Anleger sehen Kursrutsch als Kaufchance

Bulle und Bär

Laut Sentimenttheorie ist die Anlegerstimmung ein Kontraindikator für die weitere Entwicklung an den Märkten.

(Foto: dpa)

Düsseldorf Binnen einer Woche hat sich die Richtung am deutschen Aktienmarkt komplett gedreht: Am vergangenen Montag erreichte der Leitindex Dax noch ein Rekordhoch von 16.529 Punkten, am Freitag fiel er dann zwischenzeitlich unter die Marke von 15.800 Punkten. Doch Stephan Heibel vom Analysehaus AnimusX sieht keinen Grund zur Panik: „Fallende Kurse sind Kaufkurse.“

Heibel beruft sich dabei auf die Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment. Er wertet die wöchentliche Befragung unter mehr als 8000 Privatanlegerinnen und -anlegern aus und ergänzt sie um weitere Indikatoren.

Demnach sollten Anleger keine Angst vor den klassischerweise schwachen Börsenmonaten August und September haben: „Mag sein, dass sich der August seinem historischen Muster entsprechend weiterhin schwach präsentiert. Doch es gibt eine Reihe von stabilisierenden Faktoren, die einen nachhaltigen Trendwechsel hin zu einer Baisse verhindern sollten.“

Auslöser für den Rücksetzer von maximal 4,5 Prozent war, dass die Ratingagentur Fitch die Kreditwürdigkeit der USA senkte. Das sorgte für Verunsicherung am Markt und war nach den starken Gewinnen der vergangenen Monate ein willkommener Anlass für Gewinnmitnahmen. Verstärkt wurden diese durch gute Arbeitsmarktdaten in Deutschland und in den USA. Sie sorgen für anhaltende Skepsis darüber, ob es den Notenbanken gelingen wird, die Inflation einzufangen.

Der Kursrutsch ließ auch die kurzfristige Stimmung am Aktienmarkt (Sentiment) einbrechen: Von plus 3,0 Punkten in der Vorwoche ging es auf minus 2,6 Punkte abwärts. „Ein heftiger Stimmungsumschwung“, kommentiert Heibel. „Von deren gab es jedoch bereits vier allein in den vergangenen drei Monaten. Heftige Stimmungsumschwünge sind häufig Vorboten einer Richtungsentscheidung.“

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Das sorgt unter den Befragten für Verunsicherung: Die Selbstzufriedenheit ist auf minus 3,6 Prozent gefallen. „Weder steigende noch fallende Kurse passen offensichtlich in das Bild der Anleger“, stellt Heibel fest. Denn auch in der Vorwoche waren die Anleger unzufrieden, obwohl der Dax auf ein Wochenplus von 2,3 Prozent zurückblickte.

Die schlechte Stimmung und die Verunsicherung gelten aber jeweils nur kurzfristig. „Der Kursrutsch an den Aktienmärkten hat insbesondere hierzulande zu einem heftigen Stimmungsumschwung geführt“, sagt Heibel dazu. „Es hat den Anschein, als würden die Kursverluste der abgelaufenen Woche als Basis für eine neue Richtung an den Aktienmärkten gewertet. Nach mehreren Monaten der Seitwärtsbewegung mit leicht ansteigender Tendenz erwarten Anleger nun einen stärkeren Impuls.“

Mittelfristig sind die Anleger nun optimistisch. Die Zukunftserwartung zeigt mit 2,8 Prozent einen deutlichen Überhang von Optimisten (Bullen) unter den Abstimmungsteilnehmern an.

In der Vorwoche lag der Wert noch bei minus 0,8, damals waren also noch die Pessimisten (Bären) in der Überzahl.

Flankiert wird der große Optimismus mit einer ordentlichen Investitionsbereitschaft von plus 2,4 Punkten. „Noch in der Vorwoche haben wir mit minus 1,6 Punkten die niedrigste Investitionsbereitschaft seit vier Jahren verzeichnet“, erinnert Heibel.

Unter den Umfrageteilnehmern wachsen aber nicht nur Zuversicht und Kaufbereitschaft, gleichzeitig sichern sie sich auch gegen Kursverluste ab. Das reduziert das Abwärtspotenzial beim Dax.

Das Euwax-Sentiment der Börse Stuttgart, an der Privatanleger handeln, ist auf minus sechs abgesackt. Das bedeutet, dass sie verstärkt Put-Optionen kaufen, die bei fallenden Kursen im Wert steigen. Auch unter den Profis herrscht ein großes Sicherheitsbedürfnis. Das Put-Call-Verhältnis an der europäischen Terminbörse Eurex, über die sich institutionelle Investoren absichern, ist auf 3,4 angestiegen und zeigt damit ebenfalls eine große Nachfrage nach Put-Absicherungen.

Das spannt eine Art Sicherheitsnetz für den Dax: Denn wenn ein Anleger ein Put-Produkt auf den Dax kauft, muss vereinfacht gesagt die Bank im Hintergrund den Dax verkaufen. Beim Verkauf des Derivats muss die Bank den Dax wieder zurückkaufen.

Fallen also die Börsen und lösen viele Anleger ihre Absicherungen ein, stabilisiert das die Kurse. Dieser Effekt war bereits in der vergangenen Woche zu sehen, als sich der Dax jeweils auf dem Niveau von 15.800 Punkten stabilisierte. In Kombination mit der wachsenden Kaufbereitschaft und langfristigem Optimismus ist das eine konstruktive Ausgangslage.

Allerdings warnt Heibel: Aktuell ist der Optimismus so groß wie zuletzt im März 2022, nachdem der Dax aufgrund des Einmarschs Russlands in die Ukraine eingebrochen war. Viele Anleger interpretierten das damals als Kaufgelegenheit – zu Unrecht, wie Heibel erinnert: „Der Optimismus stellte sich als verfrüht heraus, die Baisse dauerte bis Oktober.“

Stimmung in den USA

In den USA bleiben Anleger überwiegend optimistisch, stellt Heibel fest: „Sie begrüßen die Kurssteigerungen und nehmen höchstens ein paar Gewinne mit. Der Kurseinbruch von minus 2,3 Prozent im S&P 500 wird in den USA als normaler Stolperstein auf dem Weg nach oben interpretiert.“

Das Put-Call-Verhältnis an der größten Terminböse CBOE ist weiter gesunken. Es zeigt damit ein starkes Interesse an Call-Optionen an, die bei steigenden Kursen im Wert steigen. „Allerdings ist die Investitionsquote der US-Fondsmanager von 102 Prozent in der Vorwoche auf nun mehr nur noch 78 Prozent gesunken. Fondsmanager werden offensichtlich vorsichtig“, sagt Heibel.

Unter Privatanlegern hält sich allerdings der Optimismus. 49 Prozent von ihnen sind bullish, nur 21 Prozent bearish. Damit bleibt die Stimmung in den USA anfälliger als in Deutschland, warnt Heibel, auf der anderen Seite zeige sich die US-Wirtschaft auch deutlich stabiler als in Europa: „Überhitzungszeichen sind in den USA nicht zu erkennen, daher gibt es nach wie vor keinen Grund zu übermäßig großer Sorge.“

Sie wollen an der Umfrage teilnehmen? Dann lassen Sie sich automatisch über den Start der Sentimentumfrage informieren und melden Sie sich für den Dax-Sentiment-Newsletter an. Die Umfrage startet jeden Freitagmorgen und endet Sonntagmittag.

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