Arme Menschen fast ein Sechstel stärker betroffen als Reiche

Frau im Supermarkt

Besonders die gestiegenen Preise für Nahrungsmittel belasten arme Haushalte.

(Foto: IMAGO/photothek)

Berlin Alleinlebende mit geringem Einkommen sind besonders stark von Preiserhöhungen betroffen. Das zeigen neue Berechnungen des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK).

Ein Single mit monatlichem Nettoeinkommen von weniger als 900 Euro wurde demnach im Juli mehr als ein Sechstel stärker von der Inflation getroffen als ein Alleinlebender mit mehr als 5000 Euro Gehalt.

Generell nimmt der Teuerungsschub in Deutschland ab, allerdings äußerst langsam. Im Juli lag die Inflationsrate bei 6,2 Prozent. Im Juni waren es noch 6,4 Prozent. Diese Zahlen zeigen allerdings den Vergleich mit dem Vorjahresmonat.

Schaut man sich die direkten Preisveränderungen an, haben sich diese weiter gesteigert: Im Vergleich zum Juni waren die Preise im Juli 0,3 Prozent höher.

Immerhin: Die herkömmliche Inflationsrate, also der Vorjahresvergleich, fiel im vergangenen Monat für alle Haushaltstypen niedriger aus als im Juni. Auch der Abstand zwischen der am stärksten und der am wenigsten belasteten Bevölkerungsgruppe hat sich verkleinert.

Lebensmittelpreise und Energiekosten belasten besonders stark

Die Inflationsrate für arme Singles lag im Juli bei 6,5 Prozent, für alleinlebende Reiche bei 5,5 Prozent. Die Differenz beträgt also einen Prozentpunkt. Im Juni lag sie noch bei 1,3 Punkten. Auf dem Höhepunkt im Oktober 2022 lag die Differenz noch mit 3,1 Prozentpunkten mehr als dreimal so hoch wie jetzt.

Ärmere Haushalte sind stärker durch die Inflation belastet, weil sie einen größeren Teil ihres Budgets für Nahrungsmittel und Energie ausgeben. Bei diesen Gütern handelt es sich um die stärksten Preistreiber.

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Allerdings hat die Preisdynamik bei Nahrung und Energie in den vergangenen Monaten nachgelassen. Die Kosten für Pauschalreisen, Gaststätten oder Versicherungen haben sich hingegen deutlich gesteigert. Solche Ausgaben fallen bei Haushalten mit mittleren und höheren Einkommen stärker ins Gewicht.

Geringere Spritpreise entlasten Familien

Erstmals seit Beginn der Untersuchung lagen im Juli auch Familien mit niedrigen Einkommen bei der Inflation geringfügig unter dem Durchschnitt aller Haushalte – mit 6,1 Prozent. Dabei hatten zwischen Februar 2022 und Februar 2023 diese Familien durchgehend die höchste Inflationsbelastung getragen.

„Dass die ärmeren Familien nun nicht mehr hervorstechen, beruht auf rückläufigen Kraftstoffpreisen“, erklären die IMK-Ökonomen Sebastian Dullien und Silke Tober, die die Berechnungen durchgeführt haben. Die Spritkosten schlagen sich in den Ausgaben von Familien überdurchschnittlich stark nieder. Arme Alleinstehende besitzen hingegen selten ein Auto, weshalb ihre Inflationsrate davon weniger beeinflusst wird.

Trotz des nachlassenden Drucks bei den Preisen für Energie und Lebensmittel spielen diese Kostenfaktoren für Haushalte mit niedrigeren Einkommen weiterhin eine besonders große Rolle.

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Bei ärmeren Alleinlebenden trugen sie im Juli 3,8 Prozentpunkte zur eigenen Inflationsrate von 6,5 Prozent bei. Bei Familien mit zwei Kindern und niedrigeren Einkommen summierten sie sich auf 3,5 Prozentpunkte, bei Familien mit mittleren Einkommen immerhin noch auf 2,7 Prozentpunkte.

Bei Alleinlebenden mit sehr hohen Einkommen trugen Nahrungsmittel und Energie hingegen lediglich 1,5 Prozentpunkte bei. „Das Problem wird vor allem für Haushalte mit niedrigen Einkommen dadurch verschärft, dass die Alltagsgüter, die sie vor allem kaufen, kaum zu ersetzen sind und viele nur geringe finanzielle Rücklagen haben“, erklären Dullien und Tober.

IMK erwartet stärkeren Rückgang der Inflationsrate

Für die kommenden Monate erwarten die Experten einen stärkeren Rückgang der Inflationsrate, vor allem ab September, wenn Sondereffekte durch den Tankrabatt oder das Neun-Euro-Ticket wegfallen, die zwischen Juni und August 2022 die Preise dämpften.

Die Fachleute des IMK rechnen auch mit einer spürbar sinkenden Kerninflation, also bei der Teuerung ohne die besonders schwankungsanfälligen Positionen Lebensmittel und Energie. Im Juli lag sie bei 5,5 Prozent.

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