Um Europas Ziele für grünes Bauen zu erreichen, muss die Migrationspolitik verbessert werden


Die in diesem Artikel geäußerten Meinungen sind die des Autors und spiegeln in keiner Weise die redaktionelle Position von Euronews wider.

Die europäische Baubranche müsse ihre Einwanderungspolitik reformieren, um technischen Handwerkern unkomplizierte und legale Wege zu bieten, in ihre Länder einzureisen und dort die dringend benötigten Arbeitsplätze zu besetzen, schreibt Claire Kumar.

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Haben Sie in letzter Zeit versucht, einen Klempner zu rufen? Das hat auch die europäische Baubranche versucht – ohne viel Erfolg.

Um die Klimaziele der EU zu erreichen, muss der Sektor in den kommenden Jahren eine massive Sanierungswelle durchführen. Dazu gehört der Austausch von Gaskesseln gegen Wärmepumpen und die Isolierung älterer Gebäude, während gleichzeitig die Nachfrage nach neuen Wohnungen gedeckt werden muss.

Baufirmen werden Wanderarbeiter anwerben müssen, weil es im einheimischen Arbeitsmarkt nicht annähernd genug Menschen mit den erforderlichen Qualifikationen gibt.

Doch sie werden durch eine Einwanderungspolitik gebremst, die ihren Zweck nicht erfüllt. Es bedarf eines Umdenkens – auch hinsichtlich der Einführung neuer „grüner Visa“.

Im vergangenen Jahr überarbeitete die EU nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine ihre Richtlinie für erneuerbare Energien. Sie fordert, dass bis 2030 42,5 Prozent des Energieverbrauchs der EU aus erneuerbaren Energien stammen müssen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Länder ihre Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien steigern und gleichzeitig ihre Energieeffizienz verbessern, um ihren Gesamtverbrauch zu senken.

Ein großer Teil dieser Aufgabe ist die Sanierung von Gebäuden, da etwa 40 Prozent des Energieverbrauchs der EU in Gebäuden stattfindet, von denen viele alt und energieineffizient sind. Bisher sind die Fortschritte langsam: Forscher haben herausgefunden, dass die Sanierungsrate verdreifacht werden muss, damit Europa sein Ziel für 2050 erreichen kann.

Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften ist die Ursache des Problems. Gewerkschaften gehen davon aus, dass die europäische Bauwirtschaft bis 2030 mehr als zwei Millionen neue Arbeitskräfte benötigen wird.

Die Anwerbung und Ausbildung von mehr Bauarbeitern im Inland kann zwar Teil der Lösung sein, doch um diese Lücke zu schließen, ist auch Zuwanderung erforderlich.

Und die EU wird über ihre Grenzen hinausblicken müssen: Der traditionelle Zustrom von Bauarbeitern aus Ländern wie Polen und Rumänien in andere EU-Länder hat mit zunehmendem Wohlstand dieser Länder abgenommen. Tatsächlich sind diese selbst zunehmend auf Zuwanderung angewiesen, um Arbeitsplätze im Bausektor zu besetzen.

Lehren aus Irland

Meine Forschungen zu diesem Thema in Irland für das irische Außenministerium, gemeinsam mit Botschafter David Donoghue, enthalten viele Lehren für andere europäische Länder. Wir haben festgestellt, dass die Bauwirtschaft mit einem enormen Bedarf an Sanierungen und Neubauten konfrontiert ist und nicht in der Lage ist, genügend Arbeitskräfte zu rekrutieren, um diesen Bedarf zu decken.

Darüber hinaus werden dringend benötigte Bauarbeiter häufig von der vorteilhaftesten Visakategorie ausgeschlossen, die auf akademischen Qualifikationen basiert. Obwohl es inzwischen Visa für technische Berufe gibt, fehlt es kleinen Bauunternehmen – die den größten Teil des Sektors ausmachen – oft an den administrativen Kapazitäten, um das Einwanderungssystem zu nutzen.

Die Regierung hat sich verpflichtet, bis 2030 fast 450.000 Gebäude nachzurüsten und jährlich etwa 33.000 neue Wohnungen zu bauen, um der politisch heiklen Wohnungskrise zu begegnen.

Demnach werden in der Bauindustrie bis 2030 über 50.000 neue Arbeitskräfte benötigt; das Irish Green Building Council (IGBC) schätzt diese Zahl auf über 120.000 Arbeitskräfte bei einer Bevölkerung von etwas über fünf Millionen.

Für irische Bauunternehmen ist die Anwerbung von Fachkräften vor Ort eine große Herausforderung. Auf einem insgesamt angespannten Arbeitsmarkt werden sie zusätzlich dadurch behindert, dass der Sektor in der Öffentlichkeit häufig mit schlechten akademischen Leistungen und finanzieller Unsicherheit assoziiert wird.

Ein Mitglied einer Branchengruppe sagte uns: „Aus der Branche erfahren wir, dass Qualifikation und Arbeitskräfte die größte Herausforderung für das Erreichen unserer Ziele darstellen.“

Die irische Regierung versucht einerseits, den Sektor im Inland attraktiver zu machen, hat andererseits aber auch die Notwendigkeit der Zuwanderung anerkannt. So wurde beispielsweise im Jahr 2021 die allgemeine Arbeitserlaubnis auf die meisten Berufe im Baugewerbe ausgeweitet.

Die Resonanz war jedoch enttäuschend und die Bauwirtschaft macht noch immer relativ wenig Gebrauch vom Einwanderungssystem.

Veraltete Einwanderungssysteme

Ein Grund dafür ist die Struktur der irischen Bauwirtschaft: 95 Prozent der Baufirmen gelten als „Mikrounternehmen“ mit weniger als 10 Beschäftigten und vermutlich begrenzter Verwaltungskapazität. Dieses Muster dürfte sich in weiten Teilen der EU wiederholen.

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Gleichzeitig basiert das Einwanderungssystem der Regierung auf einem überholten Konzept qualifizierter Arbeitskräfte, das an die akademische Hierarchie gebunden ist und technische Berufe unterbewertet.

Darüber hinaus ergab unsere Untersuchung, dass die Regierung in Nicht-EU-Ländern nur nach Bauarbeitern mit Fachkenntnissen sucht und davon ausgeht, dass die manuellen Arbeitskräfte aus der EU bereitgestellt werden, obwohl alle Belege darauf hindeuten, dass diese Arbeitskräfte in EU-Ländern weitaus weniger verfügbar sind.

Dieses Muster wiederholt sich bei Irlands internationalen Anwerbungsbemühungen, etwa wenn Regierungsminister Unternehmen auf internationalen Roadshows begleiten.

Bei einem Besuch in Südafrika im Juni 2023 lag der Fokus beispielsweise auf Berufen wie Ingenieuren, Bauleitern und Baukostenschätzern, während der größte Mangel bei Handwerkern (wie Klempnern, Elektrikern, Tischlern, Dachdeckern und Isolierern) und Hilfsarbeitern besteht.

Eine Schwäche, die die Fundamente erschüttern könnte

Ein wirkungsvoller Schritt, den Irland unternehmen könnte, um Handwerker anzuziehen, wäre, diese Berufe für eine Arbeitserlaubnis für kritische Fertigkeiten zu qualifizieren – die privilegierteste Visumkategorie des Landes, die Wanderarbeitern erweiterte Rechte einräumt, etwa das Recht, dass auch Familienmitglieder arbeiten, und weniger Bürokratie für Arbeitgeber.

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Die Liste der kritischen Fähigkeiten orientiert sich sowohl an beruflichen oder akademischen Qualifikationen als auch an der Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt.

Im Bausektor fallen beispielsweise Bauingenieure, Baukostenschätzer und Bauprojektmanager in diese Kategorie, Maurer, Klempner und Rohrinstallateure jedoch nicht.

Ähnliche Lehren lassen sich auch auf andere europäische Länder anwenden, von denen die Einwanderungssysteme der meisten Länder eine ähnliche Voreingenommenheit gegenüber technischen Handwerkern aufweisen. Wenn diese Schwäche nicht behoben wird, wird sie die Bauindustrie weiterhin behindern und Europas grünem Wandel schaden.

Die europäische Baubranche muss ihre Einwanderungspolitik reformieren, um Handwerkern unkomplizierte und legale Wege zu bieten, in ihre Länder einzureisen und dringend benötigte Jobs zu verrichten. Jetzt liegt es an den politischen Entscheidungsträgern, ihren Forderungen im Dienste der grünen Wende Europas Folge zu leisten.

Claire Kumar ist Senior Research Fellow bei ODI Europe.

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