„Ich habe die Hoffnung, dass die künftigen Koalitionäre etwas hinbekommen“

Adrian warnte allerdings vor überzogenen Ausgaben der künftigen Bundesregierung: „Hohe Schulden heute sind die Steuererhöhungen von morgen, die Betriebe dann treffen“, warnte er. Der DIHK-Präsident verteidigte die Schuldenbremse. Sie sorge dafür, „dass der Staat Krisen abfedern kann“.

Adrian warnte vor Alleingängen im Klimaschutz. „Was wir in Europa und speziell auch in Deutschland machen, muss abgestimmt sein mit den wichtigsten Wirtschaftsräumen, die uns international in der Konkurrenz begegnen, also mit China und den USA“, sagte er. Die Politik sei aufgefordert, die entsprechenden Prozesse zur globalen Abstimmung vehement voranzutreiben.

Nach den Ampel-Sondierungen haben SPD, Grüne und FDP ein erstes Ergebnispapier vorgelegt. Welches Zwischenfazit ziehen Sie?
Es verdichtet sich der Eindruck, dass es klappen könnte mit der Ampel. Das fängt schon bei der Stimmung an, die auf ein konstruktives Miteinander hindeutet. Allerdings decken die drei Parteien ein sehr breites politisches Spektrum ab, sodass es inhaltlich sicher noch eine große Herausforderung wird, bei konkreten Themen auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Aber jetzt sollten wir den Beteiligten auch die Zeit geben, sich hier zusammenzufinden.

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Haben Sie als Unternehmer denn schon die Champagnerkorken knallen lassen, weil der Wirtschaft wohl höhere Steuern erspart bleiben?
Die FDP hat immer klargemacht, dass das für sie eine Conditio sine qua non, also eine notwendige Bedingung, ist. Mit Blick auf viele Unternehmen würde ich aber nicht von Erleichterung sprechen. Die Steuerlast bleibt ein schwieriges Thema am Standort Deutschland, da wir selbst ohne Steuererhöhungen bei der Unternehmensbesteuerung im internationalen Vergleich schlecht dastehen.

Die Ampel will massiv in Klimaschutz und Digitalisierung investieren und auch das Soziale nicht zu kurz kommen lassen. Woher soll das Geld kommen?
Wir haben mit der Transformation gewaltige Investitionen vor uns, die vor allem aus der Privatwirtschaft, aber auch vom Staat kommen müssen. Und wenn wir zusätzlich die Demografie betrachten, die immer mehr Finanzierungsbedarf für unsere Sozialsysteme mit sich bringt, dann wird das finanziell sehr eng.  

Im Ampel-Papier findet sich kein Bekenntnis zur Stabilisierung der Sozialbeiträge unter 40 Prozent. Macht Ihnen das Sorgen?
Sicherlich. Wenn Sie das Rentenniveau bei 48 Prozent halten und das gesetzliche Renteneintrittsalter unverändert lassen wollen, dann läuft es auf zwei Alternativen hinaus: Sie erhöhen die Beiträge oder schießen noch mehr Steuergeld zu. Schon jetzt fließen mehr als 100 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt in die Sozialversicherungen. Wegen unserer Demografie und des sich verschärfenden Fachkräftemangels sind wir daher darauf angewiesen, dass qualifizierte Zuwanderer künftig hierzulande arbeiten wollen.  

Nimmt die Ampel den Mund zu voll?

Derzeit wird viel über die Schuldenbremse diskutiert oder über Möglichkeiten, sie – etwa durch neue Fonds – zu umgehen. Was sagen Sie?
Ich sehe da im Moment viel Improvisationstalent und Fantasie der Haushälter – Stichwort Nebenhaushalte. Ich will und kann das jetzt noch nicht im Einzelnen beurteilen, aber für Unternehmerinnen und Unternehmer sind tragfähige Staatsfinanzen ein wichtiger Standortfaktor. Denn sie wissen aus schmerzlicher Erfahrung: Hohe Schulden heute sind die Steuererhöhungen von morgen, die Betriebe dann treffen. Im letzten Jahr haben wir einen weiteren die Wirtschaft stabilisierenden Faktor erlebt: Eine Schuldenbremse sorgt in guten Zeiten dafür, dass der Staat Krisen abfedern kann.

Vom DIHK befragte Unternehmer nennen Fortschritte bei der Digitalisierung und bessere Verwaltungsleistungen als Top-Prioritäten. Nimmt die Ampel nicht den Mund etwas voll, wenn sie die Dauer von Planungsverfahren mindestens halbieren will?
Es ist eins der wichtigsten Ziele überhaupt, wenn wir wirtschaftliches Wachstum und notwendige Erneuerungen voranbringen wollen. Allerdings gab es in der Politik schon viele namhafte Vertreter, die für Bürokratieabbau sorgen wollten, aber die Bürokratie hat eher noch zugenommen. Deshalb können wir hier nur mit grundlegenden Veränderungen zu einer Beschleunigung kommen.

Blicken Sie manchmal neidisch nach Brandenburg, wo Elon Musk im Rekordtempo seine Tesla-Fabrik hochzieht?
Ich finde es beeindruckend, in welcher Zeit und mit welcher Stringenz das Projekt durchgezogen wird. Die Amerikaner sind gewohnt zu sagen: Ich will jetzt hier eine Fabrik bauen, und wenn ihr das nicht wollt, dann gehe ich halt woanders hin. Wir Deutschen sind andere Genehmigungsverfahren gewohnt und wissen auch, dass viele Abstimmungsprozesse erforderlich sind. Schließlich sind wir dichter besiedelt und in manchen Fragen auch aus gutem Grund gründlicher. Aber wir können und müssen trotzdem schneller werden. Deshalb hoffe ich sehr, dass die Koalitionäre das hinbekommen.

Die Wirtschaft könnte viel besser durchstarten, wenn nicht Material knapp wäre – vom Bauholz bis hin zu Halbleitern. Sind wir zu anfällig geworden für Störungen in den Lieferketten?
Unsere Lieferketten sind sehr komplex und die momentane Knappheit ist auch auf die großen Konjunkturprogramme in den USA und China zurückzuführen. Aber es spricht einiges dafür, dass sich das im kommenden Jahr normalisiert. Es wäre nicht sinnvoll, jetzt zu einer neuen Form autarker Nationalökonomie umzuschwenken. Aber natürlich wird in verschiedenen Wirtschaftsbereichen neu über Lagerhaltung und sichere Logistik nachgedacht.

Auch Fachkräfte sind ein knappes Gut. Laufen wir da in die nächste Krise hinein?
In Teilbereichen ist sie längst da, beispielsweise im Gesundheitsbereich oder in der Logistik. Das Gastgewerbe hat zum Teil schon die Betriebszeiten gekürzt, weil es an Personal fehlt. Wir müssen junge Menschen engagiert ausbilden, mehr in Weiterbildung investieren, aber wir brauchen auch verstärkte Zuwanderung. Das Einwanderungsgesetz muss jetzt nach Corona richtig scharf geschaltet werden, etwa durch eine Beschleunigung der Visaverfahren.  Und Politik und Unternehmen müssen sicher beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch mehr tun.

Was zum Beispiel?
Viele Kindertagesstätten sind nicht darauf eingestellt, zwischen morgens früh um sieben und abends um sieben Betreuung anzubieten. Das macht es für Eltern schwierig, flexibel berufstätig zu sein. Und als Arbeitgeber kann ich zwar einen steuerfreien Zuschuss für die Kita zahlen, nicht aber für die Ganztagsbetreuung von Grundschülern. Da gibt es sicher noch Verbesserungsbedarf.

Corona-Fallzahlen steigen rasant

In der Coronakrise konnten wir eine Zeit lang aufatmen, aber jetzt steigen die Fallzahlen rasant. Ist es richtig, die epidemische Lage von nationaler Tragweite im November auslaufen zu lassen, wie Gesundheitsminister Jens Spahn vorgeschlagen hat?
Ich bin weder Arzt noch Virologe und kann die weitere Entwicklung der Pandemie daher schlecht beurteilen. Aber wir haben unter den Erwachsenen eine Impfquote von 80 Prozent erreicht und auch die Situation auf den Intensivstationen ist momentan nicht besorgniserregend. Deshalb wäre ich persönlich froh, wenn wir auch im Interesse der Unternehmen weiter Richtung Normalität gehen könnten.

Sollte es eine bundesweit einheitliche 3G-Regel geben – also nur Geimpfte, Genesene oder Getestete dürfen im Betrieb erscheinen?
Aus Gründen der Klarheit und Einfachheit wäre eine bundesweite Regelung wünschenswert, die zugleich praktikabel, wirkungsvoll und wirtschaftlich ist. Aber auf der anderen Seite gibt es natürlich regionale Unterschiede beim Infektionsgeschehen.

Noch sind die Arbeitgeber verpflichtet, Präsenzbeschäftigten zweimal pro Woche einen kostenlosen Test anzubieten. Sollte das Bestand haben?
Die Inanspruchnahme des Testangebots ist relativ überschaubar. Schwerer wiegt, dass Arbeitgeber – von Ausnahmen abgesehen – weiter keine Möglichkeit haben, den Impfstatus abzufragen und auch bei den Testergebnissen auf die Aussage der Beschäftigten vertrauen müssen. Das erschwert den Gesundheitsschutz in den Betrieben. Mehr Transparenz würde hier die betrieblichen Maßnahmen erleichtern. Aber angesichts der hohen Impfquote bin ich optimistisch, dass wir das Thema in wenigen Monaten hinter uns haben.

Steigende Energiepreise

Die Energiepreise steigen dramatisch. Mit welcher Entwicklung rechnen Sie?
Ich rechne damit, dass wir wieder eine Normalisierung an den Weltmärkten sehen. Wir erleben im Moment einen Ausschlag nach oben, der sich so nicht fortsetzen wird. Ob bei industriellen Prozessen, im Verkehrs- oder Gebäudesektor: Wir sehen überall intensive Bemühungen, die Energieeffizienz zu steigern und den Einsatz fossiler Energieträger zu reduzieren. Das wird zumindest mittelfristig eine preisdämpfende Wirkung haben.

Aber es bleiben Preistreiber, die hausgemacht sind, etwa der nationale CO2-Preis.
Natürlich kostet die gesamte Transformation des Energiesystems Geld. Wenn man sich allein vorstellt, dass wir im nächsten Jahr aus der Kernkraft aussteigen und den Kohleausstieg möglichst auf 2030 vorziehen, dann bleibt das natürlich nicht ohne Folgen für das Kosten- und Preisgefüge. Daher rechne ich damit, dass die Beschaffungskosten für Gas nicht zuletzt wegen des steigenden CO2-Preises dauerhaft höher liegen werden als in der Zeit vor Corona.

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Was kann die nächste Regierung tun, um die Stromkosten zu senken? Wären Sie schon mit einem Wegfall der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zufrieden?
Der Wegfall ist richtig, denn die Stromkosten müssen deutlich runter. Das ganze System der Abgaben und Umlagen auf den Strompreis gehört auf den Prüfstand. Für viele Branchen ist die aktuelle Situation nur schwer verkraftbar. Dabei erkennen die Unternehmen in Deutschland, insbesondere auch der Mittelstand, natürlich das Ziel an, die Transformation zu bewältigen. Sie sind beim Klimaschutz auch hoch motiviert, wie wir aus unseren Umfragen wissen. Wir müssen uns aber fragen, wie wir dieses Ziel erreichen können, ohne im internationalen Wettbewerb Schaden zu nehmen.

Was schlagen Sie vor?
Der wichtigste Punkt ist: Was wir in Europa und speziell auch in Deutschland machen, muss abgestimmt sein mit den wichtigsten Wirtschaftsräumen, die uns international in der Konkurrenz begegnen, also mit China und den USA. Die Politik ist aufgefordert, die entsprechenden Prozesse zur globalen Abstimmung vehement voranzutreiben. Die Weltklimakonferenz, die jetzt in Glasgow beginnt, bietet hierfür jetzt einen Rahmen.

Auf eine internationale Abstimmung zu warten, wird aber dauern.

Ein europäischer Alleingang hilft jedenfalls nicht weiter, auch keine deutsche Solo-Strategie im EU-Binnenmarkt. Leider ist es ja sogar so, dass die einzelnen EU-Staaten widersprüchliche Ziele verfolgen. Der globale Transformationsprozess lässt sich nur bewältigen, wenn er auch global abgestimmt wird. Ich weiß, dass das sehr schwierig ist, und es darf auch keine Ausrede sein, selbst nichts zu tun. Aber es ist sicherlich die entscheidende Aufgabenstellung, der sich die Politik zuwenden muss. Ich weiß nur, dass die Unternehmen gewillt sind, den Prozess zu begleiten, bei richtigen Rahmenbedingungen mehr in den Klimaschutz zu investieren, und auch bereit sind, Zugeständnisse zu machen.

Was halten Sie davon, europäische Unternehmen vor Wettbewerbern mit weniger ambitionierten Klimazielen mittels CO2-Grenzausgleich zu schützen?
Da gehen bei mir die Alarmglocken an. Dieses Instrument, das ja die EU-Kommission vorschlägt, ist eine Einbahnstraße. Ich kann nur dringend davor warnen, auf einen CO2-Grenzausgleich zu setzen.

Warum?
Es mag theoretisch geeignet sein, vor Importen aus Ländern mit weniger hohem Ambitionsniveau zu schützen. Wir erreichen damit aber nicht, dass unsere Produkte international konkurrenzfähig bleiben. Das ist gerade für ein exportstarkes Land wie Deutschland ein ganz entscheidender Aspekt. Hinzu kommt, dass der Grenzausgleich mit Blick auf unterschiedliche Verarbeitungsschritte über die gesamte Lieferkette zu komplexen Definitions- und Abgrenzungsproblemen führt. Man wird sich darüber streiten, welchen CO2-Fußabdruck ein bestimmtes Produkt überhaupt aufweist.

Auswirkungen auf den Mittelstand

Die EU-Kommission argumentiert daher, sie wolle den Ausgleich zunächst auf wenige Grundstoffe, etwa Stahl oder Düngemittel, beschränken. Das würde das System weniger komplex machen. Überzeugt Sie das nicht?
Das ist allenfalls eine Teillösung für einzelne Bereiche. Die Wettbewerbsverzerrungen verlagern sich dann auf andere Wertschöpfungsstufen. Das kann nicht funktionieren. Ich sehe die Gefahr, dass wir mit dieser Strategie wichtige Industrien aus Europa verlieren – insbesondere aus Deutschland.

Hat dieser Prozess nicht schon längst begonnen?
Da muss man differenzieren. International aufgestellte Unternehmen mit Produktionsstandorten rund um den Globus neigen bereits dazu, energieintensive Produktionen außerhalb Europas zu verstärken. Mittelständler, die nur einen Produktionsstandort in Deutschland haben, tun sich inzwischen leider zunehmend schwer, diesen Standort aufrechtzuerhalten.

Fürchten Sie, dass einige Mittelständler ihre Produktion gänzlich einstellen?
Die Gefahr ist real. Wenn Sie sich anschauen, wie sich die Ausrüstungsinvestitionen der deutschen Wirtschaft entwickeln, dann sind die Signale klar. Dabei spielt natürlich auch eine Rolle, dass der nationale CO2-Preis in Deutschland für die Sektoren Wärme und Verkehr eine Last darstellt, die es in anderen EU-Staaten so nicht gibt. Es kommt also eine innereuropäische Wettbewerbsverzerrung hinzu. Das macht es gerade vielen Mittelständlern in Deutschland besonders schwer.

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Die Wirtschaft fordert grünen Strom in großen Mengen und zu niedrigen Preisen. Die Politik stellt in Aussicht, den Ausbau der Erneuerbaren stark zu forcieren. Für wie realistisch halten Sie das?
Möglicherweise lässt es sich hinbekommen, mehr Flächen für die Windenergie auszuweisen. Die Windenergieanlagen dann baulich umzusetzen, ist schon wieder ein ambitioniertes Vorhaben. Dann auch noch zu erreichen, dass diese Windkraftanlagen an das Leitungsnetz angebunden werden, ist eine mindestens ebenso große Herausforderung. Die Genehmigungsverfahren sind schwierig und kompliziert. Wir brauchen aber ganz einfache Genehmigungsstrukturen, um wirklich voranzukommen. Ich halte das für eine extrem fordernde Aufgabe. Ich habe aber durchaus auch die Hoffnung, dass die künftigen Koalitionäre etwas hinbekommen.

Was würde es bringen, das Thema Energie und Klima in der nächsten Bundesregierung in einem Ministerium zu bündeln?
Man kann auch in der jetzigen Struktur deutlich machen, dass es um ein sehr relevantes Thema geht. Aber letztlich müssen das die Koalitionäre natürlich selbst entscheiden.

Mehr: Warnung vor Alleingang bei der CO2-Reduktion

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