Auf diese vier Fragen kommt es bei der Sitzung am Donnerstag an

Düsseldorf, Frankfurt Christine Lagarde hat sich im Vorfeld schon stark festgelegt – es wäre daher überraschend, wenn die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) und ihre Kollegen im Rat die Zinsen im Euro-Raum am Donnerstag nicht erneut erhöhen. Ein Schritt im Umfang von 25 Basispunkten gilt als ausgemacht.

Investoren dürften darauf achten, welche Signale Lagarde darüber hinaus noch gibt. Zuletzt hat es einige schlechte Nachrichten zur wirtschaftlichen Entwicklung gegeben – was die Entscheidung noch schwerer macht, ob weitere Zinsschritte folgen.

So deuten Stimmungsindikatoren darauf hin, dass die Schwäche der deutschen Wirtschaft länger anhält und sie auch im zweiten Halbjahr schrumpfen könnte. Auch die jüngste Umfrage der EZB zu den Finanzierungsbedingungen der Banken zeigt, dass sich die höheren Zinsen immer stärker niederschlagen und die Wirtschaft bremsen.

Zudem wird sich Lagarde zur Inflation äußern. Zuletzt hat sie gewarnt, dass diese trotz des Rückgangs in den vergangenen Monaten hartnäckig bleibe. Das Handelsblatt fasst zusammen, worauf es am Donnerstag ankommt:

1. Erhöht die EZB die Zinsen erneut?

Alles deutet auf eine weitere Zinserhöhung um 25 Basispunkte hin – es wäre die neunte in Folge. Der Leitzins würde auf 4,25 Prozent steigen und der Einlagenzins, den Banken für überschüssiges Kapital erhalten, das sie bei der Notenbank anlegen, auf 3,75 Prozent.

Nadia Gharbi, Ökonomin des Schweizer Vermögensverwalters Pictet, hält einen solchen Schritt für „so gut wie sicher“. Bereits bei der vergangenen Ratssitzung im Juni bezeichnete Lagarde eine Zinserhöhung im Juli als „höchstwahrscheinlich“, sofern sich die Ausgangssituation nicht wesentlich ändern würde. Die Notenbankchefs im Euro-Raum sind dieser kommunikativen Linie zuletzt gefolgt.

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Eigentlich hatte die EZB das Instrument der „Forward Guidance“, also die Ankündigung künftiger Schritte zur Steuerung der Zinserwartungen, für beendet erklärt. Dennoch hat Notenbankchefin Lagarde sehr deutliche Signale im Vorfeld gegeben. Stefan Gerlach, Chefvolkswirt der Schweizer EFG-Bank und früherer Vizechef der irischen Notenbank, hält dies für einen Fehler. „Man schränkt den eigenen Handlungsspielraum unnötig ein“, kritisiert er.

2. Welche Signale gibt die EZB über den künftigen Kurs?

Offener als die Zinserhöhung im Juli ist die Frage, ob die EZB im September oder darüber hinaus weitere Schritte vornimmt. Investoren werden darauf achten, ob sich aus den Worten Lagardes Signale für den weiteren Kurs ergeben.

Vor einigen Wochen schien die Wahrscheinlichkeit für weitere Anhebungen noch hoch. Doch die Situation hat sich geändert. Selbst Notenbankchefs, die als überzeugte Falken gelten – so werden Währungshüter genannt, die eine strikte Geldpolitik befürworten –, äußerten sich zuletzt auffallend zurückhaltend.

Der Niederländer Klaas Knot etwa erklärte jüngst, ein Zinsschritt im September sei „höchstens eine Möglichkeit, keineswegs aber eine Gewissheit“. Man müsse stärker auf das Risiko einer zu starken Straffung achten. Bundesbank-Chef Joachim Nagel betonte, man müsse „abwarten, was die Daten über den September“ sagen. Nahezu deckungsgleich äußerte sich auch der Österreicher Robert Holzmann.

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Bei den vergangenen Sitzungen hat Lagarde stets betont, die EZB lasse sich von den Daten leiten. Daran dürfte die Französin anknüpfen. Die Experten von Goldman Sachs gehen deshalb nicht davon aus, dass sich Lagarde etwas entlocken lässt.

Auch Dirk Schumacher, Ökonom der französischen Investmentbank Natixis, erwartet einen „neutralen Ton“ hinsichtlich der September-Sitzung, der Lagarde alle Optionen offenhalte. Dazu zählt auch, dass auf eine Zinspause möglicherweise eine Anhebung im weiteren Jahresverlauf folgt, ähnlich wie es die US-Notenbank Fed zuletzt vollzogen hat.

Gerlach erwartet, dass es innerhalb des Rates künftig stärkere Differenzen bezüglich weiterer Erhöhungen gibt. „Je näher der Zinshöhepunkt rückt, desto kontroverser wird die Debatte“, sagt er. „Gerade in einer solchen Situation ist es falsch, Entscheidungen im Voraus anzukündigen.“

3. Wie schätzt Lagarde die Inflation ein?

Die wichtigsten Daten sind die zur Inflationsentwicklung. Bis zur September-Sitzung folgen zwei Veröffentlichungen hierzu, ebenso neue Daten zum Wachstum im zweiten Quartal sowie neue Einkaufsmanagerindizes. Erst nach diesen Veröffentlichungen dürfte sich ein klareres Bild ergeben.

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Im Juni ist die Inflation im Euro-Raum auf 5,5 Prozent gefallen. Das ist noch immer klar über dem Stabilitätsziel der EZB von zwei Prozent, liegt aber deutlich unter dem Niveau von 10,6 Prozent, das im Oktober 2022 erreicht wurde. Bislang hat Lagarde jegliche Form von Entwarnung vermieden und betont, dass die Inflation nach wie vor sehr hartnäckig sei.

Ein Indikator hierfür ist die um Energie und Lebensmittel bereinigte Kerninflation. Sie gilt als guter Anhaltspunkt für den mittelfristigen Preistrend und stieg zuletzt wieder leicht auf 5,5 Prozent. Sollte sich Lagarde optimistischer zum Rückgang der Inflation äußern, könnte das die Spekulationen auf ein Ende der Zinserhöhungen anheizen.

4. Was sagt die EZB-Präsidentin zu den schlechten Wirtschaftsdaten?

Seit der Juni-Sitzung sind die Konjunkturdaten deutlich schwächer ausgefallen als erwartet. So sind die Einkaufsmanagerindizes für die Privatwirtschaft in Deutschland und der Euro-Zone im Juli kräftig gesunken und liegen jeweils unter der Schwelle, die Wachstum signalisiert.

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In Deutschland fiel außerdem der Ifo-Index für das Geschäftsklima zum dritten Mal in Folge. Dies gilt unter Fachleuten als Signal für eine negative Trendwende. Laut Ifo-Präsident Clemens Fuest hat sich die Lage der deutschen Wirtschaft „verdüstert“.

Auch die am Dienstag veröffentlichte EZB-Umfrage zur Kreditvergabe im Euro-Raum zeigte einen deutlichen Rückgang der Nachfrage nach Unternehmensdarlehen im zweiten Quartal. Sie fiel auf den niedrigsten Stand seit Beginn der turnusmäßigen Umfrage im Jahr 2003.

Einige Experten warnen bereits vor einer schweren Rezession, etwa der frühere EZB-Vizechef Vitor Constancio. Interessant wird daher auch, wie Lagarde die konjunkturelle Lage einschätzt.

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