, Wikipedia, Gesprächen und Programmiercode“. Entsprechend gut kann es Software erstellen, Witze verstehen oder Videos erzeugen.

Google gewährt Firmenkunden und Entwicklern seit März 2023 Zugang, die damit „per Sprachbefehl Texte, Bilder, Code, Videos, Audio und mehr erschaffen können“.

Mehr: Wie ChatGPT funktioniert

Erstpublikation: 27.03.2023, 17:27 Uhr (zuletzt aktualisiert: 21.06.2023, 08:00 Uhr).

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