Düsseldorf Seit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 sind staatliche Investitionen die wichtigste Triebfeder des Wachstums in China. Dem damaligen Einbruch der Exporte steuerte Chinas Staatsführung mit dem bis dahin weltweit größten Stimulus von umgerechnet 587 Milliarden Dollar entgegen. Immobilien- und Infrastrukturkonzerne bauten Brücken, Flughäfen, Straßen und Wohnungen – und steigerten damit das Bruttoinlandsprodukt.
Zwar erholte sich China so schnell von der Krise. Doch das Land leidet bis heute an den Nebenwirkungen: Zuletzt trugen Investitionen 45 Prozent zum Wirtschaftswachstum bei. Allein der Immobiliensektor sorgte für ein Drittel der Wirtschaftsleistung. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt wächst auf Pump. Deutlich wird dies auch an den zehn meistverschuldeten Unternehmen Chinas:
Evergrande
Das Immobilienkonglomerat Evergrande ist das am höchsten verschuldete Unternehmen Chinas. Nach offiziellen Angaben belaufen sich die Verbindlichkeiten des zweitgrößten chinesischen Immobilienkonzerns auf umgerechnet 305 Milliarden Dollar. Allerdings gibt es Berichte über weitere außerbilanzielle Schulden.
Anfang September hatte der Konzern gewarnt, seine Schulden möglicherweise nicht mehr bedienen zu können. Seitdem herrscht auf den Finanzmärkten die Sorge, dass ein Kollaps des Unternehmens einen Dominoeffekt auf dem Immobilienmarkt auslösen könnte.
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Die Krise bei Evergrande hat sich zugespitzt, seit die chinesischen Finanzaufseher im August vergangenen Jahres hochverschuldeten Immobilienkonzernen den Zugang zu neuen Krediten erschwerten, um die Überhitzung des Immobiliensektors einzudämmen. Seitdem hat Evergrande Probleme, an Geld zu kommen.
Den Schulden des Konzerns stehen Immobilienprojekte und Grundstücke mit einer Gesamtfläche von 214 Millionen Quadratmetern gegenüber. In ganz China entwickelt das Unternehmen 130 Projekte. Aufgrund der Finanzprobleme liegen 500 Projekte derzeit brach, insgesamt sind 800 noch nicht fertiggestellt. Dem Analysehaus Redd Intelligence zufolge warten 1,2 Millionen Käufer, die für ihre Immobilie bereits im Voraus bezahlt haben, auf die Schlüsselübergabe.
Der Privatkonzern, der 1996 von Xu Jiayin gegründet wurde, hat rund 200.000 Mitarbeiter und beschäftigt durch seine Bauprojekte Millionen von Bauarbeitern und zahlreiche Zulieferer. 2020 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von umgerechnet 74 Milliarden Dollar und einen Gewinn von 1,2 Milliarden Dollar. Seit 2009 ist es in Hongkong notiert. Der Börsenwert betrug zuletzt rund fünf Milliarden Dollar. Derzeit ist die Aktie allerdings wegen einer angekündigten insiderrelevanten Transaktion vom Handel ausgesetzt.
China State Construction Engineering
Der Staatskonzern China State Construction Engineering, kurz CSCEC, ist das größte Bauunternehmen der Volksrepublik und einer der größten Staatskonzerne der Welt. Das Unternehmen entwickelt und baut weltweit Immobilien- und Infrastrukturprojekte.
Leuchtturm-Bauprojekte der chinesischen Staatsführung werden zumeist von CSCEC errichtet, wie etwa das Raketentestzentrum in Shenzhou oder die Olympia-Schwimmhalle in Peking. Das Unternehmen ist aber auch international aktiv und errichtete beispielsweise den höchsten Wolkenkratzer Europas in Moskau sowie Infrastrukturprojekte in Afrika, Südostasien und auf der arabischen Halbinsel.
Nach eigenen Angaben baute CSCEC in China mehr als 90 Prozent der Wolkenkratzer mit einer Höhe von mehr als 300 Metern, drei Viertel der wichtigsten Flughäfen und Satellitenabschussbasen, ein Drittel der städtischen Versorgungstunnel sowie die Hälfte der Kernkraftwerke. Einer von 25 Chinesen lebt in einem von CSCEC errichteten Haus.
Die Aufzählung verdeutlicht, dass Staatskonzerne wie CSCEC in den vergangenen Jahren maßgeblich zum Wachstum in China beigetragen haben. Denn Investitionen, insbesondere in Infrastruktur, trugen zuletzt rund 45 Prozent zum nominalen Bruttoinlandsprodukt bei.
CSCEC wurde 1982 gegründet. 2020 erzielte es einen Umsatz von 8,1 Milliarden Dollar und einen Gewinn von 0,8 Milliarden Dollar. Die Marktkapitalisierung belief sich zuletzt auf fünf Milliarden Dollar.
Country Garden
Gemessen am Umsatz ist Country Garden der zweitgrößte Immobilienkonzern Chinas. Er betrug im vergangenen Jahr 67 Milliarden Dollar. Zwar häufte der Konzern ebenfalls 269,4 Milliarden Dollar an Schulden an, doch insgesamt ist die Finanzstruktur des Unternehmens solider als die von Evergrande. Das geht aus einer Analyse der französischen Investmentbank Natixis hervor.
Ein Grund dafür ist, dass Country Garden infolge der strengeren Regeln für Immobilienentwickler seine Wachstumspläne zurückschraubte. Der Konzern strebt für die nächsten drei Jahre nur noch ein jährliches Umsatzwachstum von zehn Prozent an, verglichen mit durchschnittlich 25 Prozent in den letzten fünf Jahren.
Dabei könnte Country Garden von den Problemen bei Evergrande profitieren. Einem Bericht des Wirtschaftsmagazins „Caixin“ zufolge hat CEO Li Changjiang Interesse an Grundstücken des Konkurrenten bekundet. Allerdings ist er der Ansicht, „der Preis stimmt noch nicht“.
Der Privatkonzern aus der südchinesischen Stadt Foshan wurde 1992 gegründet. Seit 2007 ist er an der Börse Hongkong notiert. Der Börsenwert betrug zuletzt 22,4 Milliarden Dollar.
China Vanke
China Vanke ist der drittgrößte Immobilienentwickler Chinas. Seine Schulden summieren sich auf 246,5 Milliarden Dollar. Der Natixis-Analyse zufolge ist er jedoch konservativer finanziert als Evergrande und Country Garden.
Im Juli erklärte das Unternehmen, dass es künftig stärker auf Immobilienmanagement und Dienstleistungen setzen wolle, da die größten Immobilienentwickler des Landes ihre Geschäftsmodelle überarbeiten, um die Rentabilität angesichts der strengeren staatlichen Beschränkungen für die Kreditaufnahme zu steigern. „Es wird immer schwieriger, mit dem Entwicklungsgeschäft Geld zu verdienen“, sagte Präsident und CEO Zhu Jiusheng damals auf der Aktionärsversammlung.
China Vanke mit Sitz in Shenzhen wurde 1984 als privates Unternehmen gegründet. Seit 2014 ist das Unternehmen in Hongkong gelistet. 2017 wurde der Staatskonzern Shenzhen Metro Group Mehrheitseigner von China Vanke. 2020 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von 61 Milliarden Dollar und schrieb sechs Milliarden Dollar Gewinn. Die Marktkapitalisierung belief sich zuletzt auf 37,2 Milliarden Dollar.
Greenland
Greenland ist ein kleinerer Immobilienentwickler mit einem Umsatz von zuletzt fünf Milliarden Dollar. Umso bemerkenswerter ist, dass das Unternehmen in der Liste der zehn am höchsten verschuldeten Unternehmen Chinas auf Platz fünf landet. Insgesamt belaufen sich die Schulden auf 191,1 Milliarden Dollar.
Das Unternehmen verstößt gegen zwei der drei sogenannten „roten Linien“ der chinesischen Finanzaufseher. So ist das Verhältnis von Schulden zu Vermögenswerten deutlich zu hoch. Zudem verfügt das Unternehmen nicht über ausreichend liquide Mittel, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten zu decken. Letzteres kann schnell zu Zahlungsunfähigkeit führen.
Chinesischen Medienberichten zufolge hat Greenland in den vergangenen Monaten immer wieder Projekte verkauft, um an frisches Geld zu kommen. Zuletzt kooperierte es mit dem Immobilienentwickler Fantasia, der selbst in Schieflage geraten ist und seinen Zahlungsverpflichtungen nicht pünktlich nachkommen konnte.
Im November vergangenen Jahres verkaufte das Immobilienunternehmen 27 kommerzielle Projekte in Schanghai und der Nachbarprovinz Jiangsu, um seine finanzielle Situation aufzubessern, wie die chinesische Wirtschaftsplattform „Yicai“ damals berichtete.
Greenland wurde 1992 als lokales Staatsunternehmen gegründet, um Grünanlagen in Schanghai zu bauen. 1993 ging es in Hongkong an die Börse, seit 2015 ist es auch in Schanghai gelistet und inzwischen Mitglied in Chinas Leitindex SSE50. Die Stadtregierung von Schanghai ist weiterhin einer der größten Aktionäre.
Petrochina
Der größte chinesische Ölkonzern Petrochina erzielte 2020 einen Umsatz von 281 Milliarden Dollar und einen Gewinn von 162 Milliarden Dollar. Das Unternehmen, das 18.000 Tankstellen betreibt, ist eine Tochter der staatlichen China National Petroleum Corp (CNPC).
Das Kerngeschäft von Petrochina ist die Erschließung und Förderung von Erdöl und Erdgas. Das Unternehmen ist eine der größten Ölgesellschaften der Welt. Zu seinen inländischen Konkurrenten gehört das Staatsunternehmen China Petrochemical, auch bekannt als Sinopec.
Kurz nach dem Börsengang von Petrochina 2007 in Schanghai stieg die Marktkapitalisierung auf eine Billion Dollar, und der Staatskonzern wurde eines der wertvollsten Unternehmen der Welt. Inzwischen ist er an der Börse nur noch 162 Milliarden Dollar wert.
Ein Grund dafür ist auch ein Strategiewechsel in der chinesischen Wirtschaftspolitik: Statt den Rohstoffsektor hat die chinesische Staatsführung zuletzt den Technologiesektor sowie den Konsum gestärkt. Zudem fördert Peking massiv die Elektromobilität – für den einst umsatzstärksten chinesischen Konzern bricht damit eine wichtige Erlösquelle weg.
Petrochina hat in den vergangenen Jahren sein Geschäft im Sudan, in Libyen, im Irak, in Syrien und anderen Krisengebieten aggressiv ausgebaut. Investoren wie Warren Buffett haben sich deshalb zunehmend zurückgezogen.
Poly Developments
Das Unternehmen aus der südchinesischen Stadt Guangzhou zählt gemessen an den Vermögenswerten zu den vier größten Immobilienkonzernen Chinas. Es ist eine Tochterfirma der staatlichen China Poly Group. Das Konglomerat hat ein starkes Rüstungsgeschäft, ist aber auch in zahlreichen anderen Sektoren aktiv. So zählt beispielsweise das drittgrößte Kunstauktionshaus der Welt nach Sotheby’s und Christie’s zu seinen Geschäftsbereichen.
Die Immobilientochter Poly Developments entwickelt und vertreibt hauptsächlich gewerbliche Wohnimmobilien im Inland. Unter den Top fünf der chinesischen Immobilienunternehmen ist Poly Developments das einzige, das keine der Schuldenlimits der Finanzaufseher verletzt, wie aus einer Analyse der französischen Investmentbank Natixis hervorgeht.
Das Unternehmen wurde unter dem Namen Poly Real Estate 1992 gegründet und ist seit 2019 in Schanghai gelistet. Der Börsenwert betrug zuletzt 26 Milliarden Dollar. 2020 erzielte der Konzern einen Umsatz von 35 Milliarden Dollar und einen Gewinn von vier Milliarden Dollar.
China Communications Construction
Der Baukonzern China Communications Construction (CCCC) ist mehrheitlich in staatlicher Hand. Das international tätige Infrastrukturunternehmen baut Autobahnen, Brücken, Tunnel, Hochgeschwindigkeitsbahnstrecken, Flughäfen, Ölplattformen und Seehäfen.
Der Staatskonzern gilt als zentrales Unternehmen in Chinas Seidenstraßenprojekt „Belt and Road Initiative“ (BRI), mit dem die Volksrepublik Infrastrukturprojekte in vielen Ländern vorantreibt. Seit August 2020 stehen fünf Tochterunternehmen von CCCC auf der Sanktionsliste der US-Administration. Als Grund nannte der damalige Außenminister Mike Pompeo, dass CCCC „federführend bei der zerstörerischen Ausbaggerung der Außenposten der Volksrepublik China im Südchinesischen Meer“ sei. Zudem sei der Staatskonzern ein wichtiger BRI-Auftragnehmer. Es dürfe der Volksrepublik China nicht erlaubt werden, CCCC und andere staatliche Unternehmen „als Waffen zu benutzen, um eine expansionistische Agenda durchzusetzen“, so Pompeo.
2020 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von umgerechnet 91 Milliarden Dollar sowie einen Gewinn von 2,4 Milliarden Dollar. Die Schulden beliefen sich zuletzt auf 166 Milliarden Dollar. CCCC ging 2006 in Hongkong an die Börse, 2012 folgte die Notierung an der Börse in Schanghai. Aktuell beläuft sich der Börsenwert auf 17,5 Milliarden Dollar.
China Railway Construction
China Railway Construction Corporation (CRCC) ist einer der größten Baukonzerne der Welt, vorwiegend im Eisenbahnbau tätig. Es ist eine Tochterfirma des Staatskonzerns China Railway Construction Corporation Group (CRCCG). Die seit 2008 börsennotierte Tochter erzielte 2020 einen Umsatz von 132 Milliarden Dollar und einen Gewinn von drei Milliarden Dollar. Die Schulden beliefen sich auf 156 Milliarden Dollar. Die Finanzdaten des Mutterkonzerns werden nicht veröffentlicht.
Letzterer wurde 1948 als Eisenbahngesellschaft der Volksbefreiungsarmee gegründet und ging 1982 im Eisenbahnministerium auf. Dem US-Verteidigungsministerium zufolge hält das Unternehmen bis heute Verbindungen zum chinesischen Militär. US-Investoren wurde deshalb 2020 untersagt, das Unternehmen oder seine Projekte zu finanzieren.
2008 war die Tochtergesellschaft CRCC in Hongkong und Schanghai an die Börse gegangen. In der Folge hat das Unternehmen stark ins Ausland, unter anderem nach Afrika, sowie entlang des Seidenstraßenprojekts expandiert. Der Börsenwert betrug zuletzt 15,5 Milliarden Dollar.
Sunac China
Gemessen an den Vermögenswerten ist Sunac China der fünftgrößte chinesische Immobilienentwickler. 2020 erzielte das private Unternehmen einen Umsatz von 34 Milliarden Dollar und einen Gewinn von 5,2 Milliarden Dollar. Die Schulden belaufen sich auf 155 Milliarden Dollar. Letztere übersteigen das von Chinas Finanzaufsehern vorgegebene Verhältnis von Schulden zu Eigenkapital.
Das Unternehmen konzentriert sich auf große Immobilien im mittleren und hohen Preissegment in chinesischen Großstädten. 2017 übernahm Sunac für 9,3 Milliarden Dollar Tourismusprojekte und Hotels des Konglomerats Dalian Wanda. Wanda hatte sich mit seinen Auslandsengagements verhoben und war ins Visier der chinesischen Finanzaufseher geraten.
In der Folge nahmen Banken die Finanzen von Sunac jedoch genauer unter die Lupe, sodass das Unternehmen mit Guangzhou R&F Properties einen weiteren Investor an Bord holen musste, um den Deal zu stemmen.
Sunac wurde 2003 in Tianjin von Sun Hongbin gegründet, der bis heute die Geschäfte führt. Seit 2010 ist das Unternehmen in Hongkong gelistet. Der Börsenwert betrug zuletzt neun Milliarden Dollar.
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