1&1 bekommt „National Roaming“ vom Konkurrenten Vodafone

Düsseldorf Ralph Dommermuth ist in der Telekommunikationsbranche als gewiefter Verhandler bekannt. Am Mittwoch machte er mal wieder klar, warum: Laut einer Ad-hoc-Mitteilung hat sein Unternehmen 1&1 mit dem Konkurrenten Vodafone einen „exklusiven“ Vertrag geschlossen. Inhalt sei eine „National Roaming Partnerschaft“ über bis zu 18 Jahre.

Konkret rücken die Unternehmen in der Folge eng zusammen: Dommermuths knapp zwölf Millionen Kunden dürfen spätestens ab 1. Oktober kommenden Jahres neben der 1&1-Infrastruktur zusätzlich das gesamte Mobilfunknetz Vodafones benutzen – also 2G, 4G (LTE) und die derzeit schnellsten 5G-Verbindungen. Diese werden für Kunden, die sich für einen Mobilfunkvertrag interessieren, immer wichtiger. Die Anbieter können deshalb für 5G-Zugänge höhere Preise verlangen.

1&1 zahlt Vodafone für den Zugang einen Festpreis je Prozentpunkt der Netzleistung, die es in Anspruch genommen hat. Diese Preise werden jedes Jahr neu festgesetzt. Bislang setzte 1&1, das selbst nur über ein sehr dünnes Handynetz verfügt, auf eine Roaming-Vereinbarung mit Telefónica Deutschland (O2). Sie war im Zuge von Zwangsmaßnahmen der EU-Kommission entstanden und entsprechend verbissen verhandelt worden.

Dommermuth hatte sich im Interview mit dem Handelsblatt bereits im Mai darüber beschwert, dass die Konditionen nicht mehr zeitgemäß seien. Während 1&1 sein eigenes 5G-Netz aufbaut, ist es zwingend auf Roaming angewiesen, damit die eigenen Kunden auch in noch nicht versorgten Regionen surfen und telefonieren können.

Da das noch für nahezu das gesamte Land gilt, ist der Vertrag mit Vodafone für Dommermuth wichtig. Denn moderne 5G-Verbindungen waren in seiner bisherigen Vereinbarung mit Telefónica explizit ausgeschlossen.

Der Aufbau eines eigenen 5G-Netzes bei 1&1 stockt nach wie vor. Erst rund 40 aktivierte 5G-Standorte zählt das Unternehmen derzeit. 1000 hätten es aber bereits bis Ende 2022 sein müssen, um die Ausbauauflagen der Bundesnetzagentur fristgerecht zu erfüllen.

Funkloch

40

5G-Standorte

hat 1&1 bislang aktiviert. Eigentlich hätten es Ende 2022 bereits 1000 sein müssen.

Ob der Anbieter die im Frühjahr angekündigten 1200 Standorte bis Ende 2023 schaffen wird, ist mindestens fraglich. Dommermuth sagte im Gespräch vor wenigen Monaten, dass der Hochlauf in der zweiten Jahreshälfte erst so richtig an Fahrt aufnehmen werde – also jetzt.

Der Netzausbau-Disput zwischen Vodafone und 1&1 bleibt bestehen

Dank des Vodafone-Vertrags sinkt nun zumindest der geschäftliche Ausbaudruck. 1&1 muss nicht mehr fürchten, dass Kunden echtes 5G künftig bei der Konkurrenz suchen. Die Ausbauauflagen der Bundesnetzagentur, die bereits ein Bußgeldverfahren gegen 1&1 eingeleitet hat, bleiben allerdings bestehen.

Neben 1&1 geht auch Vodafone aus dem Deal als Gewinner hervor. Der Konzern ist in schlechter Verfassung, verliert Kunden und Führungskräfte. Die neue Chefin Margherita della Valle bemüht sich, den Trend zu drehen. Dommermuths Kunden dürften ihr in Deutschland – Vodafones wichtigstem Markt – dank zusätzlicher Umsätze Aufwind verschaffen.

Della Valles Deutschland-Statthalter Philippe Rogge freute sich bereits, seine „Netze noch besser auslasten“ zu können „und sie für unsere Kunden weiter zu verbessern“. Zunächst muss er jedoch die Netzkapazität erhöhen. Deshalb rechnet man in der Düsseldorfer Zentrale erst ab 2026 mit zusätzlichen Gewinnen.

Die Eintracht zwischen den Führungsetagen in Düsseldorf und Montabaur bleibt zudem begrenzt: Der schwelende Konflikt zwischen 1&1 auf der einen und Vodafone mit seiner Funkturm-Tochter Vantage Towers auf der anderen bleibe von der Roaming-Einigung unberührt, hieß es. Dommermuth wirft ihnen vor, maßgeblich für den Ausbaurückstand seines 5G-Netzes verantwortlich zu sein. 1&1 legte gar Beschwerde beim Bundeskartellamt ein.

Für Telefónica Deutschland, wo man zu Partner Dommermuth eine Art Hassliebe pflegt, ist der neue Vertrag eine schlechte Nachricht. Die Aktie verlor am Mittwoch zeitweise mehr als 17 Prozent. Der Konzern soll mit 1&1 ebenfalls über 5G-Roaming verhandelt haben.

Ab Herbst kommenden Jahres verliert Chef Markus Haas nun Monat für Monat Zehntausende Kunden, die 1&1 in mehreren Etappen zu Vodafone überführen wird. Spätestens Ende 2025 wird der Umzug abgeschlossen sein. Telefónica beziffert öffentlich nicht, wie hoch der Umsatzanteil ist, der mit dem 1&1-Roaming generiert wird.

Analysten rechneten in der Vergangenheit mit einem Effekt in Höhe von mindestens 600 Millionen Euro. Telefónica teilte am Mittwochnachmittag mit, dass man für das laufende Geschäftsjahr an Prognosen wie Mindestdividende festhalten werde.

Mehr: Telekomkonzerne scheitern oft mit Innovationen – das könnte sich jetzt ändern

source site-13