„Kein Auftraggeber surft hierzulande auf so viel Geld wie Elon Musk“

Düsseldorf Der Umsatz des Systembau-Spezialisten Goldbeck stieg im Geschäftsjahr 2020/21 (bis Ende März) um 17 Prozent auf den neuen Rekordwert. Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurden die Brüder, als bekannt wurde, dass sie einen großen Teil der Tesla-Fabrik in Brandenburg gebaut haben. Die Brüder führen seit 2011 gemeinsam das Firma in Bielefeld.

Es war mit 100 bis 200 Millionen Euro nicht der größte, aber der schnellste Großauftrag der Firmengeschichte, wie die Unternehmer im Gespräch mit dem Handelsblatt erklären. Mit 4,1 Milliarden Euro Umsatz spielt das Familienunternehmen, das in zweiter Generation von den Brüdern Jan-Hendrik und Jörg-Uwe geführt wird, in derselben Liga wie der Hausgerätehersteller Miele und der Oetker-Konzern.

Im Interview erklären die Brüder, warum sie eine Vermögensteuer besonders hart treffen würde: „Mit der aktuellen Zinspolitik würde die Vermögensteuer auf den Immobilienmarkt durchschlagen, mit allen Folgen für unsere Branche.“ Persönlich aber, so sagt Jan-Hendrik Goldbeck, hätte er kein Problem damit, mehr Steuern zu zahlen. Ende vergangener Woche hatten sich mehrere Vermögende mit der Initiative #taxmenow zu Wort gemeldet.

Lesen Sie hier das komplette Interview:

Sie haben einen großen Teil der Giga-Factory von Tesla gebaut, mit Elon Musk mehrfach telefoniert, ihn zweimal persönlich getroffen. Wie haben Sie ihn erlebt?
Jan-Hendrik: Elon Musk war immer sehr stark der Sache zugewandt, es ging immer um Fokus und Tempo. Small Talk war da ausgespart. Das ist herausfordernd, hat aber zu einem guten Resultat geführt. Es ist imponierend, wie konsequent er seine Visionen in die Tat umsetzt. Als Familienunternehmer gehen wir etwas anderen an die Dinge heran. Wir sind auf Menschen fokussiert, auf ein langjähriges Vertrauensverhältnis mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Jörg-Uwe: Und die hat es mit Stolz erfüllt, an einem Projekt von nationalem Interesse zu arbeiten. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich sehr ins Zeug gelegt.

Top-Jobs des Tages

Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.

Und was haben Sie für künftige Projekte mitgenommen?
Jan-Hendrik: Das Projekt zeigt, dass wir mit den richtigen Teams und den richtigen Partnerunternehmen Ergebnisse erzielen können, von denen immer behauptet wird, das gehe so nicht.
Jörg-Uwe: Jan-Hendrik hat sehr für das Projekt gekämpft. Ich habe geschaut, ob es am Ende Sinn ergibt und wir es auch leisten können. Wir haben bewiesen: wir können! Letztlich waren wir sogar 14 Tage vor dem vereinbarten Termin fertig.

Vita Jörg-Uwe und Jan-Hendrik Goldbeck

Warum klappte in Grünheide, was sonst nicht klappt?
Jan-Hendrik: Man muss wissen, was man will. Der Auftraggeber und die Menschen dahinter waren bereit, Verantwortung in allen Phasen zu übernehmen. Bauen heißt immer konsequent entscheiden. Das ist bei anderen Bauvorhaben ganz anders. Davon können wir hierzulande lernen, und das brauchen wir auch als Bauunternehmen.

„Dann hat man im Grunde eine veraltete Fabrik.“

Brauchen wir hierzulande mehr zupackende Auftraggeber?
Jan-Hendrik: Der Auftrag kam viel schneller als sonst. Solche Prozesse von der Idee bis zur Fertigstellung dauern hierzulande mit allen Genehmigungen sechs bis sieben Jahre. Aber dann hat man eine im Grunde veraltete Fabrik.

Diese Prozesse rund um den Bau von Produktionsstätten müssen also schneller werden?
Jan-Hendrik: Ja, aber hierzulande surft kein Auftraggeber auf so viel Geld. Wir müssen künftig Schnelligkeit mit Pragmatismus und Gründlichkeit verbinden.
Jörg-Uwe: Um unser Geschäft zu verstehen, muss man vielleicht noch einmal auf den Unterschied zwischen Bauvorhaben und anderen Produkten eingehen. Bei Autos zum Beispiel vertraut der Kunde auf das Endprodukt. Statt einen Karosseriebauer, einen Motorenhersteller und einen Glaser zu engagieren, gibt er die Verantwortung an den Hersteller und vertraut darauf, ein fahrtüchtiges Fahrzeug nach seinen Vorstellungen zu bekommen. Bei Bauvorhaben ist das anders. Viele Auftraggeber schreiben immer noch gewerkeweise aus. Die Architekten planen, ein Bauunternehmen liefert die Hülle, viele Nachunternehmen verantworten den Innenausbau. Da ist ein Umdenken erforderlich. Auch beim Bau muss gelten: Wir liefern ein fertiges Produkt.

Das ist doch genau Ihr Geschäftsmodell.
Jörg-Uwe: Ja, aber auch wir müssen uns immer weiterentwickeln. Die Kunden wollen Innovation, aber diese muss eben auch funktionieren, sie sollte gründlich erprobt sein. Bei uns ist das zum Beispiel die Gebäudeklimatisierung, da haben wir Erfahrungen aus hunderten von Projekten. Die Bremse beim Auto soll ja auch getestet sein.
Jan-Hendrik: Wir haben ein Baukastensystem, das den Freiraum bietet, an verschiedenen Stellen sehr individuell zu agieren. Das Unsichtbare muss systemisch sein, das Sichtbare individuell. Das ist ein evolutorischer Prozess.

Haben sich die Machtverhältnisse zwischen Architekten und Goldbeck geändert?
Jörg-Uwe: Viele Architekten haben inzwischen erkannt, dass man bestimmte technische Details nicht jedes Mal neu erfinden muss und dass man auf unsere Erfahrungen aufbauen kann. Mit solchen Architekten arbeiten wir gern zusammen.

„Der Ressourceneinsatz steigt unterproportional mit der Größe.“

Sie haben im vergangenen Geschäftsjahr 17 Prozent mehr umgesetzt mit weniger also größeren Projekten, richtig?
Jörg-Uwe: Das stimmt, im letzten Jahr war das so.
Jan-Hendrik: Es gibt da zwei Dinge zu beachten. Der Ressourceneinsatz steigt unterproportional mit der Größe – das ist insbesondere im Sinne der Nachhaltigkeit positiv. Der Mittelstand bleibt für uns aber eine wichtige Kundengruppe. Hier liegen unsere Wurzeln, und die möchten wir beibehalten.

Das laufende Geschäft hat bereits ein Auftragsvolumen von 3,4 Milliarden, wo stehen Sie am Ende des Geschäftsjahres?
Jan-Hendrik: Wir rechnen damit, dass wir das Geschäftsjahr 2021/22 mit einem Auftragseingang von etwa 4,6 Milliarden Euro abschließen. Das ist in Anbetracht der aktuellen Rahmenbedingungen eine sehr gute Ausgangslage. Eine Herausforderung werden für uns die steigenden Einkaufspreise und der daraus resultierende Margendruck.

Viele haben Probleme mit den Lieferketten, Sie auch?
Jan-Hendrik: Wir haben das ganz gut im Griff, unser Engpass sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Also trifft Sie auch der Fachkräftemangel?
Jan-Hendrik: Ja, aber die Suche nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist nicht einmal das größte Problem. Wir müssen die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber einarbeiten, mit unserer Kultur vertraut machen, das kostet viel Zeit.

Was lässt Sie schlecht schlafen?
Jörg-Uwe: Wie baut man in einem dynamisch wachsenden Unternehmen nachhaltige Strukturen auf? Wie bewahrt man die Unternehmenskultur, um ein menschliches und kollegiales Unternehmen bleiben? Wo verzettelt man sich? Es ist ein bisschen wie bei einem Brokkoli: die Verästelungen nehmen exponentiell zu. Die große Frage ist, wie wir die Mikroprobleme in den Griff bekommen. Wir sind kein Seed-Fonds, bei dem von zwölf Projekten neun nicht laufen, zwei bis drei so lala und eines durchstartet. Wir sind eher mit Herzchirurgen vergleichbar. Da muss jede Operation gelingen.
Jan-Hendrik: Das Thema Mensch liegt mir auch am Herzen. Wir müssen ein Unternehmensklima schaffen, bei dem man Spaß an Leistung und neuen Technologien hat – auch wenn es hier und da zu Misserfolgen kommt.

„China ist für uns noch eine Terra Incognita.“

Inzwischen bauen Sie Schulen und auch Wohngebäude, was Sie lange ausgeschlossen haben, was kommt als nächstes?
Jörg-Uwe: Über den Wohnungsbau haben wir immer wieder diskutiert und uns 2017 entschieden, Wohngebäude zum Goldbeck-Produkt zu machen. Aber: Wir werden keine Eigenheime bauen, unser Marktsegment bleibt der gewerbliche und kommunale Hochbau.
Jan-Hendrik: Aktuell sind keine neuen Produkteinführungen geplant. Stattdessen wollen wir mit unserem bestehenden Leistungsportfolio die enormen Möglichkeiten in Europa nutzen. Wir möchten noch nachhaltiger werden. Und wir werden unsere Produkte optimieren und modifizieren – bei Rechenzentren können wir beispielsweise Akzente setzen, auch Studentenwohnheime sind eine interessante Weiterentwicklung des Wohnbau-Produkts.

Sie haben viele Parkhäuser gebaut, ist das noch ein Zukunftsgeschäft?
Jörg-Uwe: Ja, Parkhäuser werden auch in Zukunft noch gebraucht – um Park&Ride zu ermöglichen, um Verkehrsströme zu lenken, als Ladestationen und Mobilitätshubs und um den Flächenverbrauch reduzieren. Denn auch das autonom fahrende und alternativ angetriebene Fahrzeug von morgen wird einen Parkplatz benötigen. Generell sollten wir uns aber von dem Anspruch verabschieden, für die Ewigkeit zu bauen. Bei innerstädtischen Parkhäusern gehen wir heute von einer Nutzungsdauer von etwa 30 Jahren aus, sie sind der ideale Platzhalter für Zwischennutzungen. Werden sie nicht mehr benötigt, kann man unsere System-Parkhäuser abbauen und vom Stahl bis zum Kupfer recyceln. Eine praktische Materialbank sozusagen.

70 Prozent des Geschäfts machen Sie hierzulande, 30 Prozent in Europa, und Sie haben Scouts im Silicon Valley und bald in Schanghai. Hat Ihnen das schon etwas gebracht?
Jan-Hendrik: Ja, sehr viel. Wir machen viele Networking-Events im Valley, scouten Startups und kooperieren unter anderem mit dem Bausoftware-Anbieter Autodesk und der Stanford University. China ist für uns noch eine Terra Incognita. Durch den Zukauf der GSE vor zwei Jahren sind wir mit einer Dependance dort vertreten, die wir nun um ein Innovationsteam ergänzen. Denn wir sind uns sicher: Wenn es Innovationen geben sollte, die wir noch nicht kennen, dann werden sie von dort kommen.

„Corona spielt eine Katalysatorrolle bei der Diversität“

Sie sprechen gern über Diversität, in Ihrem Unternehmen gibt es neben Ihnen beiden noch zwei männliche Geschäftsführer auch im Beirat sind keine Frauen vertreten. Wann folgen Taten?
Jan-Hendrik: Der Beirat ist aktuell mit sehr guten und qualifizierten Menschen besetzt. Wenn eine Position frei wird, werden wir sie definitiv mit einer Frau besetzen. In Kürze werden wir auch eine weibliche Geschäftsführung haben, die direkt an unseren vierköpfigen Vorstand berichtet. Wir glauben, dass Corona dabei eine Katalysatorrolle spielt. Es ist jetzt klar: Führen kann man auch aus der Ferne, deswegen wollen wir aufstrebende Frauen ganz bewusst ermutigen, auch mit Kindern Karriere zu machen.

Viele Unternehmer schauen sehr besorgt auf die Wahlen, auch Sie?
Jan-Hendrik: Die Situation ist beinahe skurril. Die Wähler wollen offenbar bürgerlich wählen, Scholz und Laschet liegen vorn. Wenn dann aber trotzdem eine rot-grün-rote Regierung gebildet wird, ist das nicht die Kernidee der Wähler.
Was passiert dann?
Jan-Hendrik: Rot-Grün-Rot will etwas verteilen, aber fragt nicht, wie es erwirtschaftet wird. Wir als Unternehmer brauchen stabile Rahmenbedingungen, wir müssen international wettbewerbsfähig sein, mit klarer Freude an Europa, an Innovationen und Wachstum. Das dürfen wir nicht auf Spiel setzen. Sonst werden wir zum folkloristischen Disneyland für chinesische Touristen.
Jörg-Uwe: Mich treiben die Vermögensteuerpläne um. Ich finde es schade, dass eine offensichtlich volkswirtschaftlich unkluge Maßnahme ergriffen werden soll. Die Auswirkungen sind bekannt, Unternehmen werden weniger investieren können.
Jan-Hendrik: Wir haben eine große Bereitschaft Steuern zu zahlen überall, wo wir aktiv sind. Aber wenn eine Substanz besteuert wird, dann ist das zum Ausdruck gebrachte Enteignung von Unternehmen. Das wird Konsequenzen haben.

„Alle Manager und Unternehmer sind sich der ökologischen Grenzen bewusst.“

Welche?
Jörg-Uwe: Ein Prozent auf den Unternehmenswert klingt wenig, ist aber extrem viel, wenn man es in guten und in schlechten Jahren zahlen muss.
Jan-Hendrik: Allein der Aufwand der Erhebung! Die Steuerberater werden sich freuen. Für uns hat das Thema aber noch eine weitere Dimension: Mit der aktuellen Zinspolitik würde die Vermögensteuer auf den Immobilienmarkt durchschlagen, mit allen Folgen für unsere Branche. Um es klar zu sagen: Wir wollen vom verdienten Geld Steuern zahlen.

Wollen Sie andere Steuern zahlen oder freiwillig etwas abgeben…
Jan-Hendrik: Ich hätte überhaupt kein Problem damit, wenn ich mehr bezahlen müsste. Aber die Mittelverwendung muss nachvollziehbar sein. Ich möchte beitragen, aber ideologische Vorschlaghämmer nützen nichts. Die Vermögensteuer macht mehr kaputt als heile. Sie würde der Volkswirtschaft schaden.
Sehen Sie auch die Verantwortung der Unternehmer für den Klimaschutz?
Jan-Hendrik: Wir sind nicht im Raubtierkapitalismus. Die ökologische Bewegung ist wissenschaftlich fundiert und gesellschaftlich notwendig. Alle Manager und Familienunternehmer sind sich inzwischen ihrer Verantwortung bewusst, auch der ökologischen Grenzen, die bislang überschritten wurden und die wir nun einhalten wollen. Aber die Grundvoraussetzung bleibt, dass die neuen nachhaltigen Lösungen zugleich wirtschaftlich sind. Sonst haben sie keine Chance, sich langfristig durchzusetzen.

Was glauben Sie ist das Geheimnis, dass Sie so gut zusammenarbeiten? Was haben Ihre Eltern richtig gemacht?
Jörg-Uwe: Das Fundament ist eine gemeinsame Wertebasis und die Freude am Unternehmertum, was natürlich maßgeblich von unseren Eltern geprägt wurde. Wir vertrauen einander und respektieren und schätzen die Unterschiede in unseren Charakteren. Jan-Hendrik ist risikoaffin und hat ein sehr gutes Gespür für neue Trends und Chancen. Ich übernehme den Realitätscheck und bewerte Risiken. Und weil wir uns ergänzen, tun wir dem Unternehmen gut.

Die Herren Goldbeck, vielen Dank für das Interview.

Mehr: Alexander Knauf steht seit Beginn des Monats an der Spitze des Gipsproduzenten. Im Interview spricht er über die größte Firmenübernahme der Geschichte, Diversität und Nachhaltigkeit.

.