Offenbach/Hamburg Umgestürzte Bäume, lose Dachziegel, abgesagte Flüge und verspätete Züge: Orkan „Ylenia“ hat vor allem den Norden und Osten Deutschlands getroffen. Die Feuerwehren und Polizeileitstellen berichteten am frühen Donnerstagmorgen von zahlreichen Einsätzen, größere Schäden blieben vorerst aber aus.
Zuvor hatte der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Offenbach für Mittwochabend bis Donnerstagabend Unwetterwarnungen hauptsächlich für die nördliche Hälfte des Landes herausgegeben. Der Wetterdienst warnt zudem vor einer erneuten stürmischen Nacht von Freitag auf Samstag durch das Orkantief „Zeynep“: An den Küsten werden Orkanböen mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 135 Stundenkilometern erwartet.
Orkan Ylenia – Die Entwicklungen im Überblick:
- Der Fernverkehr der Deutschen Bahn ist stark eingeschränkt. In den nördlichen Bundesländern fällt bis Donnerstagmittag der Fernverkehr aus.
- Auch Autofahrer müssen wegen Aufräumarbeiten auf den Straßen mit Einschränkungen rechnen.
- Die Lufthansa hat 20 Flüge gestrichen.
- In Berlin hat die Feuerwehr wegen des Sturms zum zweiten Mal den Ausnahmezustand ausgerufen.
- In Hamburg wurde am Morgen der Fischmarkt erneut überflutet, an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste gab es an einigen Orten Sturmfluten.
- Kinder und Jugendlichen müssen in Nordrhein-Westfalen am Donnerstag nicht in die Schule.
- Mehrere Regionen hatten in der Nacht mit Stromausfällen zu kämpfen.
- Der Sturm forderte ein Todesopfer. Bei Bad Bevensen wurde ein Autofahrer am Donnerstagmorgen von einem Baum erschlagen.
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Bahnverkehr bleibt wegen Sturm Ylenia eingeschränkt
Die Deutsche Bahn hat wegen des Sturms den Fernverkehr in mehreren Bundesländern eingestellt. Der Zugverkehr sei in weiten Teilen Deutschlands stark eingeschränkt, sagte ein Bahn-Sprecher am Donnerstagmorgen.
„In der Nordhälfte verkehren bis in die Mittagsstunden keine Züge im Fernverkehr.“ Das betrifft Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Brandenburg.
Auch im Regionalverkehr komme es zu Zugausfällen und Verspätungen. In Niedersachsen sei aufgrund der Sturmschäden südlich von Hamburg kein Zugverkehr möglich. Wegen des noch andauernden Sturms ist mit weiteren Störungen auch im Süden des Landes zu rechnen.
Die Deutsche Bahn arbeitet daran, Störungen zu beseitigen. Bahnreisenden steht für Informationen die kostenlose Hotline unter 08000 99 66 33 zur Verfügung. Alle gebuchten Fernverkehrstickets für Reisen bis Samstag können nach Unternehmens-Angaben kostenlos storniert oder bis eine Woche nach Ende der Störungen flexibel genutzt werden.
Auch der Fährverkehr in Hamburg ist von dem Sturm betroffen. Journalist Sebastian Peters berichtet auf Twitter: „Sturm in Hamburg! Während Wellengang auf der Elbe zerschlägt eine Welle plötzlich die Scheiben der Hafenfähre.“
Ersten Informationen zufolge wurde niemand verletzt.
Orkan Ylenia: Hochwasser niedriger als erwartet
Die Hochwasserstände an der niedersächsischen Nordseeküste blieben zum Teil niedriger als erwartet. Anders als für Schleswig-Holstein und Hamburg hatte das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) hier auch nicht vor einer Sturmflut gewarnt. Allerdings bleibt die Elbe derzeit für große Schiffe gesperrt.
Es wurde allerdings mit Pegelständen etwa 1 Meter höher als das mittlere Hochwasser (MHW) gerechnet. Auf Borkum lagen die Wasserstände nach Angaben eines BSH-Sprechers mit etwa 84 Zentimeter über dem mittleren Hochwasser darunter. Auf Norderney stieg das Wasser demnach auf 1,01 Meter über MWH. In Emden wurden Werte von 1,15 Metern erreicht und in Wilhelmshaven von 1,09.
Der Hamburger Fischmarkt wurde am frühen Donnerstagmorgen erneut überflutet. „Am Pegel St. Pauli wurde gegen 5 Uhr ein Wert von 1,98 Meter über dem mittleren Hochwasser (MHW) gemessen“, sagte ein Sprecher des Sturmflutwarndienstes des BSH in Hamburg.
Ylenia verursacht Sturmflut an der Nordseeküste
An der Nordseeküste spricht das BSH ab 1,5 Meter über MHW von einer Sturmflut. Von einer schweren oder sehr schweren Sturmflut wird erst ab Werten von 2,5 beziehungsweise 3,5 Meter gesprochen.
An der schleswig-holsteinischen Nordseeküste gab es in einigen Orten eine Sturmflut – in Husum etwa wurde ein Pegelstand von 1,64 Meter über dem mittleren Hochwasser gemessen. An vielen anderen Pegeln blieben die Wasserstände allerdings unter dem Wert einer Sturmflut.
So fehlten in Dagebüll drei Zentimeter für eine Sturmflut (1,47 Meter über MHW) und auch in Büsum blieb der Wert mit 1,45 Meter knapp unter einer Sturmflut. In Hörnum auf Sylt wurden nur 1,35 Meter über dem mittleren Hochwasser gemessen.
Sturm sorgt für zahlreiche Straßensperrungen
Die Feuerwehr Berlin rief am frühen Donnerstagmorgen wegen des Sturmtiefs „Ylenia“ den Ausnahmezustand aus. Seit 2 Uhr sei ein starker Anstieg an wetterbedingten Einsätzen zu verzeichnen. Mehrere Freiwillige Feuerwehren seien in den Dienst gerufen worden, um die Berufsfeuerwehr zu unterstützen. In Lichterfelde seien beispielsweise drei Bäume auf mehrere parkende Autos gefallen und auch ein Lichtmast sei mitgerissen worden. Meldungen von Verletzten lagen aus Berlin zunächst nicht vor.
Wegen des Sturmtiefs war in der Nacht zu Donnerstag ein etwa 40 Meter hoher Baum umgestürzt und auf die Schienen der Wuppertaler Schwebebahn gefallen. Die Feuerwehr sei mit einem Kran- und einem Leiterwagen im Einsatz gewesen, habe den Baum noch in der Nacht zersägt und weggeräumt, sagte ein Feuerwehrsprecher. Laut dem Bericht sollen Statiker noch prüfen, ob die Schwebebahn am Donnerstag planmäßig an der Stelle fahren kann.
Orkan Ylenia: Polizei und Feuerwehr im Ausnahmezustand
Umgekippte Bäume haben in der Nacht zum Donnerstag zahlreiche Straßen im Harz unpassierbar gemacht. Wie die Polizei mitteilte, versperrten besonders im Oberharz wegen des Sturmtiefs „Ylenia“ umgekippte Bäume die Fahrbahnen und sorgten für viele Polizeieinsätze. Bei Goslar seien am frühen Morgen etwa elf Straßen unbefahrbar gewesen. Betroffen sind etwa die Bundesstraße 4 zwischen Bad Harzburg und Torfhaus sowie die B248 bei Ildehausen.
Die Polizeiinspektion Goslar registrierte von Mittwochabend bis Donnerstagmorgen rund 30 sturmbedingte Einsätze. Die Aufräumarbeiten hätten bereits begonnen und der Verkehr laufe langsam wieder an, sagte eine Sprecherin der Polizei in Braunlage. Menschen seien nicht verletzt worden. Vereinzelt sei es zu Sachschäden an Häusern und Leitplanken gekommen.
Eine Corona-Teststation in Kleve am Niederrhein hielt dem Sturm am Mittwochabend nicht stand. Der Wind zerstörte das Zelt des Drive-in-Testzentrums in Nordrhein-Westfalen, wie die Feuerwehr mitteilte. Verletzt wurde nach Feuerwehrangaben niemand.
Umgekippte Bäume haben in der Nacht zum Donnerstag zahlreiche Straßen im Harz unpassierbar gemacht. Wie die Polizei mitteilte, versperrten besonders im Oberharz wegen des Sturmtiefs „Ylenia“ umgekippte Bäume die Fahrbahnen und sorgten für viele Polizeieinsätze. Bei Goslar seien am frühen Morgen etwa elf Straßen unbefahrbar gewesen. Betroffen sind etwa die Bundesstraße 4 zwischen Bad Harzburg und Torfhaus sowie die B248 bei Ildehausen.
Die Polizeiinspektion Goslar registrierte von Mittwochabend bis Donnerstagmorgen rund 30 sturmbedingte Einsätze. Die Aufräumarbeiten hätten bereits begonnen und der Verkehr laufe langsam wieder an, sagte eine Sprecherin der Polizei in Braunlage. Menschen seien nicht verletzt worden. Vereinzelt sei es zu Sachschäden an Häusern und Leitplanken gekommen.
Sturm Ylenia behindert Bahnverkehr und Flugverkehr
Das Sturmtief beeinträchtigte auch den Bahn- und Flugverkehr. Umgestürzte Bäume behinderten Züge. Das Ausmaß hielt sich aber in der Nacht zunächst in Grenzen. Zwischen Bremen und Hamburg stürzte bei Buchholz ein Baum auf die Gleise. Ein ICE musste deshalb umgeleitet werden, wie ein Bahnsprecher sagte.
In Nordrhein-Westfalen blockierten Bäume nach Unternehmensangaben vereinzelt Nebenstrecken im Raum Dortmund. Vorübergehend war demnach die Verbindung Dortmund-Münster betroffen. Die Deutsche Bahn riet, sich über Verspätungen oder Zugausfälle zu informieren.
Am Flughafen Hamburg fallen am Donnerstag rund ein Dutzend Flüge aus. Betroffen sind Verbindungen von und nach München, Frankfurt, Kopenhagen, Zürich und Istanbul, wie eine Sprecherin des Airports mitteilte. Dies seien Flüge verschiedener Airlines.
Passagiere am Berlin-Brandenburger Flughafen BER brauchten am Donnerstagvormittag ebenfalls Geduld. Wegen starker Windböen war die Flugzeugabfertigung stark eingeschränkt, es kam zu Verspätungen, wie ein Sprecher der Betreibergesellschaft sagte.
Die erste Welle von Starts und Landungen am BER zu Betriebsbeginn am frühen Morgen war den Angaben zufolge noch reibungslos gelaufen. Weil der Sturm danach wieder stärker wurde, durften die Ausleger der Fluggastbrücken des Terminals nicht an die Maschinen herangefahren werden. Teilweise wurde auf mobile Brücken ausgewichen. Wegen starker Böen durften zeitweise auch keine Gepäckklappen geöffnet werden.
Wie groß die Verspätungen waren, blieb zunächst offen. Auch über Flugabsagen gab es noch keine abschließende Information.
Lufthansa streicht Flüge wegen Orkanböen
Die Lufthansa hatte in der Nacht bereits auf Anfrage mitgeteilt, dass sie vorsorglich 20 Flüge gestrichen habe. Am größten deutschen Flughafen in Frankfurt sind nach Betreiberangaben Verbindungen mit Berlin, Hamburg und München betroffen.
Auf dem Brocken im Harz sind in der Nacht in der Spitze Windgeschwindigkeiten von bis zu 156 Stundenkilometern gemessen worden. Der Wert sei kurz nach Mitternacht aufgezeichnet worden, sagte ein Sprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Er wies darauf hin, dass die Zahlen noch vorläufig seien und noch um einige Stundenkilometer korrigiert werden könnten.
Auch in anderen Teilen Deutschlands gab es in exponierten Lagen wie Bergspitzen zum Teil Orkanböen und orkanartige Böen: So wurden nach der Beobachtungstabelle des DWD zwischen 0.30 Uhr und 1.00 Uhr auf dem Feldberg im Schwarzwald Windgeschwindigkeiten von durchschnittlich 87 km/h gemessen, in Spitzen 125 km/h. Schwere Sturmböen gab es beispielsweise am Kap Arkona auf Rügen (77 km/h, 105 Spitze) und am Leuchtturm Kiel (79 km/h, 101 km/h in der Spitze).
So mussten die Rügenbrücke in Stralsund in der Nacht zum Donnerstag gesperrt worden. Kurz nach Mitternacht habe man den Verkehr über die Brücke einstellen müssen, hieß es in einer Meldung des Landesamts für Straßenbau und Verkehr MV. Am Donnerstagmorgen sei auf der Brücke eine Windgeschwindigkeit von noch 85 Stundenkilometer gemessen worden. Erst wenn sich die Wetterlage beruhigt habe, könne die Rügenbrücke wieder geöffnet werden. Zunächst könne man die Insel nur über eine Umleitung über den Rügendamm mit dem Auto erreichen.
Schulen in NRW bleiben wegen Ylenia geschlossen
In Nordrhein-Westfalen sagte Landesschulministerin Yvonne Gebauer (FDP) den Unterricht für Donnerstag ab. Auch in mehreren Regionen Niedersachsens oder etwa Bayerns dürfen Schülerinnen und Schüler am Donnerstag wegen der Wetter-Gefahren zu Hause bleiben.
Ab Donnerstagnachmittag lässt der Wind von Tief „Ylenia“ laut DWD zwar langsam nach. Die Verschnaufpause dürfte jedoch nur kurz sein. Bereits für Freitagmittag wird das nächste Orkantief – „Zeynep“ genannt – von den Britischen Inseln kommend erwartet.
Laut DWD wird wahrscheinlich wieder vor allem die nördliche Hälfte betroffen sein. Doch die Prognosen seien hierbei nicht ganz sicher: „Die Modelle haben da immer noch sehr unterschiedliche Simulationen“, sagte der Pressesprecher und Meteorologe Andreas Friedrich am Mittwoch. Die Wetterlage sei sehr dynamisch.
Autofahrer sollten ihren Wagen besser stehen lassen und auf nicht unbedingt notwendige Fahrten verzichten, so der ADAC in Nordrhein-Westfalen. Es müsse jederzeit mit umgestürzten Bäumen oder herabfallenden Ästen gerechnet werden. Die Deutsche Bahn teilte mit, dass für den Zeitraum Donnerstag/Freitag Kulanzregelungen für die Gültigkeit bereits gekaufter Fernverkehrstickets gelten würden. Möglich seien eine flexiblere Nutzung über mehrere Tage oder kostenfreie Stornierungen.
Zoos, Friedhöfe und Skipisten wegen Sturmtief geschlossen
Zahlreiche Zoos, etwa in Berlin, Wuppertal in Nordrhein-Westfalen und in Magdeburg (Sachsen-Anhalt), sollten am Donnerstag vorsorglich geschlossen bleiben. Hier und dort wurde der Besuch von Friedhöfen untersagt. Auch viele Skigebiete stellten sich auf die Orkantiefs ein. Bereits am Mittwoch stand etwa die Fichtelberg Schwebebahn in Sachsen still. Wegen der Baumbruchgefahr sollen einige Loipen gesperrt werden. In vielen Städten wurden die Wochenmärkte für Donnerstag abgesagt.
Bereits Ende Januar war das Sturmtief „Nadia“ mit gefährlichen Böen über Nord- und Ostdeutschland gefegt und hatte Millionenschäden verursacht. Nach Ansicht des DWD-Meteorologen Andreas Friedrich sind die jetzigen Stürme, was die Windspitzen angeht, mit Tief „Nadia“ vergleichbar. Die aktuelle Lage sei aus seiner Sicht allerdings brisanter, „weil wir eine Kette von Sturmtiefs haben“.
Stromausfälle in mehreren Bundesländern
Das Sturmtief hat für zahlreiche Stromausfälle gesorgt. In Bayern verzeichnete der größte Stromnetzbetreiber, Bayernwerk Netz, 10.000 Betroffene, wie ein Sprecher am Donnerstagmorgen sagte. In Nordrhein-Westfalen fiel für etwa 54 000 Haushalte in der Nacht zu Donnerstag der Strom aus, wie der Betreiber Westnetz auf Twitter mitteilte.
Auch in Westmecklenburg und Nordbrandenburg waren Regionen von Problem bei der Stromversorgung betroffen. In der Nacht zum Donnerstag seien dort bis zu 19.000 Haushalte ohne Strom gewesen, hieß es. Wie der regionale Stromversorger Wemag (Schwerin) weiter mitteilte, kam es im gesamten Netzgebiet zu Störungen an Leitungen.
Die Reparaturarbeiten hätten schon in der Nacht begonnen. Am Morgen seien noch etwa 2000 Kunden von den Störungen betroffen gewesen. Der größte Teil der Schäden sei durch herabfallende Äste oder entwurzelte Bäume verursacht worden.